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Militärmacht China
Aufrüsten für eine neue Weltordnung?

Längst hat die Volksrepublik China die meisten Kampfschiffe weltweit. Massive Investitionen in das Militär lassen Sorgen bei den Nachbarländern aufkommen – allen voran in Taiwan. Die Kommunistische Partei betont ihr Recht auf Selbstverteidigung.

Von Carina Rother und Andre Zantow |
Chinesische Soldaten bei einer Übung für eine Militärparade
Die Volksrepublik China hat mit zwei Millionen Soldaten die meisten weltweit. (Getty Images Europe)
"An das chinesische Militärflugzeug in 4.000 Metern Höhe südwestlich von Taiwan. Sie befinden sich in unserer Luftraumüberwachungszone und beeinträchtigen unsere Flugsicherheit. Bitte kehren Sie unverzüglich um!"
Ein hektischer Funkspruch über der Taiwanstraße: Ein Pilot der taiwanischen Luftwaffe fordert eindringlich chinesische Kampfflugzeuge zur Umkehr auf. 88 Mal drangen Chinas Flugzeuge in Taiwans Luftraumüberwachungszone ein – allein im April dieses Jahres (Stand 20.04.2021) - so rechnet es der Inselstaat vor. Flugmanöver, die provozieren sollen, deren Überwachung Taiwan jährlich fast eine Milliarde US-Dollar kostet und die seit 2016 stetig zunehmen.
Spannungen im asiatisch-pazifischen Raum - Taiwan rüstet gegen chinesische Bedrohung
Die Taiwanstraße trennt das chinesische Festland von der Insel Taiwan. China hat in der Meerenge seine Militärpräsenz seit Jahren schrittweise erhöht. Die Spannungen haben nun einen neuen Höhepunkt erreicht: Die chinesischen Jets dringen immer weiter in die Luftraumüberwachungszone Taiwans vor.
"Im letzten Jahr hat China alle zwei, drei Tage eine Militärübung in Taiwans Umfeld abgehalten. Sehr häufig, und mit einer steigenden Zahl an Flugzeugen, von schnellen Kampffliegern bis zu langsamen U-Boot-Abwehr-Flugzeugen. Das ist für unsere Luftwaffe sehr anstrengend. Wir sind ein kleines Land mit wenigen Flugzeugen. Unsere Luftwaffe geht damit sehr gut um, aber wir sind eben auf uns allein gestellt."

Bis 2049 will China die führende Armee aufgebaut haben

Sheu Jyh-Shyang forscht am Institut für Nationale Verteidigung und Sicherheitsforschung in Taiwans Hauptstadt Taipeh. Sein Fachgebiet umfasst: Chinesische Politik, Militär und Kriegsszenarien. Ein genauer Beobachter der Kommunistischen Partei auf der anderen Seite der Taiwan-Straße.
"China ist noch nicht die größte militärische Weltmacht. Aber das ist ihr Ziel. Wenn man sich Xi Jinpings Worte auf dem 19. Parteikongress 2017 anhört, dann sagt der KP-Führer, China habe zwei Ziele in der Entwicklung seines Militärs: Bis 2035 will China eine ‚grundlegende Modernisierung‘ erreichen. Bis 2049 will das Land die führende Armee aufgebaut haben. Davon kann man ableiten, dass China bis 2049 die größte Militärmacht der Welt werden will."
Ein Ziel, das von Jahr zu Jahr realistischer wird. Chinas Parteiführung erhöht die Militärausgaben stets mehr als das Bruttoinlandsprodukt wächst. Erst im März verabschiedete der Volkskongress eine Steigerung der Militärausgaben von 6,8 Prozent. Dazu sagte Generalsekretär Xi Jinping vor Vertretern der Volksbefreiungsarmee und der bewaffneten Volkspolizei laut einem Zeitungsbericht:
"Angesichts der instabilen Sicherheitslage benötigen unsere Streitkräfte einen umfassenden Plan für Aufstellung und Kriegsvorbereitung, um sofort auf schwierige Situationen reagieren zu können. Sie sollen nationale Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen verteidigen und den Aufbau eines modernen sozialistischen Landes unterstützen."

Chinas Marine ist zahlenmäßig die größte der Welt

Die "nationalen Entwicklungsinteressen" sind unter Xi ein fester Bestandteil der Rhetorik der Kommunistischen Partei geworden. Damit rechtfertigt China den Bau von künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer und deren Ausbau mit militärischer Infrastruktur, die Bewaffnung der chinesischen Küstenwache und die großangelegten militärischen Übungsmanöver mit Kriegsschiffen und Kampffliegern in der Region. Alles tagtäglich übertragen im Fernsehen.
Treffen der amerikanischen und chinesischen Top-Diplomaten in Alaska.
China und die USA - Ein Konflikt, der bleiben wird
Die Beziehungen zwischen China und den USA sind so schlecht wie seit 40 Jahren nicht mehr. Auf zahlreichen Feldern stehen die beiden Mächte als Konkurrenten gegenüber, die aggressive Rhetorik nimmt zu. Auch bei einem Regierungswechsel im Weißen Haus wird sich daran nicht viel ändern.
Raketen werden von einem Kampfschiff abgeschossen, laute Befehle aus der Kommandozentrale: Der chinesische Staatssender CCTV-7 zeigt rund um die Uhr die neuen militärischen Fähigkeiten der Volksbefreiungsarmee: Zu Wasser, an Land, in der Luft, am Raketen-Terminal und im Cyberraum. So gliedern sich die Streitkräfte nach der Militärreform 2015. In allen fünf Bereichen strebt die KP eine Führungsposition an. Mit zwei Millionen aktiven Soldaten hat die Volksrepublik mit Abstand die größte Truppenstärke weltweit. Mehr als 7.000 Kampfpanzer hat nur Russland. Und auf den Meeren seien die chinesischen Kampfschiffe schon in der Überzahl, so Verteidigungsforscher Sheu Jyh-Shyang:
"Die chinesische Marine ist zahlenmäßig bereits die weltgrößte. Die USA haben aber mehr große Schiffe, Flugzeugträger mit 100.000 Tonnen, viel mehr dieser Schiffe als China, mit höherer Kapazität. Das heißt, kräftemäßig ist China den USA noch unterlegen, aber zahlenmäßig hat China bereits die größte Marine. Dazu kommen Chinas Raketen, die die Nato-Staaten nicht haben."

US-Zerstörer würden Chinas Kampfschiffen unterliegen

Den Ausbau der chinesischen Marine hat James Fanell an vorderster Front miterlebt. Bis 2015 war er Chef des Marine-Nachrichtendienstes der US-Pazifikflotte. Heute lebt er in der Schweiz und schreibt militärische Analysen für die Denkfabrik "Geneva Centre for Security Policy".
"Die Realität ist, dass Chinas Militär nicht mehr nach innen wirken soll, sondern globale Ambitionen hat und in der weltweiten Arena operiert."
Das macht zunehmend auch die USA nervös, weil sie auf den Meeren ins Hintertreffen geraten, erzählt der ehemalige "Navy Captain".
"Die chinesische Marine hat nicht nur mehr Schiffe, sie hat auch mehr Fähigkeiten als die US-Marine - bezogen auf Anti-Schiffsraketen. Nehmen wir einfach einen 'Luyang-III Type 052D'-Zerstörer gegen einen US-Zerstörer. Die Chinesen haben Anti-Schiffsraketen mit einer Reichweite von mehr als 200 Kilometern, Überschallgeschwindigkeit und 'Sea-Skimming' – fliegen also knapp über der Wasseroberfläche, unbemerkt von jedem Radar. Dazu sind sie auch im Nahkampf kaum zu besiegen. Die US-Marine hat immer noch ihr 'Harpoon'-System. Unterschallgeschwindigkeit. Sehr langsam. Und sie kann im Verteidigungsfall nicht so manövrieren wie eine chinesische Rakete vom Typ 'YJ-18'."
Seerechtler zu Chinas Expansionspolitik - „Machterweiterung auf relativ einfachem Wege“
Um den Gebietsanspruch im Südchinesischen Meer zu festigen, schüttet China künstliche Atolle auf. Das sei nicht nur völkerrechtswidrig, sondern auch eine nahezu unwiederbringliche Zerstörung der Korallenriffe, erläuterte der emeritierte Seerechts-Professor Rüdiger Wolfrum im Dlf.
James Fanell skizziert, dass die USA derzeit nicht gegen Chinas Marine bestehen könnten in einem offenen Seegefecht zum Beispiel vor Hawaii. Eigentlich hätten die USA Vorteile durch ihre rund 20 großen Flugzeugträger, China hat bisher nur zwei, aber eine andere Antwort:
"China hat ballistische Anti-Flugzeugträger-Raketen entwickelt. Nur dafür designt, um Flugzeugträger zu versenken. Die erste haben sie vor gut 15 Jahren entwickelt – die "Dongfeng 21 D". Mit einer Reichweite von 900 Kilometern. Und jetzt haben sie eine neue in ihrem Arsenal – die "Dongfeng 26", die diese Reichweite verdoppelt hat. So können sie die US-Navy auf dem Meer von Guam bis nach China bedrohen."

Will China eine grenzenlose miliätirische Expansion?

Aber bis zum US-Stützpunkt auf der kleinen Insel Guam im westlichen Pazifik sei Chinas Verteidigungspolitik gar nicht ausgerichtet, meint Alexander Huang. Er ist Professor für chinesische Militärstrategie am Institut für Internationale Angelegenheiten und Strategiestudien der Tamkang Universität in Taipeh. Seit 30 Jahren forscht er zu diesem Thema und kommt zu dem Schluss: Der Kommunistischen Partei geht es um den Schutz seiner wirtschaftlich florierenden Küstenregion.
"Chinas jüngste Expansion nach außen ist so etwas wie die 'Chinesische Mauer zu Wasser'. Für die Nachbarländer ist das vielleicht nicht akzeptabel, aber für China ist das eine kleine Ausweitung seines Einflussbereichs, um von Peking über Tianjin, Tsingtao, Shanghai, bis nach Guangdong und Shenzhen geschützt zu sein, vor ausländischen Armeen. Es geht nicht um eine grenzenlose militärische Expansion oder eine globale Führungsrolle. Solche Ambitionen stecken noch nicht in der chinesischen DNS."
Gleichwohl - China hat seit 2017 auch eine erste Militärbasis im Ausland am Horn von Afrika: in Dschibuti. Und seine Ansprüche vertritt China inzwischen immer offensiver - auch gegenüber Nachbarländern.
China und Indien - Wie zwei Nachbarn um den Indischen Ozean konkurrieren
Die Präsenz chinesischer Kriegsschiffe im Indischen Ozean hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht die Sicherheit einer wichtigen Schifffahrtsroute für chinesische Öltanker. Indien ist von dieser Entwicklung zunehmend beunruhigt.

Ungelöster Grenzkonflikt mit Indien

Hunderte chinesische Soldaten waten mit Schilden und Schlagstöcken bewaffnet durch den Galwan-Fluss in der indischen Grenzregion Ladhak. Indische Soldaten stellen sich ihnen entgegen. So ist es auf Filmaufnahmen des chinesischen Militärsenders CCTV-7 vom 15. Juni 2020 zu sehen. Später zeigt der Film vier getötete chinesische Soldaten. Russische und indische Quellen sprechen von mehr als 40. Indien vermeldet 20 eigene getötete Soldaten.
Das Grenzscharmützel ist Teil eines schwelenden Konflikts um die Kontrolle der Grenze zwischen Tibet und Kashmir. Beide Seiten verhandeln seit Februar 2021 - bisher ohne Einigung. Im Kriegsfall wäre Indien der chinesischen Armee klar unterlegen.
Die größte militärische Bedrohung durch China sehen Experten aber für Taiwan. Die KP betrachtet die Nachbarinsel mit 23 Millionen Einwohnern als Teil ihres Staatsgebiets. Hier gebe es "keine Kompromisse", betonte Chinas Außenminister Wang Yi auf einer Pressekonferenz im März.
"Die beiden Seiten der Taiwanstraße müssen sich vereinen und sie werden sich vereinen. Dies ist der kollektive Wille des chinesischen Volkes. Die chinesische Regierung ist unerschütterlich entschlossen, die nationale Souveränität und territoriale Integrität zu wahren. Wir sind in der Lage, jede Form von separatistischen Aktionen zur 'Unabhängigkeit Taiwans' zu vereiteln."

Die strategisch wichtige Lage von Taiwan

Im Falle einer offiziellen Unabhängigkeitserklärung droht China mit Angriff: Über 1.000 chinesische Kurzstreckenraketen sind schon heute auf die Insel 130 Kilometer vor Chinas Südküste gerichtet. Taiwan war früher Teil des Kaiserreichs, gehörte aber nie zur 1949 gegründeten Volksrepublik. Die Insel wurde seitdem regiert von den Verlierern des Chinesischen Bürgerkrieges - der KMT - aus deren Einparteienherrschaft sich in den 1990er-Jahren eine florierende Demokratie entwickelte. Für Peking ein gefährliches Gegenbeispiel zum autoritären China. Dazu komme die strategische Bedeutung Taiwans, so Professor Huang:
"Aus geopolitischer Sicht ist es ganz offensichtlich: Die USA haben Truppen in Südkorea, Japan, auf den Ryukyu-Inseln und auf den Philippinen. Das ist die 'Erste Inselkette'. Taiwan liegt im Zentrum der Ersten Inselkette. Eine Besetzung Taiwans durch China würde den Durchbruch der Inselkette bedeuten. Wenn es Taiwan nicht einnehmen kann, wird es China sehr schwer haben, die Stärke seiner Marine und Luftwaffe nach außen zu projizieren."
Es geht auch um Chinas U-Boote. Militärstrategen sagen, dass Chinas U-Boote erst ungesehen in den Pazifik auslaufen können, wenn sie von Taiwans Ostküste starten, weil erst dort der Meeresboden steil abfällt. An den Fähigkeiten für eine militärische Übernahme arbeite Peking hart, so der taiwanische Verteidigungsforscher Sheu:
"Sie arbeiten gerade an vielen dahingehenden Kapazitäten: Die Luftwaffe hat jetzt Y-20, das sind großräumige Transportflugzeuge. Die Marine entwickelt amphibische Angriffsschiffe, Typ 075, und Transportschiffe für amphibische Landeeinheiten, Typ 071. Das ist eine Machtprojektion. Diese Kapazitäten könnten im Südchinesischen Meer oder noch weiter entfernt zum Einsatz kommen, aber natürlich auch gegenüber Taiwan."
Spannungen im asiatisch-pazifischen Raum - Taiwan rüstet gegen chinesische Bedrohung
Die Taiwanstraße trennt das chinesische Festland von der Insel Taiwan. China hat in der Meerenge seine Militärpräsenz seit Jahren schrittweise erhöht. Die Spannungen haben nun einen neuen Höhepunkt erreicht: Die chinesischen Jets dringen immer weiter in die Luftraumüberwachungszone Taiwans vor.

Angriff auf Taiwan bis 2030?

Die Frage ist nur, wann könnte ein Angriff auf Taiwan erfolgen? Wichtig sei dabei der Blick auf die 100-Jahr-Feierlichkeiten der Volksrepublik 2049, sagt Ex-"Navy Captain" Fanell.
"Sie werden es nicht erst 2048 tun, und dann erwarten, dass im nächsten Jahr alle nach China kommen, um mit ihnen das 100-jährige Jubiläum der Volksrepublik China zu feiern. Es muss also vorher passieren. Und da gibt es ein historisches Beispiel: 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Jeder auf der Welt hat das gesehen und war schockiert über die Barbarei der Kommunistischen Partei, die Panzer gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Die Welt hat das verurteilt. Und dann - 19 Jahre später - im Vogelnest in Peking zur Eröffnung der Olympischen Spiele - guckt das Polit-Büro in klimatisierten Logen runter auf die schwitzende Menge. Darunter auch George W. Bush. Der Anführer der freien Welt.
Und das hat eine Botschaft an die Leute in der KP gesendet: Der Westen ist dekadent, der Westen hat eine kurze Aufmerksamkeitsspanne und ein kurzes Gedächtnis. Sogar der Präsident der USA kommt und guckt sich in einem heißen Stadion diese Zeremonie an. Nimmt man diese Analogie, kommt man zum Jahr 2030. Deswegen nenne ich das jetzt das Jahrzehnt der Besorgnis, weil wir wissen: Das Militär der Volksrepublik ist entsichert und geladen."
Am liebsten wäre es der Kommunistischen Partei aber, keinen einzigen Schuss abzufeuern, um Taiwan zu erobern, so Fanell. Alle anderen Machtoptionen sollen vorher ausgeschöpft werden: Diplomatischer Druck, wirtschaftliche Verflechtung, Falschnachrichten-Kampagnen und Cyberangriffe auf die Infrastruktur der Inseldemokratie. Verteidigungsforscher Sheu:
"Taiwan erlebt jedes Jahr mehrere Millionen Cyber-Angriffe. In der Cyberkriegsführung - der Grauzonen-Kriegsführung - ist Taiwan ein Experimentierfeld für China. Was hier ausprobiert wird, könnte künftig gegen die USA, Japan oder Europa eingesetzt werden. Einige Hacker-Gruppen sind nachweislich Teil der Armee, aber manche Aufträge werden auch von privaten Unternehmen ausgeführt."

China will sich seinen Platz als Großmacht zurückholen

Angesichts der wachsenden Spannungen haben die USA Taiwan zuletzt auch erstmals Offensiv-Waffen verkauft, wie Schiffsabwehr- und Landangriffsraketen. Sehr zum Unmut von Peking. Laut Außenministerium sind es westliche Militärmanöver, die die Region destabilisieren würden. Außenamtssprecherin Hua Chunying:
"Militarisierung des Südchinesischen Meeres, diesen Hut lässt sich China nicht aufsetzen. Die USA nutzten den Stempel 'Militarisierung', um China um sein Recht auf Selbstbewahrung und Selbstverteidigung zu bringen."
Wirtschaft nach der Pandemie - ″China gibt Vollgas, während wir im Corona-Sumpf feststecken″
China habe es geschafft, die Corona-Pandemie in der Volksrepublik zu stoppen, sagt Politikwissenschaftler Sebastian Heilmann im Dlf. Dadurch gehe die wirtschaftliche Erholung dort viel schneller als im Westen. Auf dem Nationalen Volkskongress leite das Land nun den "Überholvorgang" gegenüber den USA ein.
Aus Chinas Sicht hole man sich nur seinen angestammten Platz als Großmacht in der Region zurück. Den hätten imperiale Mächte in einem "Jahrhundert der Demütigung" genommen - gemeint ist die Ausbeutung Chinas durch europäische Kolonialmächte vom 19. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Diese Erinnerung will die KP wachhalten, sagt Militär-Professor Huang:
"China beschwert sich immer noch über den Imperialismus und die Hegemonie der Westmächte, ist aber unter diesen Vorzeichen zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht und der größten Handelsnation der Welt geworden. Warum verwendet China heute immer noch dieses Narrativ? Weil es ein Mittel ist, um Konsens im eigenen Land herzustellen. Die Bevölkerung wird pausenlos daran erinnert: 'Wir wurden gedemütigt. Deswegen ist das, was wir tun, legitim. Unser Land war schwach und wurde schikaniert, deswegen braucht ihr mich als Anführer.' Die Gefühle der Bevölkerung werden instrumentalisiert, um die politische Kontrolle der Diktatur umzusetzen."

Nachteile für Europa und die USA in der Region?

Eine moderne Armee legitimiert den Herrschaftsanspruch der Kommunistischen Partei. Und sichert gleichzeitig die wichtigen Handelsrouten und somit den wirtschaftlichen Erfolg des Landes und damit immer mehr Reichtum für die Chinesen. Das Wohlstandsversprechen ist ein Grund, warum sich die Einparteien-Dikatur zumindest von außen betrachtet stabil zeigt. Das Nachsehen in der Region könnten die alten Wirtschaftsmächte haben, prognostiziert Verteidigungsforscher Sheu:
"Wenn China hier weiter militarisiert, dann wird das europäische Länder direkt betreffen. Chinas jetziges Vorgehen, mit dem Errichten künstlicher Inseln, um seine maritimen Gebietsansprüche deutlich zu machen, und die von China behauptete Grenze im Südchinesischen Meer, die sich mit vielen anderen Ländern überschneidet – das wird Europa in punkto Handel betreffen."
Das Südchinesische Meer und die Taiwanstraße sind wichtige Routen für den Welthandel und für den Wohlstand in den USA, Japan und Europa. Damit die Navigationsfreiheit nicht gestört wird, gebe es jetzt ein Umdenken, sagt US-Militärstratege Fanell. Franzosen, Briten und auch Deutschland verstärken ihre Militärpräsenz im Indopazifik.

Bundeswehr-Fregatte Richtung Südchinesisches Meer

"Was ich jetzt sehe, das ist ein guter Trend. Europa wird nun aufmerksam. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch aus moralischen, wenn wir darüber sprechen, was China macht in Xinjiang, was sie in Hongkong getan haben und womit sie Taiwan drohen."
Im August entsendet die Bundeswehr erstmals seit Jahrzehnten eine Fregatte aus Wilhelmshaven ins Südchinesische Meer, um Deutschlands Präsenz als "gestaltenden Akteur und Partner" in der Region zu stärken, wie es in den Indopazifik-Leitlinien der Bundesregierung heißt. Beeindrucken oder von seinem Kurs abbringen, dürfte das den engen Handelspartner China nicht mehr.