Dienstag, 19. März 2024

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Militärputsch im Sudan
Zurück in dunkle Zeiten

Nach der Revolution 2019 war der Sudan auf einem guten Weg, was Menschenrechte und Pressefreiheit angeht. "Man hat die Freiheit gespürt, die Journalisten und Bloggern gegeben war", sagt Korrespondent Martin Durm. Durch den aktuellen Militärputsch drohe der Sudan in dunkle Zeiten zurückzufallen.

Text: Mike Herbstreuth / Martin Durm im Gespräch mit Michael Borgers | 26.10.2021
Menschen tragen einen Verletzten über eine Straße.
Trotz vieler Verletzte haben Ärzte im Sudan Nah dem Putsch zum Generalstreik aufgerufen. (AFP)
Platz 175 von 180 in der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" - so stand der Sudan noch im Jahr 2019 da. Es gab also nur eine Handvoll Länder, in denen es damals noch schlechter um die Pressefreiheit bestellt war. Dann kam es 2019 zur Revolution, der langjährige Herrscher Omar al-Baschir wurde gestürzt, ein Demokratieprozess angestoßen und auch die Situation der Medien und der Pressefreiheit verbesserte sich.

"Man hat die Freiheit gespürt"

"Unter al-Baschir war es unmöglich, eine oppositionelle Presse auszumachen - es gab keine freie Presse im Sudan. Das hat sich mit der Revolution 2019 deutlich geändert. Es gibt Zeitungen, die die Übergangsregierung hart kritisiert haben und auch das Fernsehen hat immer wieder kritisch berichtet. Man hat diese Freiheit gespürt, die für Journalisten und Blogger gegeben war", sagt Martin Durm, ARD-Korrespondent im Studio Kairo, der auch viel aus dem Sudan berichtet hat.
Gerade die Presse- und Meinungsfreiheit seien für die Demonstrierenden 2019 von großer Wichtigkeit gewesen, wie auch Christian Dreyer von "Reporter ohne Grenzen" damals im Gespräch mit @mediasres betonte.
Besucher betrachten im Medienmuseum Newseum in Washington eine Weltkarte zum Stand der Pressefreiheit.
"Pressefreiheit bleibt umkämpft"
Die Menschen weltweit wüssten, wie wichtig eine freie Presse sei, und kämpften dafür, sagte Christoph Dreyer von "Reporter ohne Grenzen" im Dlf.
"Wenn wir uns die Demokratiebewegungen der vergangenen Jahre anschauen, beispielsweise Ägypten, Iran oder Sudan, spielt immer die Forderung nach Pressefreiheit eine große Rolle. In Ländern, die besonders autoritär regiert werden, ist die Unterdrückung der Pressefreiheit ein Teil des Unterdrückungsinstrumentariums. Das wissen die Menschen sehr gut, und deshalb kämpfen sie auch dagegen an, wenn man sie lässt."
Die positiven Entwicklung im Sudan könnten durch den Militärputsch, bei dem Regierungschef Abdalla Hamdok und andere zivile Regierungsmitglieder von Soldaten festgenommen wurden, allerdings wieder zunichte gemacht werden, glaubt Durm.

Fortschritt wird zunichte gemacht

"Das droht nun in sich zusammenzubrechen - das Internet ist seit dem Putsch im Sudan blockiert und es sieht so aus, dass das Land wieder in dunkle Zeiten zurückzufallen scheint."
Während das sudanesische Militär den Ausnahmezustand ausgerufen hat, um laut eigener Aussage "den Kurs der Revolution zu korrigieren", endete zur gleichen Zeit der viereinhalbjährige Ausnahmezustand im Nachbarland Ägypten. Teil davon waren unter anderem Einschränkungen von Grundrechten wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Der ägpytische Blogger Alaa Abdel Fattah gestikuliert im Gefängnis, hier eine Archivaufnahme aus dem Jahr 2015.
Leben unter Überwachung
Acht Jahre nach der gescheiterten arabischen Revolution schätzen internationale Menschenrechtsorganisationen, dass es in Ägypten etwa 60.000 politische Häftlinge gibt.
Das Land, dem die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi die "schlimmste Menschenrechtskrise in Jahrzehnten" attestierte, hat kürzlich eine "nationale Strategie für Menschenrechte" angekündigt.

"Uns bleibt nur Exil, Resignation oder Gefängnis"

Teil dieser Strategie solle auch die Überarbeitung von Gesetzen zur Meinungsfreiheit sein, um "Journalisten und Medienmitarbeiter zu schützen", so Ägyptens Vertreter bei den Vereinten Nationen, Ahmed Ihab Gamal Eddin. Eine Ankündigung, die eine bloße Alibi-Erklärung sei und laut Korrespondent Martin Durm nichts mit der politischen Realität zu tun habe.
"Egal ob Journalisten, Aktivisten oder Oppositionspolitiker - von all diesen Menschen bekommt man im Grunde immer nur zu hören: Uns bleibt nur die Wahl zwischen Exil, Resignation oder Gefängnis."

Kritischer Journalismus in Ägypten fast unmöglich

Während ausländische Korrespondentinnen und Korrespondenten in Ägypten eindeutig privilegiert seien und bei kritischer Berichterstattung schlimmstenfalls die Ausweisung aus dem Land drohe, seien inländische Journalistinnen und Journalisten mit riesigen Problemen konfrontiert.
"Viele von ihnen gehören zu den derzeit geschätzt 60.000 politischen Häftlingen, die in ägyptischen Gefängnissen einsitzen. Ägyptische Journalisten müssen damit rechnen, wenn sie sich in einem Blog oder auf Facebook äußern und das dem Regime zuwiderläuft, dass sie dann schlicht und einfach festgenommen werden."