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Ministerpräsident Li Keqiang in Berlin
Neuer Verbündeter, aber wo bleiben die Menschenrechte?

Der Besuch des chinesischen Premiers Li Keqiang hat wegen der umstrittenen Politik von US-Präsident Trump hohe Erwartungen ausgelöst. Experten warnen jedoch, dass China zunehmend die Bedingungen diktieren könnte. Für viele Chinesen spielen Meinungsfreiheit und Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle. Daran könnten westliche Politiker anknüpfen.

Von Stefan Maas |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (r, CDU) begrüßt Li Keqiang, Ministerpräsident der Volksrepublik China vor dem Bundeskanzleramt in Berlin mit militärischen Ehren.
    Das Thema Menschenrechte dürfe nicht an Bedeutung verlieren, sagt Anika Becher, China-Expertin bei Amnesty International Deutschland. (picture alliance / Bernd von Jutrczenka/dpa)
    Der Blick auf die Zahlen zeigt: Für Deutschland ist China spitze. 2016 hat Deutschland aus keinem anderen Land mehr Waren eingeführt als aus der Volksrepublik. Vor allem Elektronik, Bekleidung und Elektrotechnik. Gesamtwert: beinahe 94 Milliarden Euro.
    Insgesamt kommen die beiden Länder auf einen Außenhandelsumsatz von fast 170 Milliarden Euro. Damit verweist China Frankreich und die USA auf die Plätze zwei und drei. Und das wird nach Einschätzung des deutschen Industrie- und Handelskammertages vorerst auch so bleiben.
    Bei Menschenrechten alles andere als spitze
    Das dürfe aber nicht dazu führen, dass das Thema Menschenrechte an Bedeutung verliere, sagt Anika Becher, China-Expertin bei Amnesty International Deutschland. Denn wenn es um Menschenrechte gehe, dann sei die Volksrepublik alles andere als spitze. Die Situation habe sich in den vergangenen Jahren sogar noch verschlechtert. Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit würden unter der derzeitigen Regierung immer weiter beschnitten. Die Zivilgesellschaft sei vermehrten Repressionen ausgesetzt.
    "Was wir sehen ist, dass Menschenrechtsverteidiger, aber auch Anwältinnen und Anwälte festgenommen werden, ihre Arbeit wird behindert, sie werden mit Klagen überzogen und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt."
    Staatspräsident Xi Jinping habe bereits zu Beginn seiner Amtszeit sehr deutlich gesagt, dass er eine andere Vorstellung von Gesellschaft habe, erklärt Kristin Shi-Kupfer, die Leiterin des Bereichs Politik, Gesellschaft und Medien beim Mercator-Institute for China Studies. "Eine Gesellschaft, die ganz klar in bestimmten Räumen – Armutsbekämpfung, Unterstützung von Bildungsinitiativen, bestimmte Aufgaben der Regierung auch übernimmt, aber eben nicht autonom Interessen vertreten soll. Und er hat einfach eine andere Vorstellung davon, wie Gesellschaft sich beteiligen kann."
    Diktiert China zunehmend die Bedingungen?
    Gerade in einer Zeit, in der Deutschland, in der die EU auf der Suche nach neuen Partnern seien, weil die USA unter einem Präsidenten Trump als nicht mehr absolut zuverlässig gelten, drohe die Gefahr, sagt Shi-Kupferberg, dass China zunehmend die Bedingungen diktiere – und vielleicht selber nach Partnern schaue, die die Regierung in Peking nicht immer wieder an das lästige Thema Menschrechte erinnerten – wie die deutsche Regierung das eins um andere Mal tue.
    Aus Sicht von Amnesty International gebe es durchaus Zeichen, dass der deutschen Regierung das Thema wichtig sei, sagt Anika Becher. "Wir haben es begrüßt, dass Außenminister Sigmar Gabriel jüngst bei seinem Besuch in China die Bedeutung von Zivilgesellschaft und Meinungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit deutlich hervorgehoben hat.
    Damit befriedigten deutsche Politiker durchaus nicht nur die Erwartungen ihrer eigenen Bevölkerung, erklärt China-Expertin Kristin Shi-Kupfer. "Wir dürfen nicht vergessen, wenn wir von China reden, wir reden nicht nur von Xi Jinping und der jetzigen Regierung, sondern wir reden natürlich auch von Rechtsanwälten, von Journalisten, von IT-Unternehmern, die sich ein schnelleres und offenes Internet wünschen. Und auch für diese Menschen hat jede Regierung eine Verantwortung, diese Themen anzusprechen."
    Damit die chinesische Regierung sich dieser Themen nicht entziehe, rät Shi-Kupferberg westlichen Politikern, darauf zu schauen, welche Debatten in China selbst geführt werden. Und daran anzuknüpfen.