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Ministerpräsidentenwahl
Es wird eng in Thüringen

Heute wählt das Thüringer Parlament seinen neuen Ministerpräsidenten - Bodo Ramelow. Oder nicht? Die Mehrheit für den Linken ist äußerst knapp - weicht auch nur ein Abgeordneter ab, scheitert die Wahl. Große Hoffnungen macht man sich auf der Gegenseite dennoch nicht.

Von Henry Bernhard | 05.12.2014
    Der Thüringer Fraktionsvorsitzende der Linken, Bodo Ramelow, mit nachdenklichem Gesichtsausdruck.
    Wird Bodo Ramelow der erste linke Ministerpräsident Deutschlands? (Britta Pedersen, dpa picture-alliance)
    Bis heute haben die Koalitionäre von Rot-Rot-Grün alle Hürden gemeistert: Koalitionsverhandlungen, die Unrechtsstaats-Debatte, drei Mitgliederbefragungen, drei Sonderparteitage. Überall gab es große Zustimmung zur Koalition von Linken, Sozialdemokraten und Bündnis/Grünen. Die Wahl des Linken Bodo Ramelow bleibt dennoch eine spannende Sache, da die Koalition nur eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme hat. Das heißt, dass kein Abgeordneter abweichen darf. Der Blick fällt da vor allem auf die SPD-Fraktion. Wenn es einen Abweichler geben könnte, dann vermutet man ihn am ehesten hier. Der Parteivorsitzende Andreas Bausewein appelliert an die Verantwortung der Abgeordneten:
    "Das sind wir den Bürgern des Landes schuldig, auch mal zu zeigen, dass es eine neue Regierung gibt und dass die auch trägt. Deswegen müsste auch jeder Abgeordnete in sich gehen und entsprechend in der Wahlkabine seine Entscheidung treffen."
    Bodo Ramelow, der Ministerpräsidenten-Kandidat, trägt seine Zuversicht seit Wochen vor sich her. Seine Wahl im Erfurter Landtag heute ab 10 Uhr plant er, schnell zu absolvieren:
    "Im ersten Wahlgang 46 Stimmen selber zu haben. Das ist die Ein-Stimmen-Mehrheit, das ist die absolute Mehrheit, und dann ist die ganze Debatte beendet."
    Sollte er zwei Mal an der absoluten Mehrheit scheitern, reicht im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit. Dann würde auch die CDU ihren Gegenkandidaten aufstellen. Die noch amtierende Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hat zu Beginn der Woche ausgeschlossen, dass sie noch einmal antreten wird. Als Begründung gab sie an, dass sie nicht auf die Stimmen der AfD angewiesen sein will. Damit steht sie zu ihrem Wahlversprechen.
    "Die AfD ist für die Thüringer Union kein Partner. Koalitionsfragen stellen sich nicht, und ich schließe sie auch aus."
    CDU: Uneinigkeit über Gegenkandidaten
    Dennoch gab es in der CDU-Fraktion in den vergangenen Wochen die verwegensten Planspiele: Der Fraktionsvorsitzende Mike Mohring könnte antreten und auf die Stimmen der AfD und möglicher Abweichler von Rot-Rot-Grün hoffen, um dann eine Minderheitsregierung zu führen. Die Parteivorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, hat daraufhin die Thüringer CDU diese Woche noch einmal aufgefordert, sich keinesfalls von der AfD abhängig zu machen. In diesem Sinne argumentierte auch Bernhard Vogel - der ehemalige Ministerpräsident Thüringens. Er ist Ehrenvorsitzender der Landes-CDU und reist regelmäßig nach Erfurt, wenn es brenzlig wird. Er nahm Mike Mohring aus dem Rennen:
    "Ich glaube, dass er mit Professor Dicke, dem früheren Rektor der Universität Jena, einen sehr klugen Vorschlag gemacht hat, der dem Anspruch gerecht wird, eine bürgerliche Regierung zu bilden und ein überparteiliches Angebot zu machen."
    Der Politikwissenschaftler Klaus Dicke soll - anders als Mohring - gerade auch für mögliche Abweichler von Rot-Rot-Grün wählbar sein. Rot-Rot-Grün aber ist klar im Vorteil: Die Koalition hat eine rechnerische Mehrheit und einen Koalitionsvertrag, der auf einem breiten Konsens fußt: Erheblich mehr Geld für die Kommunen soll es geben, ein beitragsfreies Kita-Jahr, eine Verwaltungs- und Gebietsreform und einen öffentlichen Beschäftigungssektor für Langzeitarbeitslose. Außerdem soll der Verfassungsschutz stärker kontrolliert und V-Leute nur noch in Ausnahmefällen beschäftigt werden. Ein attraktives Programm für Linke, Sozialdemokraten und Grüne - meint auch der grüne Parteivorsitzende, Dieter Lauinger:
    "Wenn man als 5,7-Prozent-Partei mit zwei Partnern verhandelt, die stärker sind, die größer sind, und erzielt inhaltlich ein solches Ergebnis, dann kann man darauf stolz sein, liebe Freundinnen und Freunde!"
    Und so macht sich auch CDU-Fraktionschef Mohring keine großen Hoffnungen:
    "Die politische Situation ist zu vergleichen mit einem Brautpaar, das vor dem Traualtar steht. Wir sitzen im hinteren Teil der Kirche und warten darauf, dass die Braut Nein sagt. Und sie wissen ja wie im richtigen Leben: Das passiert selten!"