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"Mir macht das einfach unglaubliche Angst, so ein Zug durch unser Land"

Polizisten, die selbst gern demonstrieren würden, strahlende Container, eine Regierung, die offenbar vorhat "ihr" Endlager durchzusetzen: "Feuchtgebiete"-Autorin Charlotte Roche spart nicht mit Vorwürfen und hat die Demonstrantin in sich entdeckt.

Charlotte Roche im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Im Wendland gehen die Proteste gegen den Castor-Transport heute weiter. Mehrere Stunden lang hat die Polizei am frühen Morgen gebraucht, um eine Gleisblockade aufzulösen. Hunderte von Demonstranten hatten sich auf die Eisenbahnschienen gesetzt und mussten weggetragen werden. Gestern kam es zu mehreren gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten. Zum allergrößten Teil – das muss man immer wieder sagen – verlaufen diese Proteste im Wendland allerdings friedlich.

    Unter den Demonstranten sind auch zahlreiche Prominente, Künstler, Musiker und Schriftsteller. Mit dabei war am Wochenende auch die Autorin und Moderatorin Charlotte Roche. Schönen guten Morgen!

    Charlotte Roche: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Frau Roche, was haben Sie bei diesen Demonstrationen am Wochenende erlebt?

    Roche: Ich habe unglaublich bewegende Reden gehört auf der Hauptkundgebung, ich habe ganz viele Bauern kennengelernt, ich bin auch in der Trecker-Demonstration mitgefahren und durfte selber Trecker fahren. Ich habe die ganze Zeit einen Klos im Hals gehabt, weil ich manchmal fast weinen musste vor Wut für diese Menschen, die da wohnen und das einfach nicht wollen und die Regierung das einfach so durchdrückt.

    Armbrüster: Warum sind Sie ins Wendland gereist?

    Roche: Ich war in meinem Leben noch nie demonstrieren. Ich hatte ganz demonstrativfreudige Eltern und dachte dann selber, das ist uncool. Dieses Jahr hat diese Regierung mich so radikalisiert, dass ich erst an den großen Demonstrationen in Berlin war und jetzt ins Wendland gefahren bin, das erste Mal in meinem Leben.

    Armbrüster: Sie haben mit einigen anderen Autoren und mit Künstlern und Musikern einen Aufruf zum Protest gegen die Castor-Transporte unterzeichnet. Glauben Sie, dass so ein Aufruf von Prominenten eine besondere Wirkung hat?

    Roche: Ich hoffe das sehr. Ich habe von vielen älteren Demonstrierenden da gehört, dass die sehr, sehr dankbar sind, auch von den Menschen, die da wohnen, und den Bauern. Die erhoffen sich, dass dann jüngere Leute den Protest weitertragen. Die haben natürlich immer Angst, dass dann zu viele alte Leute da sind, und die alte Bewegung muss sich ja verjüngen. Das ist deren Hoffnung und deswegen mache ich das.

    Armbrüster: Wie sehen Sie denn die Situation der Polizei?

    Roche: Ich bin da gewesen und war auch sehr polizeifreundlich. Ich gehöre jetzt nicht zu den Protestierenden, die die ganze Zeit "Bullenschweine" denen ins Gesicht schreien. Ich habe eigentlich Mitleid. Ich habe gehört von vielen Polizeifamilien, dass eigentlich die Polizisten auch demonstrieren würden gegen diesen Mist, wenn die nicht diese Arbeit hätten. Ich habe wirklich Mitleid, dass die da eingesetzt werden. Ich habe auch gehört, dass viele Polizisten Leukämie bekommen, die den Castor-Zug begleiten müssen. Die haben auch Angst davor, die tun mir leid.

    Armbrüster: Frau Roche, sind Sie denn generell gegen Atomtransporte?

    Roche: Ja, total! Ich bin komplett gegen Atomkraft-Strom, ich bin gegen Transporte von diesen Castoren. Ja, klar, ich bin total dagegen, dass man Sachen produziert, schrecklichen tödlichen giftigen Müll, und nicht weiß, wohin damit. Als Erstes müsste man die Atomkraftwerke abschalten und dann einen vernünftigen geologischen guten Standort für dieses Endlager suchen, und das macht die Politik nicht.

    Armbrüster: Aber es ist doch immerhin eine gute Nachricht für Sie als Atomkraftgegner, dass auch eine konservative Bundesregierung jetzt erkannt hat, dass es einen Ausstieg aus der Atomkraft geben wird?

    Roche: Ja. Das dauert mir viel zu lange. Wir wissen seit Jahrzehnten, dass wir nicht wissen, wohin damit, dass wir kein vernünftiges Endlager haben, und die produzieren jetzt Jahre, Jahre, Jahre weiter diesen Müll. Das macht mir unglaubliche Angst.

    Armbrüster: Aber das heißt, angenommen wir würden eine richtige Endlagerstätte finden, dann wären Sie für Atommüll-Transporte dorthin?

    Roche: Nein! Ich finde das auch einfach - - wenn ich die Greenpeace-Bilder sehe, wie das strahlt, und wenn die jetzt da neben Wohnhäusern stehen, mir ist das alles viel zu gefährlich und mir macht das einfach unglaubliche Angst, so ein Zug durch unser Land.

    Armbrüster: Aber der Atommüll ist ja nun mal da und der muss irgendwo hin transportiert werden?

    Roche: Ja, aber man kann doch trotzdem sagen, dass das alles ein riesiger Fehler war. Auch dieser Müll, der da ist, ist schon ein Fehler. Klar muss man irgendwie versuchen, damit umzugehen, das muss irgendwo hin. Aber ich bin kein Physiker, Geologe, Chemiker. Ich kann nur sagen, dass ich Angst davor habe und dass man wirklich ganz schnell aufhören soll, diesen Müll zu produzieren.

    Armbrüster: Aber macht man sich denn nicht, wenn man da nun Tausenden als Demonstranten zusammensteht im Wendland, macht man sich dann nicht auch ab und zu mal Gedanken über mögliche Alternativen?

    Roche: Ja. Für mich ist eine Alternative, jetzt so vielen Leuten wie möglich zu sagen, umzusteigen auf Ökostrom, und ich glaube, dass viele Leute, die da sind, leider auch immer noch E.ON oder RWE Geld geben. Ich glaube, dass viele, die dort demonstrieren, immer noch nicht umgestiegen sind auf Ökostrom. So etwas, das sind meine Gedanken, die ich habe, wie man das im Kleinen und Privaten ändern kann.

    Armbrüster: Wenn ich über Alternativen sprechen meine, dann meine ich über Alternativen nachdenken für Gorleben.

    Roche: Sie meinen ein anderes Endlager als das?

    Armbrüster: Richtig, genau!

    Roche: Ach so! Ich dachte, Sie meinen Alternativen, erneuerbare Energien.

    Armbrüster: Ist das nicht ein Thema unter den Demonstranten, wenn man sagt, wir sind gegen Gorleben, aber für irgendeinen anderen Standort müssen wir ja sein?

    rRoche: Ja. Das ist zum Beispiel auch meine Meinung, dass das Zeug in Deutschland bleiben muss, weil wir das produziert haben. Das ist klar, dass das nicht kolonialistisch irgendwo in ein Land geschleppt wird, wo die Leute Geld dafür nehmen, weil die Geld brauchen, und dafür unseren Müll da haben. Das sehe ich auch so. Aber ich habe nur Angst vor politischen Endlagern, die gewählt werden aus politischen Gründen, so wie das bei Asse war, und wir sehen ja, was wir davon haben, dass man einfach ganz ergebnisoffen geologisch Standpunkte untersucht und nicht aus politischen Gründen das durchdrückt. Ich traue dieser Regierung mittlerweile kein bisschen über den Weg. Ich habe riesige Angst, dass die einfach diesen Standpunkt als Endlager durchdrücken werden, weil die schon so viel Geld da reininvestiert haben.

    Armbrüster: ... , sagt die Schriftstellerin Charlotte Roche. Sie war am Wochenende als Demonstrantin mit dabei im Wendland. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Roche.

    Roche: Danke!