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Missbrauchsvorwürfe britischer Turnerinnen
Ausgehungert, angeschrien und beschimpft

Sie wurden geschlagen, mussten hungern und trainierten bis die Hände bluteten: Ehemalige führende britische Turnerinnen erheben schwere Missbrauchsvorwürfe gegen den Verband. Die Methoden hatten wohl System.

Von Burkhard Birke |
Lisa Mason (Großbritannien) am Stufenbarren bei der Turn-Europameisterschaft 2000 in Paris
Die 38-jährige Lisa Mason, hier am Stufenbarren bei der Europameisterschaft im Jahr 2000 in Paris, erhebt schwer Vorwürfe gegen den Verband. (imago / Ulmer )
"Ich wurde gezwungen, zu hungern. Das hat mein Körper nicht ausgehalten. Keine Kohlenhydrate bei zweimal Training am Tag. Das hat mein Stoffwechsel als Zehnjährige nicht mitgemacht. Wenn ich dann zu Hause wieder normal gegessen habe, musste ich mich übergeben."
Mädchen wurden in Schränke eingesperrt
Catherine Lyons erhebt schwere Vorwürfe gegen die Methoden beim Britischen Turnverband. Lyons war britische Juniorenmeisterin und Junioren-Europameisterin im Turnen. Der Preis für den Erfolg war der heute 19-Jährigen jedoch zu hoch. Ausgehungert, angeschrien und beschimpft zu werden, hatte offenbar System. Gelegentlich wurden Mädchen sogar in Schränke eingesperrt. Albträume und Bettnässen waren oft die Folge.
Schläge, Beleidigungen, psychologische Erniedrigungen
Nach dem Tod der südkoreanischen Triathletin Choi Suk-hyeon stellt sich die Frage nach der Verantwortung. Choi hatte sich wiederholt darüber beklagt, dass sie von ihrem Trainer und einem Physiotherapeuten über Jahre missbraucht worden sei, berichtet der Journalist Felix Lill.
Barrentraining bis die Hände bluteten
Catherine Lyons wurde eineinhalb Jahre lang wegen posttraumatischer Störung behandelt.
In einer Dokumentation des Fernsehsenders ITV erhebt auch die frühere Olympiateilnehmerin und Commonwealth-Spiele-Goldmedaillengewinnerin Lisa Mason schwere Vorwürfe. Die mittlerweile 38-Jährige berichtet vom Barrentraining bis die Hände bluteten und anderen Methoden, um die Turnerinnen zu Höchstleistungen zu treiben. Auf Verletzungen wurde keine Rücksicht genommen.
"Einige meiner Mannschaftskollegen warfen rezeptpflichtige Voltaren-Tabletten ein, sonst hätten sie das Training nicht überstanden. Und wenn die Wirkung nachließ, kam die Cortison-Spritze."
Sport, Ringe, Turnen
Immer mehr britsche Turnerinnen beklagen Missbrauch im Training (Audio)
Der britische Turnsport wird von Missbrauchsvorwürfen erschüttert, ein strukturelles Problem nahe legen. Mehrere britische Turnerinnen berichteten in den vergangenen Tagen von physischen und psychischen Schäden, die sie bereits in jungen Jahren erlitten hätten.
Bisher keine Vorwürfe wegen sexueller Gewalt
Eine ganze Reihe von britischen Turnerinnen meldete sich im Nachgang zu einer Netflix-Produktion über den Missbrauchsskandal im US-Turnen zu Wort.
Simone Biles aus den USA bei der Siegerehrung mit der Goldmedaille 
Das Sittenbild des US-Sports
Der Dokumentarfilm "Athlete A" zeichnet auf eindrückliche Weise nach, wie der Arzt Larry Nassar amerikanische Topturnerinnen sexuell missbrauchte. Und was alles passieren musste, um ihn zu bestrafen. Doch wer ihn deckte und den Skandal zu vertuschen versuchte, erfährt man nicht.
Tim Evans und Marisa Kwiatkowski
"Diese Recherche hat uns aufgezehrt"
Marisa Kwiatkowski und Tim Evans sind zwei der Reporter, deren Recherche zur Aufdeckung des Missbrauchsskandals im US-Turnverband führte. Sexueller Kindesmissbrauch sei ein Gesellschaftsproblem, sagten sie im Dlf.
Viele Turnerinnen haben Angst
Anders als in den USA sind in Großbritannien bislang jedoch keine Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs erhoben worden. Der Verband verurteilte das Verhalten einiger Trainer, das nicht den Standards entspräche. Die Athleten wurden aufgefordert, jedwedes Fehlverhalten der Integrity Unit, also der Ethikkommission zu melden. Lisa Mason bleibt jedoch skeptisch:
"Viele haben Angst, sie würden gerne offen sprechen, fürchten aber um ihre Position. Wir wissen warum: Nächstes Jahr ist Olympia und niemand will die Personen verärgern, die über Nominierungen entscheiden."