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Mißfelder: Mursi von Anfang an eine Gefahr für die Region

Bei Ex-Präsident Mohammed Mursi habe es sich um einen "radikalen gefährlichen Antisemiten" gehandelt, meint der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Philipp Mißfelder. Unter Mursi sei die Situation in Ägypten schlechter geworden und die Konzeption des politischen Islams gescheitert.

Philipp Mißfelder im Gespräch mit Mario Dobovisek | 04.07.2013
    Mario Dobovisek: Vom Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, von Hannes Swoboda haben wir vor einer halben Stunde hier im Deutschlandfunk gehört, er halte den Militärputsch für nicht gerechtfertigt. Was ist das aus Ihrer Sicht, was wir da derzeit in Ägypten beobachten?

    Philipp Mißfelder: Also, man kann sich natürlich lange darüber streiten, inwiefern so eine Aktion legitim ist oder nicht. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir grundsätzlich es nicht richtig finden, dass demokratisch gewählte Präsidenten abgesetzt werden, aber es ist eben auch eine Frage – und das kam ja auch gerade in diesem Beitrag, in Ihrem Gespräch sehr gut heraus –, welche Alternativen weitere Eskalationen mit sich gebracht hätten.

    Wenn ein Bürgerkrieg gedroht hätte, dann ist es natürlich schon vom Selbstverständnis des Militärs in Ägypten eher so, dass die Frage zu stellen gewesen ist, was … Soll man tatenlos zusehen oder greift man ein? Und das Militär in Ägypten hat sich entschlossen, einzugreifen, und hat Partei bezogen. Und das ist eben eine Sache, die wir von Deutschland aus schlecht beurteilen können, inwiefern das jetzt als Fortschritt oder als Rückschritt zu werten ist.

    Dobovisek: Aber dennoch an Sie die Frage: Finden Sie das gut, was in Ägypten derzeit passiert?

    Mißfelder: Ich fand … Ich habe Präsident Mursi, Expräsident Mursi in Berlin erlebt, ich fand … Ich hatte den Eindruck, dass es sich um einen radikalen, gefährlichen Antisemiten bei ihm handelt, der vorsätzlich gegen Israel Hetze betreibt, der Juden als Affen bezeichnet hat. Davon … Ich habe ihm die Frage persönlich gestellt, ob er davon abrückt, das hat er nicht getan, er hat Ausflüchte gesucht.

    Ich habe den Expräsidenten Mursi von Anfang an als eine Gefahr für die Region gesehen und ich glaube, dass man das nicht außer Acht lassen darf. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass er wirklich Ägypten in eine demokratische Richtung führen will.

    Dobovisek: Ist jetzt mit diesem Putsch, oder wie auch immer man das Absetzen Mursis nennen möchte, damit gebannt?

    Mißfelder: Keineswegs. Wir haben schon früh erlebt, dass der Arabische Frühling, den ja so viele als etwas Positives bezeichnet … Das habe ich übrigens nicht getan, ich bin der Meinung gewesen, dass die jungen Menschen, die auf dem Tahrir-Platz Demokratie sehnsüchtig demonstriert haben, Gutes im Sinn haben, dass aber dahinter eine gefährliche, radikale Kraft, nämlich die Muslimbruderschaft wartet, die sich ja tarnt hinter dem Begriff politischer Islam.

    Und ich glaube, dass man eins sehen muss, der sogenannte politische Islam, der ist gescheitert. Der ist sowohl in Tunesien gescheitert mit El-Nahda, die die Scharia einführen wollen, also etwas, was mit Demokratie überhaupt nichts zu tun hat …

    Dobovisek: Aber dennoch wurde er von der Mehrheit der Ägypter bei den Wahlen vor über einem Jahr gewählt. Kann man das so einfach ignorieren?

    Mißfelder: Nein, das ist ja auch nicht passiert, sondern das Militär hat sich ja lange zurückgehalten. Aber jetzt drohte die Situation zu eskalieren und vor dem Hintergrund sah sich das Militär genötigt, dort einzugreifen. Also, ich verteidige nicht den Schritt des Militärs, aber ich bin auch nicht dafür, dass man romantisierend den politischen Islam überhöht. Der politische Islam birgt große Gefahren für die Region inne und eines der deutsch… Eine der Grundlinien der deutschen Außenpolitik ist unser Bekenntnis zum jüdischen Staat Israel, und Ägypten hat sich mehr und mehr als eine Herausforderung, eine Gefahr entwickelt. Und das muss man eben auch zur Kenntnis nehmen, dass unter Mursi die Situation in der Region nicht stabiler oder sicherer geworden ist.

    Dobovisek: Wie muss es jetzt in Ägypten weitergehen, wenn ja, wie wir hören aus Ägypten, die Muslimbrüder trotzdem weiter eingebunden werden sollen?

    Mißfelder: Ich glaube, das ist eine der größten Herausforderungen, die jetzt geschehen muss. Ob es eine Parteienregierung geben kann, wo auch die Muslimbrüder weiter stattfinden werden, Sie haben es auch in dem Beitrag herausgearbeitet, dass es ja vielleicht auch Eigeninteressen der Muslimbruderschaft gibt, weiter mitmachen zu dürfen, und die Frage ist eben, wie kann man wirtschaftlich auch wieder auf die Beine kommen in der Region.

    Das war eine der großen Fragen, die wir ja auch mit dem Expräsidenten diskutiert haben, als er in Berlin war, er hat ja trotz seiner Anti-Israel-Hetze und Anti-Juden-Hetze bei uns um einen Schuldenschnitt gebeten und um finanzielle Unterstützung, die wir selbstverständlich nicht gewährleistet haben. Das wäre ja noch schöner, wenn man auf die Idee käme, eine solche Person auch noch zu unterstützen, aktiv. Wir haben eine … Es ist für die Menschen auf den Straßen in Ägypten schon entscheidend, wie geht es wirtschaftlich weiter.

    Und da ist Deutschland als Handelspartner wichtig, der Tourismusstandort Ägypten ist wichtig, und wenn Sie mit koptischen Vertretern sprechen wie Herrn Sawiris beispielsweise oder anderen in der Region, dann hat man schon gesehen, dass der Tourismus ja massiv gelitten hat, dass auch die Weltoffenheit Ägyptens, die unter Mubarak mehr ausgestrahlt hat als unter Mursi, ja verschwunden ist. Und das ist etwas, was wieder zurückkehren muss.

    Dobovisek: Wir erreichen Sie live in den USA, Herr Mißfelder, also mitten in der Nacht bei Ihnen. Die USA spielen eine besondere Rolle in Ägypten, vor allem mit ihren milliardenschweren Militärhilfen. Die will Obama und seine Regierung nun überdenken. Was würde das bedeuten?

    Mißfelder: Als heute Nachmittag die Nachricht auch in den USA ankam, dass sich in Ägypten große Umwälzungen abzeichnen, war die Stimmung hier sehr, sehr elektrisiert, gar keine Frage. Ich würde jetzt nicht sagen, dass hier große Trauer herrschte um das Schicksal von Herrn Mursi, ganz im Gegenteil. Ägypten galt als jahrelang verlässlicher Partner in der Region, mit Schattenseiten, denn es gibt ja gar keinen Zweifel daran, dass Mubarak ein Diktator war, aber nichtsdestotrotz, die Konzeption – um darauf noch mal zurückzukommen –, die Konzeption des politischen Islams und das gleichzeitig alles mit demokratischen Prinzipien gleichzusetzen, ist in Ägypten gescheitert.

    Und das haben wir leider zum Beispiel auch im Zusammenhang mit unserer Stiftung, der Konrad-Adenauer-Stiftung ja erlebt, wo Mitarbeiter grundlos angeklagt worden sind, zu hohen Haftstrafen verurteilt worden sind und NGOs aus dem Land systematisch getrieben werden sollten, wirklich grundlos. Und das ist etwas, was man auch nicht außer Acht lassen darf. Die Situation ist unter Mursi schlechter geworden.

    Dobovisek: Ist es also dann aus Ihrer Sicht der richtige Weg, das Militär, also eine Art Parallelstruktur, eine Parallelregierung, wir haben vorhin gehört, Staat im Staate zu unterstützen, statt der eigentlichen demokratisch – ich wiederhole es – gewählten Regierung?

    Mißfelder: Ja, also, ein Radikaler wie Mursi ist für uns nicht … hat den Status als Partner gar nicht erreichen können. Denn als er in Berlin seine Show abgezogen hat und auch sich mit Bundestagsabgeordneten getroffen hat, wurde deutlich, es handelt sich um einen Extremisten. Und wir haben ihn ja auch massiv kritisiert, als er den Deutschen Bundestag besucht hat. Ich bin bei der Frage des Militärs, das wird ja jetzt offensichtlich, das haben Sie auch gerade diskutiert zuvor, bei der Frage des Militärs wird offensichtlich, dass dieser Staat im Staat weiter existiert hat und dass das Militär weitaus mehr Macht hatte als die gewählte Regierung und die Administration.

    Das ist auch etwas, was uns nachdenklich stimmen muss, wie sind eigentlich die wirklichen Machtverhältnisse, wie ist die Struktur im Land und wie demokratisch kann sich eigentlich dieses Land entwickeln, wenn so was passiert? Das ist ja … Ich wehrte das Ganze nicht als Fortschritt, was jetzt passiert ist, aber ich werte auch den politischen Islam selbst nicht als Fortschritt.

    Dobovisek: Der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder bei uns live im Deutschlandfunk, vielen Dank in die USA und eine gute Nacht Ihnen!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.