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Mögliches US-Kabinett
"Donald Trump ist der Richtungsgeber"

Die USA und die Welt müssten noch ein paar Monate der Ungewissheit aushalten, bis klar sei, welche Politik der neu gewählte US-Präsident Donald Trump verfolge, sagte Jackson Janes, Direktor des American Institute for Contemporary German Studies, im Deutschlandfunk. Die Proteste gegen Trump auf den Straßen seien Ausdruck des noch lange nicht abgeklungenen Schocks über den Wahlausgang.

Jackson Janes im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Jackson Janes hört bei einer Talkshow zu
    Jackson Janes ist Direktor des American Institue für Contemporary German Studies an der John Hopkins University in Washington, D.C. (imago / Metodi Popow)
    Der Besuch Donald Trumps bei Barack Obama sollte in erster Linie deutlich machen, dass das System weiter laufe, sagt Jackson Janes, Direktor des American Institute for Contemporary German Studies an der John Hopkins University in Washington, D.C. im Deutschlandfunk: "Das war mehr oder weniger ein Theaterstück." Den "wahren Donald Trump" habe man noch nicht kennengelernt. Der neu gewählte Präsident versuche, in eine Rolle hineinzukommen.
    Bezüglich seines Kabinetts könne man davon ausgehen, dass sich Donald Trump Politiker mit Erfahrung aussucht, wie etwa den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudy Guiliani. Für was diese Menschen dann aber inhaltlich stünden, sei ebenfalls ungewiss, sagt Janes. Der Politologe geht aber davon aus, dass Trump die Richtung vorgeben werde.
    Es werde noch "Wochen, wenn nicht Monate dauern", bis genau bekannt ist, was für eine Innen- und Außenpolitik Trump letztendlich umsetzt. Die momentanen Proteste gegen Trump auf den Straßen Amerikas seien Ausdruck des Schocks. "Man ist hier noch nicht fertig damit, dass Trump gewählt ist." Eine Art außerparlamentarische Opposition erwartet der Wissenschaftler nicht.
    Europa soll kohärente Politik betreiben
    Europa solle in der Zeit der Ungewissheit eine möglichst kohärente Politik betreiben. Europa brauche ein neues Selbstvertrauen - gerade auch in der Außenpolitik. Deutschland trage dabei - gerade nach dem Brexit-Votum der Briten - eine besondere Verantwortung. In den USA mache man sich über die Standhaftigkeit Europas große Sorgen.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Am Telefon begrüße ich jetzt Jackson Janes, er ist Politikwissenschaftler an der Johns Hopkins University und einer der besten Kenner der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Wir erreichen ihn in Washington, dort ist es jetzt kurz nach 23 Uhr, schönen guten Abend, Jackson Janes!
    Jackson Janes: Guten Abend!
    Armbrüster: Wir haben es gesehen und gehört, Obama und Trump im Weißen Haus beim Plauderstündchen. Lernt die Welt jetzt den Diplomaten Donald Trump kennen?
    Janes: Das war ein gewisser Kabuki Dance. Also in dem Sinne, dass man eigentlich dann darstellen will, das System läuft weiter, das ist tatsächlich dann ein Theaterstück, wenn man so will. Wir haben eigentlich dann noch nicht einen Donald Trump kennengelernt sozusagen als Diplomat, wir haben nur jemanden, der aufgetreten ist und versucht, in die Rolle hineinzukommen, die er eigentlich seit Jahren gewünscht hätte. Aber transparent ist der Mann bei Weitem noch nicht.
    Armbrüster: Was glauben Sie denn, was muss er noch tun, um in diese Rolle wirklich reinzuschlüpfen?
    "Inhaltlich wissen wir nicht, wie die US-amerikanische Außenpolitik aussehen wird"
    Janes: Das Problem ist wahrscheinlich, dass in den kommenden Monaten beziehungsweise bevor er vereidigt wird, diese Namen, die Sie eben … die Markus eben genannt hat, das ist die Frage, wen er wählt. Also, in sein Kabinett, um ihn herum, im Weißen Haus, Beratergruppe. Das wird einiges auszeichnen, inwieweit er wirklich es meinte bei seiner Rede gestern, ich möchte der Präsident von allen Amerikanern sein. Es ist auch Kompetenz gefragt und zum Teil auch die Frage, ob gerade im Außenministerium oder sonst wo dann jemand bereit ist, mit anderen auf der Welt wirklich, ernsthaft zu reden. Denn er selber hat keine Erfahrung da in diesem Bereich. Insofern, wir müssen abwarten zu sehen, welche Gesellschaft sucht er selber aus.
    Armbrüster: Vielleicht können wir da, auch wenn das vielleicht nicht für einen Politikwissenschaftler ganz korrekt ist, aber so ein klein wenig spekulieren. Denn einige Namen kursieren ja bereits, ich will außerdem noch die beiden Namen nennen, die hier in Deutschland sicher noch am ehesten bekannt sind, Rudy Giuliani sehen wir da zum Beispiel immer wieder auftauchen in den Schlagzeilen oder auch Newt Gingrich. Wie gesagt, zwei Namen, die auch bei uns in Deutschland bekannt sind. Wenn wir uns diese Persönlichkeiten ansehen, die da immer wieder im Spiel sind, die da immer auftauchen, immer wieder, was kann man da ungefähr sagen, was für eine Politik da zu erwarten ist von ihm?
    Janes: In diesen Fällen – Giuliani oder Gingrich –, die sind natürlich alte Hasen, die sind ja beide erfahrene Politiker, Giuliani in New York, Gingrich in Washington. Man könnte davon ausgehen, dass er die auswählt, weil die schon ein Netzwerk haben, nicht nur in Amerika, sondern quer durch die Welt. Das ist aber noch nicht inhaltlich klar, was die dann betreiben. Die Tatsache ist, dass … die Präsidentschaft hat sich dann enorm zentralisiert in der Außenpolitik in den letzten Jahren. Und insofern ist Trump dann eigentlich der Richtungsgeber. Aber wen er wählt, sei es Gingrich, sei es Flynn, sei es Giuliani, die werden trotzdem eigentlich hinter ihm zurückstehen müssen und er wird dann durch seinen eigenen Einfluss auswählen, in welche Richtung geschlagen wird. Also, beraten können sie schon, aber inhaltlich wissen wir nicht genau, was dann eigentlich am Ende eine kohärente … zum Beispiel in diesem Fall US-amerikanische Außenpolitik, wie das aussehen wird. Es ist viel zu früh.
    Armbrüster: Wie glaubwürdig macht ihn das denn eigentlich bei seinen Anhängern, wenn er sich solche etablierten Washingtoner Figuren aussucht?
    "Das ist total nicht transparent momentan"
    Janes: Wie glaubwürdig was?
    Armbrüster: Wie glaubwürdig Trump das macht bei seinen Anhängern. Also, gibt ihm das eine Aura der Glaubwürdigkeit, wenn er solche Personen aussucht, so ein Personal, das ja durchaus in Washington tief verwurzelt ist?
    Janes: Ja, das ist noch nicht ganz klar, weil die Frage ist, inwieweit die dann eigentlich die Prioritäten setzen. Nehmen wir zum Beispiel einen Fall, er hat sich dann ständig gegeben, dass er eventuell diesen Vertrag mit Iran zusammenreißt, oder wo setzt er die Priorität an in eurem Fall, mit TTIP? Die Sache ist eigentlich, inwieweit wir wissen, in welcher Weise er innen- oder außenpolitisch seine Prioritäten setzt, und das wird Wochen, wenn nicht Monate dauern, bis wir wirklich wissen, welche Richtung er einschlagen wird. Das ist total nicht transparent momentan.
    Armbrüster: Was sollte denn Deutschland, was sollte Europa in dieser Zeit der Ungewissheit tun?
    Janes: Zusammen mit den anderen europäischen Ländern meiner Ansicht nach eine kohärente europäische Politik gestalten. Warte nicht, bis Trump eigentlich dann seine eigenen Prioritäten zusammengesetzt hat, warte nicht, bis er seine eigene Mannschaft zusammengefegt hat. Tun Sie mal, was sie können … Politik zu schaffen, sodass Sie dann auch in der Lage sind, auf Augenhöhe mit Trump zu reden. Ich glaube, das ist mein Vorschlag. Weil, ansonsten ist es sehr schwer, mit ihm umzugehen. Ohne diese europäische Kohärenz zu haben, dann werden Sie nicht weiter mit ihm kommen. Der Mann ist ein Geschäftsmann und da müsste man eigentlich geradestehen am Tisch mit ihm und auf Augenhöhe verhandeln.
    Armbrüster: Das heißt, Europa muss sich ein neues Selbstbewusstsein angewöhnen?
    "Deutschland ist ins Rampenlicht reingerutscht"
    Janes: Ja. Und zwar auch dann nicht nur in Sachen von Selbstvertrauen in Wirtschaftspolitik, sondern auch im außenpolitischen Bereich. Also, ich würde doch plädieren, dass Europa eigentlich gerade dafür steht, wofür auch Amerika stehen soll in den Werten, aber auch in der Interessenpolitik von der transatlantischen Gesellschaft. Das müsste man wieder noch sehr stark artikulieren, sodass in den amerikanischen, europäischen Gesprächen das im Vordergrund steht. Und das müsste auch von Europa kommen.
    Armbrüster: Nun hören wir schon seit Jahrzehnten, wahrscheinlich seit Gründung der Europäischen Union, dass es eigentlich eine gemeinsame europäische Außenpolitik, vielleicht sogar eine gemeinsame Verteidigungspolitik geben soll. Besonders weit ist man da seit den 50er-Jahren nicht gekommen. Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass das jetzt funktionieren könnte?
    Janes: Ja, wenn man wirklich realistisch Europa heute anguckt, dann ist es … Es wackelt an sehr vielen Seiten und das ist sehr beunruhigend. Daher übrigens, ich glaube, gerade nach dem Brexit im Juni ist das Rampenlicht oder ist … sagen wir mal so, Deutschland ist ins Rampenlicht dann wieder reingerutscht. Weil, wenn man überhaupt denkt, was in Frankreich passiert im Mai bei den Wahlen oder in den Niederlanden oder in Österreich, egal, wo man schaut, man macht sich Sorgen hier über die Standhaftigkeit von Europa. Und da fehlt sehr viel Verantwortung meiner Ansicht nach, aber kommt sehr viel Verantwortung auf Berlin zu. Und insofern, meine ich, ist es enorm wichtig in dieser Phase der Gestaltung hier in Washington, dass Europa einfach eine starke Stimme behält, im Sinne von was macht die transatlantischen Beziehungen aus? Und das würde dann hoffen, dass es letztlich ja auch eine Priorität nicht nur in Berlin ist.
    Armbrüster: Dann lassen Sie uns kurz, Professor Janes, noch blicken auf das, was da zurzeit auf den Straßen in den USA sich abspielt, diese Proteste gegen Donald Trump, Proteste gegen einen gewählten Präsidenten. Ist das eigentlich etwas Neues in den USA?
    Proteste hat es auch bei Reagan und Bush gegeben
    Janes: Nein. Das ist … Damals hat es das gegeben in der Zeit von Ronald Reagan, das hat sich auch dann bei George W. Bush gegeben nach dieser umstrittenen Entscheidung von dem Supreme Court, also, das ist nichts Neues. Also, das ist dann eigentlich dann an vielen Stellen passiert, auch nach 2009, nach der Wirtschaftskrise gegangen, auch mit Obama im Amt. Also, das ist schon mal nicht unbedingt ungewöhnlich.
    Armbrüster: Das heißt, Sie könnten sich da nicht so etwas vorstellen, dass da etwas wächst in den USA, was wir hier in Deutschland als außerparlamentarische Opposition bezeichnen?
    Janes: Nein, die bestehen schon. Nein, das glaube ich nicht. Ich meine, das ist erst mal ein Ausdruck von Unmut und zum Teil auch noch mal dem Schock von der Tatsache, dass Trump tatsächlich Präsident wird. Da ist man noch nicht ganz fertig hier mit der Vorstellung. Und insofern, ich glaube, das müsste man durcharbeiten. Aber ich glaube nicht, dass das lange anhält.
    Armbrüster: Hier bei uns in den "Informationen am Morgen" war das Jackson Janes, Politikwissenschaftler an der Johns Hopkins University. Besten Dank, Professor Janes, für Ihre Zeit heute Morgen!
    Janes: Gern geschehen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.