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"Mord an Hariri läuft syrischen Interessen entgegen"

Dirk Müller: Die Bilder sind um die Welt gegangen an diesem Mittwoch, hunderttausende Libanesen haben die Trauerfeierlichkeiten für den ermordeten früheren Ministerpräsidenten Rafik Hariri zu einer eindrucksvollen Demonstration gegen das Nachbarland Syrien genutzt, eine tumultartige Großkundgebung in Beirut mit wütenden Rufen nach einem sofortigen Abzug syrischer Truppen aus dem Libanon und nach einem Ende der politischen Einflussnahmen durch Damaskus, eine Forderung, die unter anderem auch die USA nachdrücklich unterstützen. Der Druck auf das Regime in Damaskus wächst weltweit. Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem Nahostexperten Carsten Wieland vom Goethe-Institut in Kairo. Herr Wieland, werden Drohungen in Syrien ernst genommen?

Moderation: Dirk Müller |
    Carsten Wieland: Die Drohungen gegen Syrien sind ja auch nicht neu, die Drohungen kommen ja seit dem Irak Krieg immer häufiger. Der Mord an Rafik Hariri war auf jeden Fall, etwas, was den syrischen Interessen entgegen läuft. Es war nichts, was von oben, von Syrien aus geplant war. Ich glaube, davon kann man auf jeden Fall ausgehen. Sie haben es ja schon angesprochen, die Reaktion auf den Straßen Libanons, der Druck auf Syrien wächst und die Drohungen werden ernst genommen und Syrien bemüht sich ja schon seit einigen Wochen und Monaten immer wieder zu betonen, dass das syrische Regime bereit ist, zu Friedensgesprächen mit Israel. Das war immer wieder natürlich auch ein strategischer Schritt, Washington zu besänftigen und Syrien hat sich auch bemüht, die Grenze zum Irak so dicht wie es geht zu bekommen, obwohl man immer wieder sagt, dass die 600 Kilometer Wüstengrenze zum Irak auch früher schon Stammesgebiet war und Stämme da hin und her gezogen sind und kaum ganz zu kontrollieren sind. Die USA können ja die Grenzen im Irak auch nicht ganz kontrollieren. Man hat versucht, da immer wieder entgegen zu kommen. Syrien fährt, seit dem Irakkrieg ganz besonders, eine Low-Profile-Strategie kann man sagen. Bashar Assad hat sich in vielen Dingen versucht, zurück zu halten und deshalb passt auch der Mord Hariris überhaupt nicht in die Strategie von Damaskus.

    Müller: Seit Jahren steht Syrien auf der schwarzen Listen der Vereinigten Staaten, die Behauptung in Washington "Von Syrien geht immer noch Terror aus, der Terror wird unterstützt aus Damaskus", stimmt das?

    Wieland: Ja, das ist der Vorwurf, dem Damaskus die ganze Zeit ausgesetzt ist. Syrien erinnert sich da an widersprüchliche Situationen: Gleich nach dem 11. September zählte Syrien eigentlich mit zu den verlässlichsten Partnern, auch der Vereinigten Staaten, in der Bekämpfung von El Kaida. El Kaida hat auch eine Warnung an seine Mitglieder herausgegeben, möglichst Syrien nicht zu betreten. Diejenigen, die sich ein bisschen in der syrischen Gesichte auskennen, wissen, dass Syrien das Regime war, das seit langer, langer Zeit die Muslim-Brüder und radikale Islamisten ganz stark bekämpft hat. Und zwar hat das kulminiert 1982 mit dem Massaker von Hamma, da sind bis 10- bis 15.000 Menschen ums Leben gekommen. Also es waren eigentlich die Syrer, die im Nahen Osten oder in der Region, in der Umgebung die radikalen Islamisten tief gehalten haben und nun steht Syrien im Verdacht den Terror zu unterstützen. Das war eine Wende, die kam quasi kurz vor dem Irakkrieg, der ja wiederum auch stark von Israel ausging. Es war ein Krieg, der sehr stark im israelischen Interesse war und Syrien seinen Kampf gegen die Islamisten innerhalb des eigenen Staates nicht so verkaufen konnte, als Kampf gegen Terrorismus und jetzt auf der anderen Seite steht, als ein Land, das den Terror unterstützt. Der Vorwurf wird deswegen aufgeworfen, da Syrien palästinensische Befreiungsorganisationen weiterhin in Damaskus zulässt. Sie haben da so eine Art Öffentlichkeitsarbeitsbüros, was natürlich ein bisschen weit gegriffen ist zu sagen, dass Syrien die Stabsstelle von Selbstmordanschlägen in Israel sei. Das ist der Vorwurf, der von Israel erhoben wird. Der ist so wohl nicht nachzuvollziehen, allerdings ist natürlich klar, dass Syrien enge Verbindung zur Hisbola unterhält, im Libanon. Bisher war es allerdings so, dass es selbst im israelischen und auch im amerikanischen Interesse war, dass Syrien eine Präsenz im Libanon hatte, nämlich Syrien hatte seine Präsenz im Libanon mit der Stabilität begründet und auch ein syrischer Oppositioneller sagte zu mir, im Prinzip ein politisch-administriertes Libanon von Syrien aus ist immer noch besser als ein Vakuum für Terroristen und ich denke, was jetzt passiert ist am Montag in Beirut, hat die Ängste wieder hochkommen lassen, dass in Libanon tatsächlich auch wieder ein Stück von dem in der Luft liegt zumindest, was damals 15 Jahre lang Bürgerkrieg bedeutet hat im Libanon.

    Müller: Als Bashar Assad die Macht übernommen hat in Damaskus, Nachfolger seines verstorbenen Vaters, haben viele damit die Hoffnung verbunden, Syrien wird in Zukunft liberaler. Wie viel Einfluss hat Bashar auf die syrische Politik?

    Wieland: Bashar hat, als er im Jahr 2000 die Macht übernommen hat, natürlich große Hoffnungen geweckt. Er hat das Internet stark verbreitet, er hat viele kleine Schritte auch in Richtung wirtschaftlicher Öffnung unternommen, die jetzt allerdings stecken geblieben sind. Bashar hat zumindest in der jungen Bevölkerung und das ist die Mehrzahl der Syrer noch einen Bonus, den er noch nicht verbraucht hat. Er selbst ist jemand, der ein junger Präsident ist. Sein Image ist weder von Blut befleckt, noch irgendwie durch Radikalität oder Inkompetenz ruiniert. Von der politischen Steinzeit seines Vaters hat er sich erfolgreich abgrenzen können. Allerdings, er hat von Anfang an versäumt, eine eigene politische Machtbasis aufzubauen innerhalb des Apparates. Das ist auch das, was ihm seine Vertrauten vorwerfen. Er hat versäumt, einen eigenen Beraterstab mit Einfluss aufzubauen. Das holt er jetzt ein bisschen nach. Aber es hat lange gedauert, um sich gegen die Betonköpfe der alten Garde durchzusetzen. Er macht da Fortschritte und die Meinungen gehen auseinander, wie weit ihm das geglückt ist. Was allerdings jetzt in Syrien passiert ist, dass man davon ausgehen kann, dass es kein einzelnes, einziges und überragendes Machtzentrum mehr gibt. Oppositionelle sprechen von einer Pluralität von Machtzentren in Syrien, nämlich dass Bashar nicht mehr alles unter Kontrolle hat, dass sich auch die Geheimdienste verselbstständigen und hier lässt sich auch wieder die Brücke schlagen zu Libanon. Als ich vorhin sagte, dass es völlig gegen die Interessen Syriens läuft, einen solchen hochkarätigen Mord und Anschlag zu begehen, will ich nicht hundertprozentig ausschließen, dass sich Untergruppen des syrischen Geheimdienstes verselbständigt haben und vielleicht im Verbund mit anderen, die vielleicht auch persönliche Feindschaft gegen Hariri hegen, oder aus anderen politischen Gründen da zusammen gearbeitet haben und etwas mit dem Anschlag zu tun haben. Wenn das der Fall wäre, dann wäre das ein Anzeichen, dass Bashar in der Tat die Zügel aus der Hand zu gleiten drohen. Das ist etwas, war in Syrien auch häufig befürchtet wird, denn Bashar steht einerseits für Stabilität und das eben auch im Libanon bisher und aber gleichzeitig für Veränderung und da schwingt einerseits Hoffnung mit, andererseits aber auch ein bisschen Furcht, denn vieles in Syrien, was derzeit gesellschaftlich noch an Liberalitäten da ist durch das säkulare Regime in Damaskus, steht auf dem Spiel, weil nämlich Syrien nicht nur unter dem Druck der USA steht, sondern auch unter einem ganz anderen Druck leidet, nämlich unter dem Druck von Islamisten.