Donnerstag, 28. März 2024

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Mord an Panama-Papers-Journalistin
"Eine Kultur der Straflosigkeit im Bezug auf Finanzkriminalität"

Die Malteserin Daphne Caruana Galizia hatte zuletzt vor allem im Zusammenhang mit den Panama Papers recherchiert. Jetzt wurde sie durch eine Autobombe getötet. Ihr Tod hinterließe seine riesige Lücke, sagte der Grünen-Politiker Sven Giegold im Dlf. Denn sie sei die einzige gewesen, die schonungslos aufgeklärt habe.

Sven Giegold im Gespräch mit Jasper Barenberg | 17.10.2017
    Sven Giegold von den Grünen
    Grünen-Politiker Sven Giegold fordert von Europa, jetzt nach Malta zu blicken (dpa / picture-alliance / Bernd Thissen)
    Daphne Caruana Galizia sei sich der Brisanz ihrer Recherchen bewusst gewesen, sagte der Grünen-Politiker Sven Giegold im Dlf. "Sie war die einzige Journalistin, die derart schonungslos aufgeklärt hat."
    Sie sei es gewesen, die Verdächtigungen öffentlich gemacht habe, dass es sich nicht um normale Steuerhinterziehung handele, sondern um millionenschwere Korruption. Die maltesischen Geldwäschebehörden hätten das zwar aufgeklärt, schrieb sie, aber aus diesen Aufklärungen sei keine Strafverfolgungen erfolgt. "Sie hat sich in Malta unbeliebt gemacht, weil sie sehr hart mit der jetzigen Regierung und vielen Mächtigen in der Finanzwelt umgesprungen ist."
    Europa muss aktiv werden
    Der Tod der Journalistin hinterließe eine riesige Lücke, sagte Giegold. Europa müsse jetzt nach Malta blicken. "Der Mord dieser mutigen Journalistin muss dafür sorgen, dass hier ein Land in der EU eigentlich eher nach Putins Russland aussieht als nach der Rechtsstaatlichkeit, die wir in der EU erwarten dürfen", so der Grüne.
    Es sei offensichtlich, dass in Malta die europäischen Geldwäscheregeln nicht angewendet werden. Strafverfolgung - insbesondere die Strafverfolgung bei heiklen Fällen nicht funktioniert. Die EU-Kommission sei vorsichtig, "Rechtsdurchsetzung zu betreiben".

    Das Interview in voller Länge
    Jasper Barenberg: Auf Malta ist das Entsetzen groß nach dem Mordanschlag auf die Journalistin Daphne Caruana Galizia. Als die 53jährige gestern ihr Haus nahe der Hauptstadt Valletta verließ, detonierte der Sprengsatz in ihrem Auto. Die Journalistin war an den Recherchen über die sogenannten"Panama Papers" beteiligt. Sie ging unter anderem der Frage nach, ob die Ehefrau von Regierungschef Muscat und ob Maltas Energieminister zweifelhafte Offshore-Konten besessen haben.
    Heute Vormittag hat uns der Grünen-Politiker Sven Giegold angerufen, weil er im Europäischen Parlament selbst die Vorwürfe über Steuervermeidung und Geldwäsche aufklären will und in diesem Zusammenhang Daphne Caruana Galizia als Zeugin im Untersuchungsausschuss in Brüssel erlebt hat. Vor dieser Sendung hatte ich die Gelegenheit, darüber mit Sven Giegold zu sprechen. Ich habe ihn gefragt, wie gut er die Journalistin und Bloggerin kannte.
    Sven Giegold: Ich kannte sie vor allem durch ihre Rolle als Zeugin im Pana-Ausschuss. Wir waren ja in Malta und haben dort persönlich mit ihr gesprochen. Ich bin seit Langem fleißiger Leser ihres Blogs gewesen, weil sie hat alle zentralen Dokumente und Informationen öffentlich gemacht über die Kultur der Straflosigkeit und der Korruption bis ins Zentrum der maltesischen Regierung.
    Barenberg: Das heißt, sie hat einen wichtigen Beitrag geleistet, wenn es darum ging, jetzt auch im Zusammenhang mit den Panama Papers Vorwürfe der Korruption in Malta aufzuklären?
    "Die einzige Journalistin ist, die derart schonungslos aufgeklärt hat"
    Giegold: Es war sie, die öffentlich gemacht hat, dass einige Regierungsmitglieder über die Panama Papers Firmen entsprechende Briefkastenfirmen eröffnet haben. Sie hat die Verdächtigungen öffentlich gemacht, dass es dabei nicht nur um normale Steuerhinterziehung, sondern um millionenschwere Korruption ging. Und sie hat öffentlich gemacht, dass das auch von den maltesischen Geldwäschebehörden aufgeklärt worden ist, aber aus diesen Aufklärungen keine Strafverfolgung gefolgt ist, die bis heute faktisch blockiert ist, wieso ich auch von einer Kultur der Straflosigkeit in Malta in Bezug auf Finanzkriminalität spreche.
    Barenberg: War Ihnen denn bewusst, war vielleicht auch Frau Galizia bewusst, dass ihre Recherchen derart brisant sind? Es heißt ja jetzt in Medienberichten, dass sie vorher durchaus Todesdrohungen erhalten haben soll.
    Giegold: Ja, das wusste sie. Ich weiß auch, dass sie das wusste. Ihr war bewusst, dass sie gefährdet ist, weil sie die einzige Journalistin ist, die derart schonungslos aufgeklärt hat. Damit hinterlässt sie eine riesige Lücke und deshalb muss jetzt auch Europa nach Malta blicken. Der Mord an dieser mutigen Journalistin muss dafür sorgen, dass wir uns jetzt damit beschäftigen, dass hier ein Land in der EU eigentlich eher nach Putins Russland aussieht als nach der Rechtsstaatlichkeit, die wir in der Europäischen Union erwarten dürfen.
    Barenberg: Haben Sie irgendeine Vorstellung davon, wer hinter einer solchen Tat stecken könnte, einem Anschlag mit einer Autobombe?
    Giegold: Nein. Natürlich würde ich da jetzt nicht einzelne Verdächtige nennen. Aber was man sagen kann, ist, warum sie sich unbeliebt gemacht hat. Sie hat sich in Malta unbeliebt gemacht, weil sie sehr hart mit der jetzigen Regierung und vielen Mächtigen in der Finanzwelt umgesprungen ist. Sie hat harte Anschuldigungen auf ihrem Blog veröffentlicht, und damit macht man sich natürlich viele Feinde. Gegen sie wurde ja auch selbst ermittelt wegen des Verdachts auf üble Nachrede.
    Barenberg: Würden Sie denn sagen, die Regierung in Malta verschleppt die Aufklärung über die Verwicklungen, die es da gegeben hat, über die Vorwürfe, gerade weil es ja bis in höchste Bereiche von Ministern und dem Regierungschef geht?
    Giegold: Ja, das kann man auf jeden Fall sagen. Wir haben auch als Grüne eine Plenardebatte im Juni im Europaparlament beantragt und die hat auch stattgefunden über die Rechtsstaatlichkeit in Malta. Das gab es bisher nur zu Ungarn. Leider ist darauf nichts gefolgt. Unsere Forderungen an die EU-Kommission, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, diese Fragen sind bis heute unbeantwortet. Sie sind seit vier Monaten und es ist offensichtlich, dass in Malta die europäischen Geldwäscheregeln nicht ernsthaft angewendet werden und insbesondere die Strafverfolgung bei heiklen Fällen nicht funktioniert.
    Barenberg: Wie kann es denn sein, wenn es stimmt, was Sie sagen, dass die EU-Kommission sich jetzt sozusagen tot stellt?
    Giegold: Ich würde nicht sagen, dass sie sich tot stellt. Wenn man anruft und fragt, wann man eine Antwort bekommt, heißt es, mit Stand heute in einigen Wochen. Das hatten wir allerdings auch schon vor einigen Wochen. Die Kommission stellt sich nicht tot, sondern sie ist vorsichtig, tatsächlich Rechtsdurchsetzung zu betreiben. Gerade im Bereich Geldwäsche haben viele Mitgliedsländer offene Baustellen, zum Beispiel auch Deutschland. Auch dort gibt es kein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren. Obwohl Geldwäsche weit verbreitet ist in der Europäischen Union und eben nicht nur auf Malta, gibt es keine ernstlichen Versuche, dieses Recht wirklich durchzusetzen, und wir schauen viel zu lange schon weg bei Finanzkriminalität.
    Barenberg: Da würde der Finanzminister sicherlich eine andere Einschätzung haben. Was, glauben Sie, ist der Grund, dass man da so vorsichtig ist an allen möglichen Stellen?
    Giegold: Der vorige Finanzminister, Herr Schäuble, mit dem habe ich darüber auch geredet. Der hat die Defizite sehr wohl anerkannt. Das sieht man auch daran, dass er ja nach den "Panama Papers" mit einem Zehn-Punkte-Plan reagiert hat, der allerdings nicht alle offenen Punkte angeht. Aber es ist unstrittig, dass zum Beispiel in Deutschland wir nicht wissen, wo Mafia-Gelder im deutschen Immobilienmarkt gewaschen werden, dass wir praktisch keine Anzeigen haben auf Verdacht auf Geldwäsche, obwohl Immobilienmakler und die beteiligten Rechtsanwälte verpflichtet sind, solche Verdachtsanzeigen abzugeben. Wir haben hier Vollzugsdefizite, und die gibt es auch massiv in anderen EU-Ländern, und da wird in breitem Maße weggeguckt.
    Barenberg: Lassen Sie uns zum Schluss noch mal zurückkommen auf dieses Attentat selber. Der Regierungschef von Malta, der selbst sozusagen betroffen ist von den Recherchen der Kollegin, der sagt jetzt, das war eine tückische Attacke und er wird keine Ruhe geben, bis der Tod dieser Journalistin aufgeklärt ist. Haben Sie in dieser Hinsicht Vertrauen in die Behörden in Malta?
    "Malta nach wie vor Steuerparadies für deutsche Unternehmen"
    Giegold: Ich nehme erst mal natürlich ernst, was er dort sagt, und hoffe, dass er das wahr macht. Das darf allerdings nicht davon ablenken, dass aus den Aufklärungsarbeiten der eigenen Geldwäschebehörde gegen Regierungsmitglieder und andere wichtige und mächtige Personen in Malta bisher nichts gefolgt ist. Das darf auch nicht ungesehen machen, dass Malta nach wie vor als Steuerparadies fungiert, sowohl für deutsche Unternehmen, für internationale Unternehmen. Und auch im Bereich der Online-Spiele, der Internet-Spiele ist Malta einer der Marktführer, auch weil die Kontrollen lax sind. Vor all dem können wir einfach nicht länger die Augen verschließen.
    Barenberg: Sven Giegold, der Europaabgeordnete der Grünen. Herr Giegold, danke für das Gespräch.
    Giegold: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.