Menschenrechtsverletzungen, getötete Arbeitsmigranten: Die Kritik an WM-Gastgeber Katar war vor und während des Turniers groß. Dabei sei ein Thema jedoch völlig in den Hintergrund gerückt, sagte Luis Morena Ocampo im Deutschlandfunk: Terrorfinanzierung.
Moreno Ocampo war bis 2012 Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Er beschäftigt sich bis heute mit Katar und der Terrorfinanzierung. Er sagte: "Diese WM hat eine Menge Aufmerksamkeit gebracht für die Menschenrechtsprobleme in Katar, für die Arbeitnehmerrechte, für das Thema sexuelle Freiheit. Aber, was in vielen Medien komplett verschwunden ist, ist die Rolle Katars bei der Finanzierung von Terroristen. 2014 war das noch etwas, über das offen geredet wurde." Dass das Thema verschwunden sei, sei "gefährlich", so der Argentinier.
Unterstützung für den IS aus Katar
"Katar war involviert in die Entstehung von Al-Nusra, des syrischen Al-Kaida-Ablegers, Katar hat die Hamas finanziert im Israel-Palästina-Konflikt", erklärte Moreno Ocampo. Dazu gebe es einen Fall aus Florida: "Dort hat die Familie des vom Islamischen Staat ermordeten Journalisten Steven Sotloff einen Beweis vorgelegt, dass ein Anwalt, der vom Islamischen Staat als Scharia-Richter eingesetzt wurde und die Ermordung Sotloffs verfügt hatte, zehn Monate zuvor 800.000 Dollar bekommen hat, von der Katarischen Nationalbank und Qatar Charity." Dabei habe Katar immer beteuert, den IS nicht zu unterstützen, so Moreno Ocampo.
Doch warum finanziert Katar Terrorgruppen? "In Syrien attackiert das Assad-Regime Sunniten. Katar sieht sich in der Pflicht, den eigenen Leuten zu helfen. Die katarische Königsfamilie gehört einer salafistischen Strömung an. Ich glaube, das sind zwei ganz wichtige Punkte", sagte Moreno Ocampo.
Die katarische Führung habe in wenigen Jahren "aus einer primitiven Gesellschaft eine sehr relevante gemacht", sagte Moreno Ocampo. Dabei sei auch die WM hilfreich gewesen: "Sie benutzen Sport, um ihren Weg zu unterstützen." Das Turnier biete jetzt aber nicht nur die Möglichkeit, auf die lokalen Probleme in Katar zu schauen, "sondern auch auf die globalen Zusammenhänge. Es gibt keine Aufsicht, die die Finanzierung von internationalem Terror überwacht. Das ist wichtig, zu verstehen." Dabei unterstütze nicht nur Katar den Terror: "Die USA tun es, die EU, Saudi-Arabien, vielen finanzieren Terror. Wir müssen es schaffen, von den Einzelfällen aus auf das System zu schauen, das Terrorfinanzierung erst möglich macht."
"Sportswashing funktioniert in vielen Ländern"
Katar benutze nun auch die WM, um sich von den Vorwürfen der Terrorfinanzierung reinzuwaschen. Stichwort: Sportswashing. "Sportswashing funktioniert in vielen Ländern, zum Beispiel Saudi-Arabien. Obwohl es offensichtlich ist, dass der Journalist Khashoggi ermordet wurde, passiert nichts mit Saudi-Arabien. Sportswashing funktioniert immer, denn die Menschen konzentrieren sich lieber auf Sport als auf komplexe politische Themen wie Terrorfinanzierung."
Eine besondere Rolle spiele deshalb auch die FIFA und deren Chef, Gianni Infantino: "Gianni Infantino ist unglaublich. Er redet vom unpolitischen Fußball, bietet aber selbst politische Unterstützung an für Putin, Saudi-Arabien und jetzt Katar. Er ist der erste, der eine politische Rolle spielt", sagte Moreno Ocampo.
Auch zwischen Deutschland und Katar gibt es Verbindungen, nicht zuletzt aufgrund des jüngsten Gasdeals. Moreno Ocampo nahm deshalb auch Deutschland in die Pflicht: "Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin könnte sich damit beschäftigen, wie sehr deutsche Banken mit katarischen Banken verknüpft sind. Zum Beispiel war die Deutsche Bank involviert als Korrespondenzbank in die Finanzierung der Hamas. Die Bafin könnte das kontrollieren, was wichtig wäre. Ein Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Bank, der die katarischen Anteilseigner dort repräsentiert, ist der frühere Außenminister Sigmar Gabriel. Das sind wichtige Zusammenhänge."