
"Die Sicherheitskonferenz ist eine große Show, auf der einen Seite mit öffentlichen Darstellungsmöglichkeiten, mit Reden, aber sie ist vor allem, und das macht sie so wichtig und so wertvoll, eine Möglichkeit zu einem informellen Austausch, und ich sage immer, es ist eine Generalversammlung der Vereinten Nationen im Kleinformat. Dass das in Deutschland stattfindet, ist für uns natürlich eine großartige Gelegenheit."
"Wir werden unter den zahlreichen Präsidenten und Ministerpräsidenten solche Leute haben wie den Präsidenten von Afghanistan, wie den Präsidenten Poroschenko aus der Ukraine, den polnischen Präsidenten Duda. Unter den Premierministern wird der Iraker sein, der türkische Ministerpräsident wird erwartet, wir haben 47 Außenminister, angeführt von dem Altmeister Lawrow aus Russland, Boris Johnson kommt aus Großbritannien, der iranische Außenminister Zarif wird wieder kommen, wie im vergangenen Jahr. Wir haben 30 Verteidigungsminister, darunter Pakistan, Türkei, Großbritannien, USA, Israel."
"Wir haben zunächst mal gesagt, wir können die Münchener Sicherheitskonferenz nicht am gleichen Wochenende machen wie die Bundespräsidentenwahl. Also haben wir gesagt, dann gehen wir auf die Woche nach der Wahl, damit das große Thema hinter uns liegt und wir sozusagen alle den Kopf frei haben. Und dann stellte sich heraus, dass die G20 auch auf diese Woche zulief und das haben wir dann festgenagelt und gesagt, das ist doch wunderbar, dann G20, sozusagen gegen Ende der Woche, sodass die Mitglieder der G20 auch nicht etwa dann einen Tag lang in München herumgammeln müssen sondern sie können direkt aus Bonn nach München fliegen und direkt in die Konferenz einsteigen."
Gastgeber Sigmar Gabriel, auch ein Amtsneuling, hat vielen Kollegen in Bonn eines voraus. Er konnte als erster Außenminister überhaupt einen persönlichen Eindruck von Tillerson gewinnen. Die Tinte unter der Ernennungsurkunde war kaum trocken, da war Gabriel schon auf dem Weg nach Washington. Nach den alarmierenden Äußerungen Donald Trumps kehrte Gabriel unter dem Eindruck von Gesprächen im Weißen Haus und im State Department einigermaßen beruhigt zurück:
"Das waren ausgesprochen gute Gespräche, die uns gezeigt haben, dass es auch in der neuen Administration Menschen gibt, die ein Interesse am Ausbau und am Beibehalten der transatlantischen Beziehungen und nicht nur zu Deutschland, sondern insbesondere auch zur Europäischen Union und zur NATO gibt."
Dennoch, in Bonn wird wohl jede Bemerkung Tillersons, insbesondere zu Russland, auf die Goldwaage gelegt. Gerade einmal 24 Tage konnte sich Trumps nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn im Amt halten, seine Kontakte zu Moskau, noch vor Amtsantritt der neuen Regierung, führten jetzt zum Rücktritt. Auch Donald Trump selbst fährt in Sachen Russland einen unberechenbaren Zick-Zack-Kurs. Überaus lobende Worte zu Putin folgten jetzt kritische Stellungnahmen, etwa die Erwartung, Russland solle die Krim an die Ukraine zurückgeben. Was Rex Tillerson angeht: Nach deutlicher Kritik an Moskau in Sachen Ukraine und Syrien hatte er im US-Senat gesagt, dass es Spielraum für eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland gebe. Durch Dialog die Gemüter kühlen, um die Kontrolle zu behalten, das ist seine Empfehlung.
"Was ist die Alternative? Säbelrasseln, eine Konfrontationspolitik, wie sie sicherlich unter Hillary Clinton gefahren worden wäre. Trump mag viele Nachteile haben, innenpolitisch müssen wir gar nicht drüber reden. Aber wenn es einen Punkt gibt, die Entspannungspolitik mit Russland, dann muss man das in dem Fall mal gutheißen."
Während Rex Tillerson die Sicherheitskonferenz nach bisheriger Planung auslässt, übernehmen andere die Fortsetzung des Entrees der neuen amerikanischen Administration. Mit Vize-Präsident Mike Pence, den Ministern für Verteidigung und Heimatschutz, James Mattis und John Kelly, sowie einer starken Kongressdelegation, angeführt vom Republikaner und Trump-Kritiker John McCain, wird der ursprüngliche transatlantische Kern der Sicherheitskonferenz erneut bekräftigt. Und so groß die Erwartungen in Bezug auf politische Antworten der Trump-Truppe sind, auch und gerade die Europäer sind in München gefordert. Warum? Wolfgang Ischinger verweist auf:
"Ankündigungen und Sprüche, die wir ernst nehmen müssen, dass man in Washington der Meinung ist, der Rückmarsch in den Nationalstaat sei nicht nur für Washington das Richtige, sondern auch für Europa. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir in München versuchen, die Selbstbehauptung Europas auch auf der Bühne zu zeigen, damit die anwesenden Amerikaner nicht den Eindruck haben, die EU ist ohnehin schon moribid und dabei auseinanderzubrechen."
"Ich habe erlebt bei der Zusammenstellung der Reden und der Panels, dass wir inzwischen einen Zustand der Feindseligkeit innerhalb der Europäischen Union haben, wo ich erlebt habe, das ein wichtiger Vertreter der Europäischen Union mir erklärte, nein, mit dem anderen Vertreter aus der Europäischen Union setze ich mich nicht aufs Podium in München. Das ist für mich eine Wasserstandsmeldung über den inneren Zustand der Europäischen Union. Traurig, traurig, traurig."
So traurig diese Zustände sind, sind sie ein sicherheitspolitisches Risiko? Für Deutschland allemal und in besonderem Ausmaß. Warnende Stimmen greifen weit zurück, um das strategische Dilemma der geografischen Mittellage Deutschlands in Erinnerung zu rufen. Hier vor einigen Tagen Peer Steinbrück auf der Young Leaders Conference der "FAZ":
"Im 30-jährigen Krieg und in den Napoleonischen Kriegen waren wir der Schauplatz und später in der wilhelminischen und Nazi-Zeit sind wir der Ausgangspunkt gewesen für die Katastrophen Europas. Das heißt, Deutschland in dieser Mittellage hat ein massives Interesse zu seinen unmittelbaren Nachbarn und darüber hinaus ein sehr stabiles, auskömmliches, gutes Verhältnis zu haben. Insbesondere mit Blick auf die beiden, Flügelnachbarn Polen und Frankreich."
"Wenn hier ernsthaft nachgedacht würde, selbst hinter mehrfach verschlossenen Türen, dass Deutschland seine Sicherheitspolitik renationalisieren würde, das würde den Kontinent zerreißen. Es geht gar nicht."
Umso dramatischer, dieser politische Doppelschlag des vergangenen Jahres, der Brexit und die Trump-Wahl. Beide Säulen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zeigen zeitgleich Risse. Selbst die großen Drei in Europa, Deutschland, Frankreich, Großbritannien sind aus weltpolitischer Sicht für sich genommen, so Fischer wörtlich, beklagenswerte Mittelständler:
"Die Europäer werden nicht nur zusammenstehen müssen, aus sicherheitspolitischen Gründen aber auch aus anderen, sondern sie werden, lassen sie mich das so sagen, erwachsen werden müssen. Machtpolitisch erwachsen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass Krieg unwahrscheinlicher wird. Wenn ich etwas gelernt habe, das mag sie jetzt erstaunen, aber Schwäche führt nicht zum Frieden, sondern lädt im Gegenteil zu schlimmen Fehlkalkulationen ein."
Wir haben es selbst in der Hand, Europa zu stärken, sagte Sigmar Gabriel nach seiner Washington-Reise. Was das konkret und konkret für Deutschland heißt? Vielleicht hört man Peer Steinbrück den ehemaligen Finanzminister noch an:
"Es ist in einem nationalen deutschen Interesse, dieses Europa zu fördern und zusammenzuhalten und dafür auch einen finanziellen Beitrag zu leisten. Ich weiß, dass das schwieriger denn je sein wird, dies einer breiten Wahlbevölkerung zu vermitteln, dass Deutschland zahlen muss."
"Ich halte das Zwei-Prozent-Ziel für eine Scheindiskussion."
"Ich halte das für eine Gespensterdebatte. Auch die Vereinigten Staaten wenden nicht zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die NATO auf."
Für die NATO vielleicht nicht, für Verteidigung schon. Und da geht es los mit Definitionen rund um das Thema Sicherheit. Sicher ist, die rechnerisch notwendige Erhöhung der Ausgaben für Verteidigung um circa 30 Milliarden Euro ist nicht durchsetzbar. Es wäre auch falsch, meint Niels Annen von der SPD:
"Wir sind im Moment der größte Geber für humanitäre Hilfe für syrische Flüchtlinge, wir stabilisieren Syriens Nachbarländer, wir sind einer der größten Geber im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, Europa, die EU, ist der größte Entwicklungshilfegeber auf der ganzen Welt, wir stärken die Vereinten Nationen nicht nur politisch, sondern auch mit signifikanten finanziellen Beiträgen. Sicherheit ist nicht nur militärisch definiert und diese zwei Prozent sind ja auch kein Gesetz, dass der Deutsche Bundestag beschlossen hat."
Falls sich die Amerikaner diesen Argumenten nicht anschließen wollen, bleibt die Erkenntnis, dass es aufseiten der europäischen Partner bei der Rüstungsbeschaffung in Sachen Effizienz enorm viel Luft nach oben gibt. Roderich Kiesewetter, CDU:
"Effektiv wäre, wenn die EU-NATO Staaten beginnen, zu standardisieren, wir haben vier verschiedene Kampfpanzer, sechs verschiedene Schützenpanzertypen. Das macht doch überhaupt keinen Sinn, wenn man sich auf jeweils einen Typ einigen würde, wäre das schon viel besser."
Durch gemeinsame Projekte könnte man 30 Prozent der Investitionsausgaben für die europäische Verteidigung einsparen, so heißt es im Munich Security Report, der gerade begleitend zur Konferenz veröffentlicht wurde.
Alle Partner Litauens stehen uneingeschränkt zu ihren Verpflichtungen, sagte die deutsche Verteidigungsministerin. Ihre Hoffnungen ruhen wohl eher auf dem neuen US Amtskollegen James Mattis als auf Donald Trump. Der ehemalige General hatte die NATO als erfolgreichste militärische Allianz aller Zeiten bezeichnet. Mit Verbündeten ist man stärker als ohne, deshalb hoffe ich auf bestmögliche Beziehungen zur Nato:
"Die Balten würden ruhiger schlafen, das gilt übrigens auch für viele Deutsche, wenn Herr Mattis glaubhaft versichern könnte, dass seine Haltung auch die des amerikanischen Präsidenten ist. Da bin ich mir aber nicht so sicher", sagt der SPD-Politiker Niels Annen.
"Ich bin relativ sicher, dass die amerikanische Regierung in München in feierlicher Form, immerhin durch den Vize-Präsidenten, nicht durch irgendeinen drittklassigen Staatssekretär, zum Ausdruck bringen wird, dass sie zur NATO steht. Alles andere wäre strategisch betrachtet ja nichts anderes als ein Schuss ins eigene Knie. Das wird Amerika vermeiden wollen."
Wie schon in den vergangenen Jahren ist das Themenspektrum der Sicherheitskonferenz sehr viel breiter als die offenen Fragen rund um das transatlantische Verhältnis und die europäische Identität. Die Lage in Syrien wird auf die Agenda kommen, am Sonntagvormittag, vor der geplanten Wiederaufnahme der Genfer Gespräche. Auch Themen wie Klimaschutz und der Kampf gegen Pandemien haben in diesem Jahr einen Platz im Hauptprogramm. Bill Gates wird sprechen, Bono auch. Viele Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen sind als Gäste in München, doch 2017 wird voraussichtlich das Jahr sein, in dem sich die Sicherheitskonferenz auf ihre transatlantischen Wurzeln besinnen wird, besinnen muss.