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Munitionshersteller Lapua
Kugeln für Goldschützen

Minus 22 Grad, der Atem kondensiert: Der Munitionshersteller Lapua testet seine Produkte unter ungewöhnlichen Bedingungen. Denn das Unternehmen stellt fast alle Kugeln für die Biathleten bei den Olympischen Spielen her. Und schickt dafür die Sportschützen mit ihren Gewehren in die Kältekammer.

Von Christoph D. Richter | 23.02.2018
    Servicetechniker Heiko Weidner von der Lapua GmbH in Schönebeck (Salzlandkreis) präsentiert eine handelsübliche Packung mit Munition für Biathleten, aufgenommen am 14.01.2009. Sportschützen, Biathleten und Jäger aus 60 Ländern schießen mit Schönebecker Munition.
    Sportschützen und Biathleten aus 60 Ländern schießen mit Kugeln von Lapua - seit 1829 wird in Schönebeck Munition hergestellt (dpa / Jens Wolf)
    Nur mit dem kleinen Finger zieht ein Mitarbeiter der Munitionsfabrik Lapua, der zum weltweit operierenden norwegischen Rüstungskonzern Nammo gehört, am Abzugshahn eines Gewehrs. Das hat man in einen Schraubstock eingespannt.
    "Wir messen hier den Trefferkreis. Der rote Schuss ist immer der letzte Schuss, der jetzt gerade abgefeuert wurde. Der wird in einer Distanz von 50 Metern elektronisch gemessen. Uns ist es wichtig, den Trefferkreis zu bestimmen, um die Qualität der neuproduzierten Munition sicherzustellen."
    Denn eine breite Streuung darf die Munition nicht haben, das wäre für die Biathleten fatal. Haben doch die Schieß-Scheiben für Biathleten gerademal einen Durchmesser von 4,5 Zentimetern, erzählt Christoph Tolonitz. Zusammen mit mehreren Mitarbeitern steht er im Munitions-Testlabor.
    Die Kugel, die aus der Kälte kam
    Dort ist es mächtig kalt, der Atem kondensiert, denn die Patronen werden in einer Kältekammer getestet. Damit werden die realen Wintersport-Bedingungen simuliert, denn die Patronen müssen kälteunempfindlich sein.
    "Wir können hier auch im Hochsommer arktische Bedingungen simulieren. Arktische Bedingungen heißt im IBU-Regelwerk, dass ein Wettkampf bis maximal minus 20 Grad stattfinden darf. Und diese Temperaturen können wir auch im Sommer - bei 30, 35 Grad, wie sie in Mitteldeutschland vorkommen - auch simulieren. So können wir optimal für den Winter testen."
    Der Biathlet Arnd Peiffer aus Deutschland bei den Olympischen Winterspielen 2018
    Kälte, Eis und Schnee: Beim Biathlon herrschen zum Teil extreme Bedingungen (pa/dpa/Kappeler)
    Christoph Tolonitz war 2007 Mannschafts-Europameister im Kleinkaliber-Gewehr, jetzt leitet er den Sportservice beim Schönebecker Unternehmen.
    "Die Kältekammer ist zwei mal zwei Meter groß. Da können wir die Waffe, die Munition herunterkühlen. Und der Trainer und Athlet kann draußen am Computer sehen, welche Munition am besten funktioniert."
    Die deutsche Arnd Peiffer, die Slowakin Anastasya Kuzmina, Medaillengewinner der Olymischen Spiele im südkoreanischen Pyeongchang, sie alles schießen mit Patronen aus dem kleinen Schönebecker Unternehmen. Auch die zweifache Olympiasiegerin Laura Dahlmeier, erzählt Tolonitz. Seine Augen strahlen.
    Statistik: Wer hat es geschossen?
    Im Sommer waren sie alle in Sachsen-Anhalt, um ihre Munition zu testen, erzählt Tolonitz noch. Bei den letzten Olympischen Spielen im russischen Sotschi wurden 32 von 33 Medaillen mit der Munition Marke Polar Biathlon geschossen. Made in Schönebeck.
    "Wer genau damit schießt, ist ein Firmengeheimnis. Aber wir führen interne Statistiken, damit wir auch wissen, wer mit unserer Munition Medaillen gewonnen hat. Um auch die Trainer dann mal anzurufen, um zu sagen, schön dass es so geklappt hat."
    100 Mitarbeiter arbeiten bei Lapua im Dreischichtbetrieb. Das Geschäft läuft gut, heißt es. Derzeit baue man die Produktionskapazitäten aus und mache jährlich mehr als zehn Millionen Euro Umsatz. Konkrete Zahlen zum Geschäftsfeld will man ansonsten nicht nennen.
    Die Biathlin Laura Dahlmeier hat ihr Gewehr im Arm und schießt auf eine Zielscheide.
    Auch die zweifache Olympiasiegerin Laura Dahlmeier vertraut auf die Lapua-Produkte (dpa / picture alliance / Martin Schutt)
    Nur so viel: Pro Jahr verlassen rund 200 bis 250 Millionen Patronen das Werk, das in einem schmucklosen Industriegebiet am Rande von Schönebeck, 15 Kilometer südlich von Magdeburg, liegt.
    Gegründet wurde das Unternehmen 1829. von zwei Unternehmern: Heute die älteste Munitionsfabrik Deutschlands, zu DDR-Zeiten hieß es VEB Sprengstoffwerk. Neben der Produktion von Patronen für Sportschützen, lieferte man bis 1989 auch Munition für militärische und jagdliche Zwecke. Doch seit dem Mauerfall ist damit Schluss, seitdem produziert man nur noch Kleinkaliber-Patronen für Sportschützen.
    Zu allererst werden die Hülsen der Patronen mit einer Tiefziehmaschine aus einem Stückchen Blech rausgepresst. In einem extra gesicherten Raum - in denen Betriebsfremde lediglich durch ein Panzerglas schauen dürfen - wird die Zündung in die Patrone eingesetzt, erläutert Jörg Melcher. Er ist der Marketingchef, seit 23 Jahren bei Lapua in Schönebeck.
    "Wir arbeiten nach dem Eley-Prime-Verfahren. Es wird ein gelbes Pulver in die Hülse eingestreut, dann wird das gelbe Pulver an den Rand gedrückt. Daher heißt die Patrone auch Randfeuerpatrone. Weil die Zündung im Rand stattfindet."
    80 Prozent der Mediallen stammen aus Schönebecker Produktion
    An den Wänden der Werkshallen hängen diverse Autogrammkarten. Von Uschi Disl, Kati Wilhelm, Magdalena Neuner, Laura Dahlmeier, auch von der norwegischen Ski-Legende Ole Einar Björndalen, der die diesjährigen Olympischen Spiele verpasst hat. Allesamt Top-Athleten, die auf die Munition aus Schönebeck setzen und damit Goldmedaillen gewonnen haben. Und gewinnen werden, ergänzt noch verschmitzt Marketing-Chef Jörg Melcher.
    "Wir, alle Mitarbeiter sind sehr stolz darauf. Gerade, weil wir wissen, dass es über 80 Prozent der Medaillen sind, die mit unserer Munition errungen werden."
    Im Pausenraum hat man während Olympia einen Fernseher aufgestellt. Damit die Angestellten mitfiebern können. Und wenn dann in Südkorea dieser Tage die Schüsse bei den Biathlon-Wettbewerben knallten, dann knallte es auch in Schönebeck. Keine Schüsse, sondern die Sekt-Korken.