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Museum in Berlin
Kapitalismus zum anfassen

Eine Waage, die die Einkommensverteilung darstellt, eine Wasserpumpe, die das Verhältnis von Arbeitslohn und Unternehmensgewinn deutlich macht: Das Museum des Kapitalismus in Berlin will zum Nachdenken über unser Wirtschaften anregen – ganz ohne komplizierte Formeln und Theorie.

Von Agnes Steinbauer | 15.08.2014
    "Kapitalismus" steht auf einer Wand an einem besetzten Haus in einer Straße in Berlin im Stadtteil Prenzlauer Berg , aufgenommen am 11. August 2012.
    "Kapitalismus" steht auf einer Wand an einem besetzten Haus in einer Straße in Berlin im Stadtteil Prenzlauer Berg. Immer mehr Menschen stellen das herrschende Wirtschaftssystem infrage. (picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
    "Die Kritik, die ich bekommen habe von Menschen, die das Museum besucht haben, ist, dass Ihnen besonders Exponate gefallen haben, wo es konkret um sie ging und da wird ein Focus von uns drauf liegen, den Menschen so abzuholen, wo er gerade steht."
    Jan ist einer der Ausstellungsmacher, die das Museum des Kapitalismus geschaffen haben. Zum "Museumskollektiv" gehören zehn Leute zwischen 20 und 30 – Berufstätige, Arbeitslose oder Studierende, wie Jan Köhne und Malte Elling. Gestern Abend öffnete der 24-jährige Lehramtsanwärter die Museumstüren für eine englisch-deutsche Gruppe – vorerst zum letzten Mal.
    "Ich glaube, die Sache ist, dass viele über Kapitalismus sprechen, es steht irgendwie in der Zeitung, aber es wird sich selten grundlegend damit beschäftigt, wie die Mechanismen funktionieren. Das war auch der Grund, warum wir auf die Idee gekommen sind, so ein Museum zu machen."
    Ein Schwerpunkt der Ausstellung war ein Phänomen, das rund um das temporäre Museum immer mehr Menschen betrifft: Gentrifizierung – dargestellt durch Videobotschaften von Betroffenen.
    "Dann kam die Mieterhöhung mit dem neuen Eigentümer."
    "Wir haben hier so eine Art Uhr, wo man sich angucken kann, wie sich der Mietpreis zusammensetzt. Was die zentrale Aussage ist: wie der Mietpreis eigentlich sein müsste, wenn die Unternehmen keinen Gewinn mit dem Haus machen würden."
    Kapitalismus - ganz ohne Marx und Co.
    Wohin das Kapital fließt, wurde an einem anderen Exponat deutlich.
    "Wenn ich der Arbeiter bin und pumpe, dann wird das Wasserbecken, in dem das Kapital ist, voller – es erhöht sich aus dem Schlauch, der in das Wasserbecken geht, tropft ein kleines Rinnsal, das ist mein Lohn, den ich bekomme, na ja und so funktioniert Arbeit im Kapitalismus: Dass ein Arbeiter einen kleinen Teil des Wertes, den er produziert, den bekommt er als Lohn, aber der große Teil, der vermehrt das Kapital."
    "Ich finde es interessant, dass man Sachen praktisch ausprobieren kann, ich glaube, das hat viel dazu beigetragen, theoretische Konzepte zu verstehen - so Kapitalkreislauf in Form von Wasser oder die Verteilung von Reichtum auf der Waage. Das hat es sehr viel anschaulicher gemacht."
    Kapitalismus im Alltag – ganz ohne Theorien von Marx und Co. Bei Besuchern kam das gut an:
    "Ich denke, das sind Themen, die uns alle beschäftigen, wo kriege ich meine Klamotten her, wo kann ich nachhaltig einkaufen."
    Barrierefrei, polyglott und umsonst – so soll auch die nächste Ausstellung werden. Das Museumskollektiv träumt vom dauerhaften "Museum von unten" – schließlich haben Sach- und Geldspenden auch den ersten Versuch möglich gemacht. Lieke Swaridans aus Holland hat schon neue Pläne:
    "Die Idee ist, noch mehr Führungen zu machen, noch mehr zusammenzuarbeiten mit Schülerklassen. Wir sind eine Gruppe und wir können lernen voneinander, da sagen wir immer: Wir suchen auch immer neue Leute. Egal ob man viel Know How schon hat von Kapitalismus -es geht darum, dass wir darüber nachdenken und diskutieren und dann gucken, wie man Sachen erklären kann an Leuten."