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Musical-Premiere "Der König der Möwen"
Launiges Stück über ernste Themen

"Cats", "Rocky", "Phantom der Oper" – Hamburg ist für seine Musicals bekannt. Kommerz statt Kunst lautet oftmals der Vorwurf, während die Subkultur es schwer hat zu überleben. Nun feiert ein neues Musiktheater in der Hansestadt Premiere. "König der Möwen" will unterhalten, übt aber auch Kritik.

Von Juliane Reil | 09.08.2018
    Auf dem Bild sind der Musiker Andreas Dorau, der Autor Gereon Klug und der Regisseur Patrick Wengenroth zu sehen. Hinter ihnen kommt eine computergenerierte Möwe angeflogen. Auf dem Kopf trägt sie eine Krone
    Der Musiker Andreas Dorau zusammen mit dem Autor Gereon Klug und dem Regisseur Patrick Wengenroth (Brigitta Jahn )
    "Wir mögen das Wort Musical nicht, weil wir uns eben nicht an gewisse Regeln des Musicals halten wollen. Also insofern haben wir dann lieber das Wort 'musikalische Dramödie' gewählt", meint Andreas Dorau über "König der Möwen". Zusammen mit Gereon Klug hat er das Stück geschrieben. Beide leben seit mehreren Jahren in Hamburg und sind eher in den Nischen der Popkultur zuhause. Klug als Autor und Tourmanager. Außerdem besitzt er einen Plattenladen im ehemaligen Gefahrengebiet St.Pauli. Dorau wiederum ist für seine naiv-launigen Popsongs bekannt. Dieser für ihn typische Humor klingt auch im "König der Möwen" an.
    Auf Identitätssuche in einer prekären Kulturszene
    "König der Möwen" ist allerdings mehr als eine bloße Revue einzelner Songs", erklärt Gereon Klug. Die Proben finden auf Kampnagel in Hamburg statt.
    "In unserem 'König der Möwen' kommen sogenannte Score-Stücke vor. Das sind Stücke, die die Handlung ein bisschen beschreiben und sehr viele Stücke, die eine Band spielt und jedes Mal ihre Identität wechselt…"
    ...um auf dem Markt zu bestehen. Von 60er-Jahre Motown-Soul, 70er-Jahre Folk bis zu elektronischen Beats und Autotune morpht sich die Band kreuz und quer durch die Musikgeschichte. Identitätssuche und die prekären Umstände der Kulturszene – das sind die Themen des Stückes.
    Schauspieler auf der Probebühne: "Ich kann Dir Dein Gehalt für diesen Monat nicht zahlen. Tut mir leid. Ich weiß nicht, woher ich es nehmen soll."
    Dabei greifen zwei Handlungsstränge ineinander. Neben der jungen Band, die unsicher ist, auf welchen musikalischen Stil und Namen sie sich festlegen soll, geht es um Hans, den Plattenladenbesitzer. Er hält sich gerade so über Wasser, bis ihm eine Marketing-Firma einen Haufen Geld anbietet.
    Schauspieler auf der Probebühne: "Die 20 Millionen Touristen, die kommen doch nicht wegen dem Ohnesorg-Theater oder wegen der Möwen nach Hamburg. Nein! Die kommen wegen der Elphi, der Queen Mary 3, die kommen wegen des Miniatur-Wunderlands. Die kommen in die Hafencity. Da bringen wir Dich hin und safe ist es auch."
    Es fehlt an Tiefsinnigkeit
    Dorau und Klug wollen allerdings nicht moralisieren. Im boulevardesken Ton zeigen sie Missstände auf, unter denen nicht nur die Kultur leidet, sondern vor allem auch das Individuum. Den Humanismus und den politischen Unterton schaut sich "König der Möwen" bei Brecht ab. Allerdings wirkt bei Dorau und Klug alles sehr plakativ. Schließlich landet Hans in der Hamburger Unterwelt, wo sich Hans Albers, Jan Delay, Udo Lindenberg & Co. verbrüdern.
    Man wünscht sich etwas mehr Tiefgang.
    Die Nabelschau Hamburger Kulturschaffender und die Gentrifizierung sind in der Theaterwelt der Hansestadt ein Lieblingsthema. Nur dreht sich die Debatte im Kreis und zeigt nicht wirklich eine Lösung auf. So scheint es auch in dem Stück von Dorau und Klug zu sein. Aber noch laufen die Proben ja. Auf der gleichnamigen Platte zum Stück interpretieren Dorau und andere Musiker die Stücke. Auf der Bühne übernehmen dies die Schauspieler.
    Schauspieler auf der Probebühne: "Können wir jetzt mal proben?" - "Wir sind die New Feelings."
    Das Stück liefert keine Antworten
    "König der Möwen" ist ein launiges Stück über ernste Themen, die nicht nur Hamburg, sondern auch andere Großstädte betreffen. Antworten scheint das Stück allerdings nicht zu liefern. Zumindest schweigt Gereon Klug dazu. Er ist nicht allzu optimistisch, wie sich Stadt und Kultur auch außerhalb des Theaters entwickeln werden.
    "Es wird vielleicht in der Hafencity eine Subkultur-Ecke eingerichtet, die man gefahrenlos betreten kann. Irgendwann wird auch mal das Hafenbecken abgepumpt, um da mal rumzuspazieren und da werden Fressbuden aufgestellt. Höchstwahrscheinlich Zukunftsmusik, aber die Zukunft wird bald kommen."