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Nach Berichten über Coronavirus
Erneut kritischer Journalist in China verschwunden

Wer in China über die Corona-Epidemie berichtet, lebt gefährlich. Jetzt ist erneut ein Journalist verschwunden: Li Zehua war früher beim Staatsfernsehen, kündigte dann aber, um unabhängig aus der am stärksten betroffenen Stadt Wuhan zu berichten.

Von Axel Dorloff | 03.03.2020
Li Zehua in orangener Jacke, schwarzer Kappe und mit heruntergezogener Atemmaske, in der Hand ein Handy. Er sitzt in einem Raum und spricht in die Kamera.
Die letzten Stunden, bevor Li Zehua verschwand, hat er bei Youtube live gestreamt. ((Screenshot YouTube/Account von Li Zehua))
Li Zehua sitzt am Steuer seines Autos und fährt durch Wuhan. "Ein Auto der Staatssicherheit verfolgt mich", sagt der 25-jährige Journalist aufgebracht, während er sich mit dem Handy selbst filmt. "Ich bin in Wuhan, sie verfolgen mich."
Li Zehua schafft es in seine Wohnung und versendet dort am vergangenen Mittwoch seine bislang letzte Botschaft über den Videokanal Youtube:
"Ich bin weder bereit zu schweigen, noch bin ich bereit, meine Augen und Ohren zu schließen. Warum ich beim Fernsehsender CCTV gekündigt habe? Weil ich hoffe, dass noch mehr junge Menschen, mehr Leute wie ich, sich erheben werden!"
Li hat beim Staatsfernsehen CCTV gearbeitet. Er hat dort von heute auf morgen gekündigt, um als unabhängiger Journalist aus Wuhan zu berichten. Aus der abgeriegelten Stadt, die am meisten vom neuartigen Coronavirus betroffen ist. Und die bis heute einen Großteil der Opfer und Infizierten in China verzeichnet.
Livestream aus dem Krematorium
Vor zwei Wochen hat Li Zehua via Livestream aus einem Krematorium berichtet, in dem Träger gesucht werden, um die vielen Leichen zu transportieren. Eine Woche später hat er aus einer Tiefgarage aus Wuhan berichtet, in der Wanderarbeiter gezwungen werden, zu campieren. Er ist dort hingegangen, wo die chinesischen Staatsmedien nicht sind.
Li Zehua: "Es geht mir nicht darum, aufzubegehren. Es ist doch nicht so, dass wir mit ein paar Worten die Partei in Frage stellen. Ich weiß, dass unser Idealismus bereits im Frühling 1989 zerstört wurde. Wenn wir aber hier nur ruhig herumsitzen, erreichen wir gar nichts. Die Jugend von heute, die nur in sozialen Netzwerken unterwegs ist, weiß gar nicht, was in der Geschichte unseres Landes passiert ist. Die denken, dass was sie jetzt haben, ist das, was sie verdienen."
Repressionen gegen Journalisten haben zugenommen
Li Zehua hat an einer der besten Journalismus-Universitäten in China studiert. Seit fast einer Woche gilt er als verschwunden. Und er ist nicht der erste. Mitte Februar ist der chinesische Video-Blogger Fang Bin von den chinesischen Behörden festgenommen worden, er hatte zuvor mit dem Handy dramatische Szenen vor und in Krankenhäusern in Wuhan gefilmt. Auch der Anwalt und Bürgerjournalist Chen Qiushi hatte aus Wuhan berichtet – und ist verschwunden.
"Wir sind im Moment nicht in der Lage, dorthin zu reisen"
Zwei chinesische Bürgerjournalisten sind verschwunden, nachdem sie aus der Krisenregion Wuhan über das Coronavirus berichtet hatten. Trotzdem seien einige chinesische Medien erstaunlich kritisch, sagte Shanghai-Korrespondent Steffen Wurzel im Dlf. Er selbst könne nur aus zweiter Hand berichten.
Als die Sicherheitsbehörden vergangenen Mittwoch an Li Zehuas Tür klopfen, sendet er noch live – und adressiert dabei die, die ihn abholen.
Gestern hat der Klub der Auslandskorrespondenten in China seinen Jahresbericht veröffentlicht. Darin heißt es, dass das repressive Klima gegenüber Journalisten massiv zugenommen habe. Über 80 Prozent der Auslandskorrespondenten gaben an, im Zuge ihrer Berichterstattung in China im vergangenen Jahr Einmischung, Schikane oder Gewalt erfahren zu haben. Chinesische Journalisten wie Li Zehua verschwinden sogar, wenn sie zu kritisch berichten.