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Nach Verhaftungswelle
Saudi-Arabiens Kronprinz im Kampf gegen Korruption

Am Wochenende waren zahlreiche Minister und Prinzen der königlichen Familie festgenommen worden - wegen Korruptionsverdacht. Geleitet wird die in der Geschichte des Königreichs Saudi-Arabien beispiellose Aktion von Kronprinz Mohammed bin Salman - und das mit großer Zielstrebigkeit.

Von Carsten Kühntopp | 06.11.2017
    Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman im November 2016.
    Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hat erstmals auch vor Hochstehenden nicht Halt gemacht. (picture alliance / AFP / Fayez Nureldine)
    Es war eine "Nacht der langen Messer" auf saudisch: Die Inhaftierten - elf Prinzen, vier Minister und Dutzende ehemalige Kabinettsmitglieder - kamen nicht ins Gefängnis, sondern sie wurden im "Ritz-Carlton" untergebracht, in Riyadh das erste Hotel am Platz, sowie in anderen Luxus-Herbergen. Gleichzeitig erhielten Privatjets ein Startverbot, wohl wegen Verdunkelungsgefahr.
    Wenige Stunden zuvor hatte König Salman seinen Sohn, Kronprinz Mohammed, an die Spitze eines neuen Anti-Korruptions-Komitees gesetzt. Mohammed schlug sofort zu und ordnete die Festnahmen an - sehr zur Freude dieses Mannes in Riad:
    "Die Korruption hätte man längst bekämpfen sollen, denn Korruption behindert die Entwicklung der Gesellschaft."
    Kampf mit religiösem Segen
    Im Internet versuchte ein User, sich die Festnahmen vorzustellen: "Sie haben das Recht zu schweigen, und was Sie aus der Minibar nehmen, kann gegen Sie verwendet werden." Ein anderer fragte sich, ob sich die Männer beim Einchecken im "Ritz-Carlton" wohl um die besten Suiten geprügelt hätten.
    Unverzüglich ließen die obersten Rechtsgelehrten des Landes verlauten, der Kampf gegen Korruption sei eine islamische Pflicht. Sie gaben damit der Aktion des Kronprinzen, die in der Geschichte des Königreichs wohl beispiellos ist, sozusagen ihren religiösen Segen.
    Erstmals werden auch Hochstehende zur Verantwortung gezogen
    Die inoffizielle Liste der Festgenommenen, die kursiert, ist illuster. So wurden unter anderem der Chef eines Baukonzerns inhaftiert, ein ehemaliger Chef des Königshofes, der Ex-Vorstand der staatlichen Airline und der einstige Chef von Saudi Telecom. Alle gehörten einer Kaste an, die im eigenen Bewusstsein und dem der Bevölkerung bisher über dem Recht stand. Das ist vorbei, sagt der saudische Journalist Mansour al-Ameer:
    "Ohne Zweifel dämpfen die Festnahmen den Ärger der normalen Bürger darüber, dass solche Leute nie zur Verantwortung gezogen werden. Aber jetzt zeigt sich, dass das nicht so ist, und davon werden die Bürger und die nationale Entwicklung des Landes profitieren."
    Gleichzeitig entließ der König den Chef der Nationalgarde, Prinz Mutaib, und den Wirtschaftsminister. Bis zum kometenhaften Aufstieg des jetzigen Kronprinzen hatte Mutaib lange als aussichtsreicher Anwärter auf den Thron gegolten.
    Kronprinz bereitet Machtübernahme vor
    Schockwellen dürfte weltweit ausgelöst haben, dass auch Prinz Alwaleed bin Talal festgenommen wurde, der bekannteste Unternehmer des Landes. Seine "Kingdom Holding" investiert weltweit und hält Anteile unter anderem der CitiBank und von Apple und Twitter. Dass Kronprinz Mohammed auch Alwaleed kassiert hat, könnte ausländische Investoren abschrecken - dabei braucht Mohammed gerade sie, um die saudische Wirtschaft aus der Abhängigkeit von Öl und Gas zu befreien.
    Bisher wurde Saudi-Arabien stets im Konsens aller wichtigen Zweige der großen Königsfamilie regiert. Damit hat der Kronprinz nun Schluss gemacht. Mit eiskaltiger Zielstrebigkeit konsolidiert er seine Macht - und bereitet sich auf die Thronbesteigung vor, wenn sein 81 Jahre alter Vater stirbt oder abdankt.