Die Alte Feuerwache, das Jugendzentrum in der Wuppertaler Nordstadt, hat wieder auf. Endlich wieder Radfahren, Toben, Basteln, andere Kinder treffen. Nach den Monaten im Lockdown hat das gefehlt. Und die Kinder aus den umliegenden Wohnstraßen freuen sich über die Anlaufstelle und ihre vertraute kleine Gruppe:
"Ich komme in die Feuerwache, weil wir sind ja eine große Familie. Und zu Hause muss meine Mutter richtig viel arbeiten. Deswegen komme ich nach der Schule immer zur Feuerwache."
"Die ganze Woche komme ich. Was ich am liebsten mag ist, hier zu spielen mit meiner Freundin, was zu basteln."
"Ich finde es hier einfach wie mein zweites Zuhause. Ich fühle mich hier wohl. Ich gehe zur Schule, dann komme ich direkt hierhin. Der Grund ist, weil ich einfach keinen anderen Ort finde. Ich kann jetzt nicht einfach nach Hause gehen. Da verpass' ich sehr viel."
"Meine Familie hatte Stress und hat sehr viel verloren"
Viel verpasst - das gilt für Kinder und Jugendlichen in Deutschland, seit die Corona-Pandemie den Alltag bestimmt. In Wohnvierteln wie der Wuppertaler Nordstadt aber summieren sich die Belastungen noch einmal anders. Früher nannte man diese Quartiere soziale Brennpunkte. Dabei leben hier nicht ausschließlich Familien, die viele Probleme haben. Aber fast immer sind es solche, die rechnen und aufs Geld schauen müssen. Deren Wohnungen zu klein sind und allen zu wenig Spielraum bieten. Kinder, die hier aufwachsen, müssen viel leisten.
"Da waren auch manche Spielplätze so umzingelt. Da konnte man nicht spielen. Da mussten wir jeden Tag zu Hause bleiben. Das war richtig blöd."
"Ich hatte Distanzunterricht. Es hat gar keinen Spaß gemacht. Am Anfang hat es nicht funktioniert, weil mein Display ist kaputt und ich hatte auch manchmal schwierige Aufgaben auf. Und meine Mutter konnte mir zwar helfen, aber nicht immer, weil Sie muss auch arbeiten."
"Zuhause war es sehr anstrengend. Meine Familie hatte Stress und hat sehr viel verloren. Wir sind von einem Haus in eine kleine Wohnung gezogen. Meine Eltern haben sich scheiden lassen. Während des Lockdowns wurde fast alles zerstört."
"Es war teilweise wirklich erschreckend, als sie nach diesem ersten sehr langen Lockdown wieder in die Einrichtung gekommen sind, dass da was passiert ist, was an den Kindern einfach nicht spurlos vorbeigegangen ist", erinnert sich Vincent Utech, wenn er auf die Corona-Zeit und die Wochen zurückschaut, in denen die Alte Feuerwache, für die er als Pädagoge arbeitet, nur einen Bruchteil ihres normalen Angebots machen konnte.
"Eine absolute Konstante, die strukturgebend war, die ist auf einmal weggebrochen. Für viele Kinder ist das hier die einzige warme Mahlzeit, die sie bekommen am Tag. Das wurde dann ganz schnell zum Problem, auch zum finanziellen Problem. Wir haben einige Kinder, die das dann berichtet haben, und da haben wir dann auch Essenspakete dann geschnürt und den Kindern mitgegeben: Nudeln, Obst, Gemüse. Also ganz kapitale Schäden. Und da ist eben auch noch nicht klar, was kommt da noch, vielleicht abseits der öffentlichen Wahrnehmung. Also jetzt gerade steht man vielleicht noch im Fokus. Es gibt ein Corona-Aufholpaket."
Zwei Milliarden Euro für Familien
Zwei Milliarden Euro stellt die Bundesregierung mit dem sogenannten "Aufholpaket für Familien" bereit. Mit den Mitteln sollen Lernrückstände über Nachhilfe aufgeholt werden, sollen Sport, Musik und Freizeitangebote gemacht werden. Als Entschädigung und Ausgleich für Familien ist das gedacht – für die Belastungen in der Corona-Zeit. Anfang Mai wurde das Paket im Kabinett verabschiedet, kurz darauf begann die Umsetzung.
Marja-Liisa Völlers von der SPD-Fraktion sagte im Sommer dazu im Bundestag: "Das Aufholpaket ermöglicht nicht nur Förderangebote für pandemiebedingten ausgefallenen Unterricht, sondern eben auch Unterstützung zur Bekämpfung der psychischen und sozialen Corona-Belastung von unseren Kindern und Jugendlichen."
Diese Belastungen sind gründlich erforscht worden. In der COPSY-Studie aus Hamburg wurden einige tausend Jugendliche befragt. Auswirkungen der Pandemie unter anderem auf Grundschulkinder hat eine Tübinger- und Luxemburger Covid-Kids-Studie untersucht. Dazu kommt die JUCO-Studie aus Hildesheim.
Ein Ergebnis ist allen gemeinsam: Kinder und Jugendliche haben Corona so erlebt, dass ihre Lage und ihre Bedürfnisse in der Pandemie übersehen wurden. Auch für Michael Klundt, Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal, sind die Folgen gravierend:
"Jetzt kürzlich hatte zum Beispiel das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung sich nur die 15-19-Jährigen angeschaut hinsichtlich einer Depressivitätssymptomatik und stellte fest, dass es 477.000 Jugendliche sind. Nur in dieser kleinen Altersgruppe. Nur damit man mal eine Vorstellung davon hat, es hat seinen Grund, weshalb der Sprecher der Kinder- und Jugendpsychiatrien sagt, dass die seit Monaten überlaufen sind und dass sie auch dort schon seit Monaten nach dem Triage-Prinzip arbeiten mussten."
Corona war für viele Familien ein Stresstest
Also eine Auswahl treffen, wer die Therapie am nötigsten hat. Corona war für viele, wahrscheinlich für die meisten Familien ein Stresstest. Aber immer da, wo die finanziellen Mittel begrenzt sind, war der Druck bald unerträglich, sagt Michael Klundt, der in Magdeburg-Stendal die Professur für Kinderpolitik innehat. Corona sieht er als Armutsbeschleuniger. Die Ungleichheit sei größer geworden im Lockdown, denn nicht nur Schulen waren geschlossen, sondern auch Jugendzentren, Tafeln und andere Hilfeangebote.
"Wenn sie jetzt alle diese Einrichtungen schließen und schauen sich ein Kind an oder einen Jugendlichen, die abhängig sind von öffentlichen Einrichtungen von Schwimmbädern von Turnhallen, von Jugendclubs von Kitas und Schulen, die sonst keine Förderung zu Hause haben, dann sieht die Situation schon ganz anders aus und als Kind sind sie ganz schnell isoliert. Und wenn dann auch noch die technische Ausstattung entsprechend nicht da ist. Und das wussten wir ja: Bis 2019 hatten wir ja die Statistiken, dass ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen, die in Hartz-IV-Haushalten lebten, keine Computerausstattung haben."
Ein Besuch bei Anadolu in Wuppertal gleich gegenüber der Alten Feuerwache. Arzu Basaran stellt den türkischen Eltern- und Kulturverein vor: "Anadulu ja, Anadolu ist eine der ältesten Selbstorganisationen, 1978 als Fußballverein gegründet worden. Aber man hat sehr früh gemerkt, man muss in Bildung und Kultur was machen und den Kindern Bildung und Kultur nahebringen."
Für zehn Euro im Monat kann man hier viel bekommen: Musik, eine Theatergruppe, Bücher für die Kinder, Sport für die Frauen. Aber zehn Euro sind für manche auch viel Geld. Der Verein hat das gemerkt, als im Lockdown einige die Mitgliedschaft kündigten. "10 Euro hier, 10 Euro da, viele Eltern müssen rechnen", erklärt Arzu Basaran. Umso willkommener war für diese Familien eine Bargeldleistung aus dem Aufholpaket der Bundesregierung, ein so genannter Kinderfreizeitbonus, der im August überwiesen wurde.
"Alle haben sich hier gefreut, das werde ich nie vergessen, als die auf ihren Kontos die 100 Euro Kinderpauschale dann gesehen haben. Haben gesagt: Oh, das ist toll. Natürlich haben wir hier auch alleinerziehende Mütter zum Beispiel, denen das natürlich unheimlich hilft."
"Finde ich gut! 100 Euro sind 100 Euro. Die Idee finde ich gut", bestätigt Gülcan Göckdemir, 35 Jahre alt, Mutter von drei Kindern, teilzeitbeschäftigt. Den Kinderfreizeitbonus hat sie für ihre Kinder nicht bekommen, hält die Leistung aber für eine Anerkennung für Familien: Denn die Pandemie war anstrengend. Zu Beginn sei alles noch gutgegangen, sagt sie. Die Familie habe das Zusammensein genossen:
"Aber so nach ein paar Wochen hat mir persönlich mein Rhythmus gefehlt. Den Kindern sowieso. Das war dann zu viel. So die 7/24 aufeinander hocken. Das war sehr schwierig, auch für die Kinder. Keine Freunde, kein Sport, keine Beweglichkeit. Die mussten zu Hause so viel lernen, so viele Hausaufgaben machen. Die hatten keinen richtigen Ansprechpartner. Die Lehrer haben sich nicht wirklich drum gekümmert. Bei beiden nicht. Kindergarten war sowieso zu. Die Spielplätze waren ja auch zu. Es war wirklich nicht leicht."
Brauchen die Schulen nicht auch ein Aufholpaket?
Dass Familien dafür einen Ausgleich bekommen sollen, dieser Gedanke gefällt ihr. Doch ein Aufholpaket für Familien – für die junge Mutter stimmt da etwas nicht an diesem Begriff. Müssten nicht vielmehr die Schulen aufholen? Sie hätten mehr tun können. Mustafa Emdat, 41, Vater von drei Kindern, Busfahrer, schließt hier an.
"Auf der Schule für meine Kinder, die sind jetzt beide auf dem Gymnasium, weiterführende Schule, da wurde jetzt verlangt, bevorzugt ein Apple-Tablet zu holen. Damit die bei dem Homeschooling mithalten können. Und das günstigste mit 32 Gigabyte ist schon bei knapp 350 bis 400 Euro. Da haben wir Glück gehabt, dass die Schule uns welche zur Verfügung gestellt haben, bis wir uns neue kaufen konnten. Und da sage ich erstmal: Danke der Schule. Aber wiederum: Da liegt immer noch ein Fehler denke ich vom Staat her. Man sollte den Leuten auch mal die Möglichkeit geben, so was sich leisten zu können. 400 Euro ist eine Menge Geld. Wie gesagt: Ich gehe arbeiten, okay. Aber für Menschen, die nicht arbeiten gehen, wie sollen die das denn machen?"
In solchen Fällen gibt es durchaus Hilfen für Familien. Zum Beispiel den Kinderzuschlag. Im letzten Jahr wurde er 450.000 Familien zusätzlich zum Kindergeld gezahlt. Vereinfachte Bürokratie machte es möglich, dass mehr Familien als zuvor diese Leistung bekommen konnten. Sie hatten damit außerdem die Möglichkeit, das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket zu nutzen, mit dem seit einigen Jahren zum Beispiel Nachhilfe, Turnschuhe oder das warme Mittagessen finanziert werden können.
Neu ist jedoch, dass hier der Weg unbürokratischer wurde und mehr davon profitieren als bisher. Andere Familie dagegen wurden von Leistungen ausgeschlossen, etwa vom 100-Euro-Kinderfreizeitbonus, der mit dem Corona-Aufholpaket gezahlt wurde. Hier hatten manche Familien aus rein formalen Gründen das Nachsehen. Professor Klundt:
"Da haben wir jetzt allerdings das Problem, dass offensichtlich die Kinder von Alleinerziehenden, und das sind in diesem Fall 190.000 Kinder von Alleinerziehenden, diesen Kinderfreizeitbonus, eine einmalige 100-Euro-Abgabe an einkommensschwache Familien, nicht erhalten. Obwohl sie sich in einem so genannten Hartz-IV-Haushalt befinden. Aber die bürokratische Logik sagt: Mit ihren Unterhaltsvorschussleistungen und dem Kindergeld seien sie selbst nicht bedürftig und würden entsprechend auch nicht diesen Kinderfreizeitbonus erhalten. Und das halte ich tatsächlich für einen Skandal. Finde auch, dass müsste schnellstens korrigiert werden."
Hürden beim Ausfüllen von Formularen sind zu hoch
Die Bundestags-Fraktion Die Linke hatte diesen Vorgang mit einer kleinen Anfrage an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Sommer öffentlich gemacht. Dahinter steht ein bekanntes Problem: Regelmäßig sind die bürokratischen Hürden bei Hilfen und Sozialleistungen hoch gesetzt. Oft zu hoch, sagen Kritiker. Ohne Mittler, die beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen helfen, geht es vielfach nicht. Das weiß auch Arzu Basaran vom Eltern- und Kulturverein Anadolu:
"Manche kommen mit ihren Zetteln, können Sie mir behilflich sein. Heute habe ich sogar eins gemacht für Nachhilfe. Da bat der Vater mich darum und dann habe ich gesagt, sie müssen jetzt gehen und der Schule Bescheid sagen, weil die Schule muss das auch ausfüllen. Manche wissen das nicht. Die Schule schickt das zum Jobcenter und dann kriegt man ja erst die Genehmigung oder die Absage."
"Da sollte der Staat die Menschen besser informieren. Wir werden über alles informiert, nur über solche Sachen nicht, wenn es um unsere Kinder geht. Da denke ich, da läuft irgendwas falsch", ergänzt Mustafa Emdat.
Auch er wäre, als er Hilfen für seine Kinder erhalten wollte, fast schon am Antrag gescheitert. Sein Lohn als Busfahrer läge über dem Durchschnitt, hieß es in der Ablehnung. Doch er blieb hartnäckig und bekam am Ende ein paar Monate lang, was seiner Familie zusteht: die hilfreichen Mittel für seine drei sportbegeisterten Kinder.
"Da kommt eine ganze Menge zusammen. Und da ich Alleinverdiener bin… wie soll ich das jetzt erzählen? Als Alleinverdiener, verdient man jetzt nicht die Welt. Und man ist dann über jede Hilfe, die man kriegt, dankbar."
Gefordert sind politische Lösungen gegen die Armut in Familien
Geht es nicht einfacher? Unbürokratischer? Familienfreundlicher? Eine breite Koalition von Sozialhilfeverbänden und Kinderschutz-Organisationen bringt aktuell Vorschläge dazu in die öffentliche Debatte ein. Gefordert sind politische Lösungen gegen die Armut in Familien – Lösungen, die auch denen helfen, deren Arbeitseinkommen einfach nicht für eine ganze Familie ausreicht.
"Die Wahrheit ist ja, dass über die Hälfte der betroffenen Kinder bei erwerbstätigen Eltern lebt. Deswegen müssen wir da unseren Blick und unsere Haltung ändern", sagt Heinz Hilgers, der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes. Er will raus aus dem Antragswirrwarr um Einzelleistungen für Familien und schlägt vor, dass alle Hilfen aus einer Hand und in bar an die Familien direkt ausgezahlt werden.
"Wir bringen den Familien, auch wenn sie in finanzieller Armut leben, erstmal Vertrauen und Wertschätzung entgegen. Das heißt man kann ihnen wirklich Geld anvertrauen und sicher sein, dass das zu 99,x Prozent komplett für die Kinder verwendet wird. Wir haben umfangreiche Untersuchungen, die umfangreichste dazu ist vom Zentralinstitut der europäischen Wirtschaft und weist nach, dass wenn man Eltern mehr Geld gibt, sich die Ausgaben für Bildung und Teilhabe genau um den Betrag erhöhen."
Das Bündnis rund um Hilgers Kinderschutzbund vertritt das Konzept einer sogenannten Kindergrundsicherung in Höhe von aktuell 695 Euro pro Kind. Nach dem Modell: der volle Satz für Familien in denen der Bedarf groß ist, und weniger Geld für die, die mehr zur Verfügung haben. Aber, betont auch Heinz Hilgers, Bargeld allein löse die Probleme benachteiligter Familien nicht:
"Da brauchen wir eine vernünftige Infrastruktur für Kinder und Jugendliche in unserem Land. Und an dieser Infrastruktur ist die letzten Jahrzehnte massiv gespart worden. Es sind Einrichtungen abgebaut worden. Es ist Personal gekürzt worden, weil die Städte, die die meisten Kinder in Armut haben, gleichzeitig die finanziell ärmsten Städte sind."
Ein Gesamtkonzept gegen Kinderarmut steht weiterhin aus
Das Aufholpaket für Familien nach Corona kann diese Entwicklung nicht heilen. Es wird trotzdem beim Neuanfang nach der Pandemie helfen. Immerhin zwei Milliarden Euro stehen da für Einzelprojekte und zusätzliche Angebote bereit. Anadolu, die Alte Feuerwache und viele weitere Träger der Jugendhilfe, Kitas und Kulturvereine werden es nutzen. Auch Vincent Utech vom Team der Alten Feuerwache schreibt aktuell Projektanträge, die zur Ausschreibung passen:
"Ja, ich habe mich dran gemacht Anträge zu schreiben, da geht es um Ferienangebote, Workshops, um den Kindern was Schönes zu bieten, die zu entlasten. Aber wir brauchen vor allen Dingen grundsätzlich Mittel, strukturelle Förderung, die uns einfach den Alltag erleichtert. Die Wartelisten sind lang, die Bedarfe sind da. Die Kinder fragen das teilweise sogar selber an."
Von einer strukturellen Förderung aber, also von dauerhafter, verlässlicher Finanzierung der Träger, die wie die Alte Feuerwache Familien täglich entlasten, sind die öffentlichen Haushalte weit entfernt. Sozialpolitik-Experte Michael Klundt verweist auf den Investitionsstau in Schulen, der allein schon auf 44 Milliarden Euro beziffert wird. So die Zahlen der Kreditanstalt für Wiederaufbau. zehn Milliarden für Kitas und 50 Milliarden notwendiger Investitionen in Hochschulen kämen noch oben drauf:
"Und wenn wir dann das vergleichen mit dem, was da jetzt vorgeschlagen wurde, einem Aufholpaket von insgesamt zwei Milliarden – dann merkt man: Ein Gesamtkonzept zur Wiederherstellung der Kinderrechte der Kinderrechtskonvention und auch ein Konzept gegen Kinderarmut steht auf jeden Fall weiterhin aus."
Bisher stehen vor allem die Kinder im Fokus der Aufmerksamkeit, wenn es um die Coronafolgen geht. Dabei sind auch die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu kurz gekommen - und hier wieder besonders die, bei denen die Mittel in den Herkunftsfamilien knapp sind. Davon hat Sarah Schulten auf ihrem Blog berichtet.
"Ich finde, dass es eine Armut ist, die man eben nicht sieht. Ganz viele Jugendliche, die betroffen sind, denen kann man das eben nicht ansehen, wie das ist, wenn man nicht die Chancen hat, alles zu machen, worauf man so Lust hat. Das erfährt man, wenn man mit den Jugendlichen ins Gespräch kommt."
Chancenungleichheit von Kindern und Jugendlichen
Sarah Schulten ist im Juniorbeirat von Unicef aktiv, einem Gremium, das mitdenkt und mitdiskutiert – zum Beispiel im Mai, als Unicef einen Lagebericht zu den Corona-Folgen in benachteiligten Familien vorlegte. Sarah Schulten hat die Ergebnisse in ihrem eigenen Umfeld überprüft:
"Ich habe selber auch mit vielen Jugendlichen gesprochen, bei denen ich nicht erwartet hätte, dass sie Probleme hatten in ihrer Freizeitgestaltung. Aber ich habe tatsächlich von einigen engen Freunden auch erfahren, dass sie nicht genug Geld hatten, nicht die finanziellen Mittel. Ist ja auch nicht was, womit man jetzt gerne hausieren gehen möchte. Aber im engen Umfeld kommt das häufiger vor als man das denkt."
Für die 20-Jährige ist es die Kernaufgabe der künftigen Bundesregierung: entschiedene Schritte gegen die Armut in vielen Familien auf den Weg zu bringen. Aber das wichtigste für Sarah Schulten ist, dass die Gesellschaft genauer auf die Chancenungleichheit schaut, die Kinder und Jugendliche erleben:
"Besonders in der Zeit hat man jetzt noch mehr gemerkt, wie wichtig es ist, sich zu engagieren und eben dafür einzusetzen, dass alle diese Chancengleichheit haben und man gegen diese Chancenungleichheit kämpft, denn jetzt haben wir es alle am eigenen Leib erlebt, wie das ist, wenn man nichts selber gestalten kann und ich finde das ganz wichtig, wenn jetzt die ganzen Privilegien wiederkommen, dass die sich eben auch für die einsetzen, bei denen das normalerweise eben nicht so ist."
Heinz Hilgers vom Kinderschutzbund unterstützt diesen Gedanken. Er fordert Geld für ein Förderprogramm für Bildung und Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen im Land:
"Dieses reiche Land muss da investieren. Und wenn bestimmte Städte so verarmt sind, dass das nicht geht – auch manche Bundesländer – dann muss der Bund hier ausgleichen. Der Bund ist auch dafür zuständig, er ist zuständig nach der Verfassung für gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland. Die haben wir nicht mehr, bei weitem nicht."
Das steht nun im Auftragsbuch der kommenden Koalition. In ihren Vorstellungen, etwa zur Kindergrundsicherung, liegen SPD und Grüne recht nah beieinander. Die Freien Demokraten favorisieren ein etwas anders gestricktes Kinderchancengeld. Die jetzt anstehenden Gespräche zwischen den drei Parteien werden zeigen, in welche Richtung es gehen wird.