
"Ich denke schon, dass es natürlich eine Mehrheit für einen Waffenstillstand gibt, einfach damit das Töten und die ganzen Menschenrechtsverletzungen aufhören," sagte Andreas Umland von der Nationalen Universität Kiew im DLF-Interview. Es gebe jeden Tag Meldungen über Verletzte, neue Gefangene, Tote. Die Frage sei, was diese Waffenruhe bedeute.
Das Interview in voller Länge mit Andreas Umland:
Peter Kapern: Herr Umland, ist der Sieben-Punkte-Plan wirklich eine Chance für Frieden in der Ukraine?
Andreas Umland: Nun, vielleicht für einen Frieden. Wir haben ja auch Frieden auf der Krim. Nur die Krim gehört eben nicht mehr zur Ukraine, sondern die hat sich jetzt Russland einverleibt. Insofern könnte das hier ein ähnlicher Plan einfach für die Ostukraine sein. Es ist ja nicht so, dass Putin Krieg will, sondern er will sozusagen einen Sieg für sich verbuchen können und Einfluss auf die Ukraine ausüben, und das könnte eben auch auf friedliche Art und Weise passieren. Das wäre ihm sicherlich lieber.
Kapern: Das heißt, Sie entdecken in diesem Sieben-Punkte-Plan nicht so etwas wie die Absichten Moskaus, das Land zu spalten, sondern das Land schon beieinander zu halten, aber in einer prekären Balance?
Umland: Ja, in gewisser Hinsicht natürlich auch zu spalten, so einen quasi abgespaltenen Teil unter Kontrolle zu behalten. Aber es geht letztlich, glaube ich, nicht so sehr um die Ostukraine, als um den Einfluss auf die gesamte Ukraine, und da ist der Donbass, das Donezk-Becken eher ein Instrument als das Endziel.
Kapern: Warum glauben Sie, zeigt Präsident Petro Poroschenko so viel Sympathie für diesen Plan, wenn er sich dann doch als vergiftetes Geschenk erweisen sollte, wie Sie ja offenbar vermuten?
Umland: Nun, es ist jetzt so, dass Russland in den letzten Tagen signalisiert hat, dass es auch bereit ist, reguläre Truppen einzusetzen, und natürlich in einem regulären Krieg zwischen der Ukraine und Russland hätte die Ukraine keine Chance. Die russische militärische Überlegenheit ist erdrückend. Andererseits ist es für Putin auch nicht so einfach, diesen Krieg zu führen, weil der sehr unpopulär wäre, oder auch unpopulär schon ist in Russland, und deswegen sind im Grunde beide Seiten aus verschiedenen Gründen an einer Waffenruhe interessiert. Die Frage wird sein, was am Ende dabei herauskommt. Wenn es einfach nur eine neue Sezession ist, eine neue Abspaltung, ein neuer Kontrollverlust und Souveränitätsverlust für die Ukraine, dann ist das sicher nicht akzeptabel.
Kapern: Ist es genau das, was Ministerpräsident Jazenjuk vermutet, und ist das der Grund, warum er diesem Moskauer Plan eigentlich keine Chance geben will und ihn ablehnt?
Umland: Na ja, dieser Plan beinhaltet eben nicht die wichtigsten Punkte. Das ist der Abzug der russischen Truppen und die Einstellung der russischen Unterstützung für die Separatisten, der materiellen Unterstützung vor allen Dingen, und die Kontrolle der Grenze zwischen der Ukraine und Russland, und wenn das nicht geregelt ist, dann kann Russland jederzeit den Konflikt wieder hochdrehen oder runterdrehen, wie es das möchte, und das würde dann bedeuten, dass auch die Festland-Ukraine jetzt nicht mehr unter vollständiger Kontrolle Kiews bleiben würde.
Kapern: Aber was besagt das über den Zustand der politischen Führung der Ukraine, wenn die beiden führenden Leute dieses Landes, Poroschenko und Jazenjuk, in dieser so essenziellen Frage so unterschiedlicher Ansichten sind?
Umland: Nun, ideologisch unterscheiden sich die beiden ja kaum, und mir ist auch bisher nicht bekannt, dass es Konflikte gibt zwischen den beiden. Vielleicht gibt es die, aber die sind zumindest bisher, soweit mir bekannt, nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Es ist einfach tatsächlich auch eine zwiespältige Situation. Diese Spaltung geht auch durch die ganze Gesellschaft hier und man weiß auch nicht, wie man darauf reagieren soll. Es wandelt sich ja auch quasi die Situation jeden Tag und es gibt dann Dementis und Rückrufe und auch einfach Zweifel daran, was nun eigentlich gesagt worden ist und was wahr und was Dichtung ist.
Kapern: Herr Umland, die Menschen in der Ukraine, die haben ja in letzter Zeit durchaus auch Unmut über ihre politische und militärische Führung geäußert, weil es eben nicht gelungen ist, die Separatisten zu besiegen. Was denken Sie, wäre die Mehrheit jetzt für einen solchen Waffenstillstand, wie er sich aus diesem Sieben-Punkte-Plan möglicherweise ableiten ließe?
Umland: Ich denke schon, dass es natürlich eine Mehrheit für einen Waffenstillstand gibt, einfach damit das Töten und die ganzen Menschenrechtsverletzungen aufhören. Die gibt es ja hier jeden Tag. Es gibt jeden Tag Meldungen über Verletzte, neue Gefangene, Tote und so weiter. Daran haben sicherlich alle ein Interesse. Die Frage ist, was diese Waffenruhe bedeutet. Was die Krim betraf, da gab es ja keine größeren militärischen Auseinandersetzungen. Nur diese Abwesenheit der militärischen Auseinandersetzung hat dann einfach die Abspaltung der Krim bedeutet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.



