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Natur und Umwelt
Artenreiches Grünland - ein zerstörter Landschaftstyp

Sie liefern nicht nur gutes Futter für die Landwirtschaft, sondern sind auch wichtig für den Arten- und Klimaschutz: Weiden und Wiesen - sogenanntes Grünland. Doch seit den 1990er-Jahren sind viele dieser Gründlandflächen in Deutschland zerstört worden. Schuld ist unter anderem die EU-Agrarpolitik.

Von Stefan Michel | 16.01.2019
    Ein Schäfer steht mit seinen Schafen auf einer nebeligen Wiese.
    Auch die EU-Agrarpolitik macht es Schäfern schwer, wertvolles Grünland zu nutzen und damit zu erhalten (Unsplash / Antonello Falcon)
    Zwischen Attendorn und Lennestadt im Sauerland: eine typische Grünland-Gegend. Hier wird viel Milchvieh gehalten. Weiden und Wiesen prägen das Landschaftsbild. Aber es gibt auch Maisäcker. Mais nicht als Nahrungsmittel, nicht als Kraftfutter fürs Vieh, sondern als Kraftstoff für die Biogasanlage. Die liefert Strom für 120 Haushalte und Wärme für benachbarte Häuser und Höfe. 2010 ging die Anlage ans Netz.
    Geschäftsführerin Lisa Sternberg: "Die Grundvoraussetzungen haben sich seitdem sehr geändert. Und die Anlage so, wie sie damals gebaut wurde, würde man heute nicht noch mal bauen. Die Einspeisevergütung hat sich verändert. Zusätzlich gibt es noch weitere gesetzliche Änderungen durch zum Beispiel die Düngemittelverordnung. Und aus dem Grund würde man das heutzutage nicht mehr so bauen."
    Zwölf Prozent Grünland verloren gegangen
    Von 1990 bis 2012 ist in Deutschland zwölf Prozent des Grünlandes verloren gegangen. Manfred Klein vom Bundesamt für Naturschutz: "Zu der Zeit ist sicher die Förderung von erneuerbaren Energien, Biogasanlagen, eine wichtige Ursache gewesen, um Grünland in Ackerflächen zum Anbau von Energiepflanzen umzubrechen. Dieser Trend ist auch mit den Änderungen des Energiegesetzes gestoppt worden. Allerdings nicht gestoppt ist der qualitative Rückgang des Grünlandes in Deutschland."
    Seit 2012 schrumpft die Grünlandfläche zwar nicht mehr weiter. Aber für den Artenschutz bedeutet das noch lange keine Trendwende. Christine Tölle-Nolting vom Naturschutzbund: "Es gehen immer noch Arten verloren. Und das, was man früher als mittel-nährstoffreiches Grünland kannte und was eigentlich ein relativ häufiger Grünland-Typ war, der ist auch in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Es wird Dünger aufgebracht. Dadurch können nur noch einige Pflanzen, die an hohen Nährstoffbedarf angepasst sind, überleben. Und das Grünland wird deutlich häufiger gemäht. Und diese intensiven Schnitte, wenn das fünf, sechs Schnitte sind pro Fläche, sind auch ein Problem."
    Verfehlt Agrapolitik aus Brüssel
    Fast ein Drittel der Direktzahlungen aus Brüssel bekommen die Bauern heute als sogenannte Greening-Prämie, dafür, dass sie Grünland mindestens fünf Jahre lang nicht umbrechen. Allerdings erreicht Grünland nicht nach fünf, sondern erst nach einhundert Jahren seine volle Kapazität als Kohlenstoffspeicher. Und: Als Grünland werden auch Flächen gefördert, die mit einer natürlichen Wiese nun gar nichts zu tun haben, Flächen mit Intensivanbau von Futtermitteln wie Turbogras, Klee und Luzernen.
    Andererseits, so Manfred Klein: "Vieles, was wertvolles Grünland ist, fällt nicht unter die Förderfähigkeit der EU-Agrarpolitik und ist insofern schwierig, gerade für Weidetierhalter, für Schäfer, in Nutzung zu halten." Fazit: Um das Artensterben zu stoppen, sei ein viel radikaleres Umdenken in der Agrarpolitik nötig, dürfe es Agrarhilfen nur noch für wirklich naturnahes, wenig oder gar nicht gedüngtes Grünland geben.
    Umdenken hat begonnen
    Ein Umdenken habe bei den Bauern längst begonnen, denen die Biogasanlage in Lennestadt gehört, versichert deren Geschäftsführerin Sternberg: "Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, den Mais weitestgehend zu ersetzen durch Mist und Grünland, und zwar davon vor allem Restprodukte, also Produkte, die von den landwirtschaftlichen Betrieben nicht mehr gebraucht werden." Und so ist es durchaus möglich, dass im Sauerland auf den Maisäckern von heute bald wieder Gras wächst.