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Netflix
Spielfilme und Serien bis zum Abwinken

Weltweit zahlen schon 48 Millionen Menschen Geld für ein Abo des Video-on-Demand-Anbieters Netflix. Publikumsmagnet sind eindeutig Serien: Von "Breaking Bad" und "House of Cards" ziehen sich viele Zuschauer gleich mehrere Folgen hintereinander rein. Bald startet Netflix auch im klassischen Free-TV-Land Deutschland: Ohne Nachrichten, ohne Sport und ohne Pornos.

Von Henning Hübert | 06.09.2014
    Ein Computerbildschirm zeigt die Webseite des US-Streamingdienstes Netflix am 24. Juli 2012
    Die Webseite des US-Streamingdienstes Netflix am 24. Juli 2012 (dpa / picture alliance / Justin Lane)
    Bitte keine genauen Preise ausplaudern, bitte auch keine Zitate wiedergeben - der Europabeauftragte von Netflix macht beim informellen Treffen in einem Café ein Geheimnis aus dem bevorstehenden Start des Internet-Bezahlsenders. Erst am 16. September will die Firma in Berlin Details zum Programmstart in Deutschland bekannt geben. Dabei haben findige Internetnutzer schon eine Seite im Netz entdeckt, auf der die Monatspreise für Deutschland stehen. Je nach Qualität und Anzahl der Streams wird das Abo zwischen 8 und 12 Euro kosten.
    "Das wird in der Breite nicht funktionieren"
    Einiges wird dann in als VoD- Video on Demand - abrufbar sein, vieles auch ins Deutsche übersetzt sein. Denn: Amerikanische Serien nur mit deutschen Untertiteln anbieten - das wird in der Breite nicht funktionieren, prophezeit Michael Loeb. Er ist der Geschäftsführer der WDR media group, einer für Vermarktungen zuständigen Tochterfirma der ARD-Anstalt. Michael Loeb gehört zu der Fraktion der Programmanbieter, die jetzt sagen, dass sie sich grundsätzlich auf Netflix freuen. Irgendwann traut er der neuen Firma auch die Marktführerschaft zu.
    "Das ist mehr Wettbewerb. Das wird auch den VoD-Markt sicherlich beflügeln. Es ist lustig zu sehen, wie das teilweise in der Presse völlig überbewertet wird und dann von anderen Marktteilnehmern teilweise völlig runtergespielt wird. Fakt ist: Es gibt keinen Marketmaker. Und Netflix wird zwar nicht sofort der Marketmaker werden. Aber sie haben alle Voraussetzungen dafür. Sie haben genug Geld, sie haben genug Erfahrungen, und sie haben in Amerika schon gezeigt, wie es geht."
    Filme sind jederzeit abrufbar
    Ist das, was da kommt, noch Fernsehen? Netflix sagt ja, sieht sich selber als Fernsehkanal. Allerdings ohne Aktualität, ohne Nachrichten, ohne Sport, ohne Wetter, auch ohne Pornos. Dafür aber mit Spielfilmen und Serien bis zum Abwinken. Teils sind sie exklusiv produziert - und der Zuschauer kann sie jederzeit abrufen und muss nicht mehr wie beim linearen Fernsehen auf einen Ausstrahlungstermin warten. Zugpferde sind die Eigenproduktionen wie "House of Cards". Der Star in dieser Polit-Serie, US-Schauspieler Kevin Spacey, bricht denn auch eine Lanze für die neue Art fernzusehen:
    "Das Publikum will die Kontrolle. Es will die Entscheidungsfreiheit. Gebt den Leuten, was sie wollen. Ist der Preis angemessenen, zahlen sie auch lieber dafür, statt es zu stehlen. Ob du nun einen Film in deinem Fernseher, im Kino oder auf dem iPad siehst - das Gerät ist doch egal, die Dauer auch. Solche Zuschreibungen sind unnütz. Alles ist Inhalt. Es sind Geschichten. Und das Publikum hat sich entschieden: Es will Storys. Sie ihm zu geben, das ist alles, was wir zu tun haben."
    Til-Schweiger-Filme und die Serie Stromberg
    Zum Deutschlandstart wird Netflix - das ist schon durchgesickert - zum Beispiel etliche Til-Schweiger-Filme, die Serie Stromberg und Die Sendung mit der Maus anbieten. Den Tatort bekommt der neue Streaming-Dienst aber laut Michael Loeb dieses Jahr noch nicht:
    "Netflix, genauso wie alle anderen VoD-Portale, können den Tatort theoretisch auch bekommen. Wir müssen nur erst noch ein Konzept realisieren. Wir müssen das mit der ARD abstimmen. Da geht es drum, die Wiederholungen in den Dritten nicht zu beeinträchtigen. Und die Ausstrahlungen in der ARD nicht zu beeinträchtigen - auch da laufen ja Wiederholungen. Wenn das abgestimmt und realisiert ist, dann werden wir selbstverständlich dann auch Tatorte Netflix und den anderen schon existierenden VoD-Portalen anbieten."
    Gerne würden ARD und ZDF laut Loeb auch selber ihre Inhalte, die in der Regel nach sieben Tagen aus den Mediatheken verschwinden, vermarkten. Doch dagegen hatte das Bundeskartellamt sein Veto eingelegt. Netflix trifft jedoch schon auf andere kommerzielle Anbieter von Video-Streaming-Diensten in Deutschland: Etwa auf Maxdome und Watchever. Einige haben vor dem Netflix-Start ihre Preise teils drastisch gesenkt: Bei circa 4 Euro im Monat geht es schon los - wie bei Snap von Sky oder Prime von Amazon. Ob da so schnell die angepeilten zwei Millionen Neukunden auf dem deutschen Internetmarkt zusammen kommen, ist die große Frage. Und auch, wann Netflix das Wagnis eingeht, auch eigene deutsche Serien zu produzieren.