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Aufgeben ist keine Option

In den USA kennt sie jeder: die streitbare Richterin Ruth Bader Ginsburg. Ihr ist die Filmbiografie "Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit" gewidmet. Vom Leben als Schwarzer in den USA handelt das Drama "Beale Street". Im Superheldenabenteuer "Captain Marvel" gibt es einen Neuzugang im Comicuniversum.

Von Jörg Albrecht | 06.03.2019
Szene aus dem Kinofilm "If Beale Street Could Talk" von Barry Jenkins, Darsteller sind KiKi Layne und Stephan James
KiKi Layne und Stephan James in dem Kinofilm "Beale Street" (imago/Prod.DB)
"Wann ich aufgebe – das bestimme ich." ´Aufgeben` gehört eigentlich nicht zum Wortschatz von Ruth Bader Ginsburg. Über die erst zweite Frau in der Geschichte des Obersten Gerichtshofs der USA kam vor drei Monaten der hervorragende Dokumentarfilm "RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit" auch in die deutschen Kinos. Ihr Namenskürzel ziert sogar T-Shirts. "The Notorious R.B.G." ist auf ihnen zu lesen. Berühmt-berüchtigt ist die Juristin seit nunmehr 60 Jahren.
Eine Anekdote aus ihrer Studienzeit in Harvard, wo sie Mitte der 1950er-Jahre eine von nur neun Studentinnen war, findet sich sowohl im Dokumentarfilm als auch jetzt im Spielfilm. Bei einem Empfang wollte der Dekan von jeder der Frauen wissen "wer Sie sind und wieso Sie einen Studienplatz besetzen, der traditionell an einen Mann gehen würde." - "Mein Ehemann Marty studiert hier im zweiten Jahr. Ich will in Harvard etwas über seine Arbeit erfahren. So kann ich ihm eine verständnisvollere Ehefrau sein."
Eine viel zu glatte Hommage
Was im Film aussieht wie das selbstbewusst-freche Auftreten eines Erstsemesters, war in Wirklichkeit gar keine Spitze gegen den Dekan, sondern eine durchaus ernstgemeinte Antwort. Der ironische Tonfall, mit dem Ginsburg-Darstellerin Felicity Jones diese Szene jetzt ausschmückt, passt aber natürlich viel besser zum Bild einer unbeugsamen Heldin und ihrem Kampf für Gleichberechtigung.
"Gesetz 214 des Steuerrechts geht davon aus, dass eine Pflegeperson eine Frau sein muss. Das ist sexuelle Diskriminierung gegenüber einem Mann." - "Der arme Kerl." - "Würde ein Bundesgericht entscheiden, dass dieses Gesetz gegen die Verfassung verstößt, könnte es zum Präzedenzfall werden, auf den man sich in Zukunft beziehen wird."
Immer wieder – vor allem in der ersten Hälfte des Films – erinnert die Protagonistin mehr an eine Frauenfigur aus einem Hollywood-Melodram der 1950er-Jahre als an einen echten Menschen. Die von Regisseurin Mimi Leder inszenierte Filmbiografie ist zwar unterhaltsam, aber auch eine viel zu glatte Hommage an die juristische Pionierin. Der Dokumentarfilm bietet da mehr, ist facettenreicher. Außerdem zeigt er die originale R.B.G.. Und die ist einfach eine Wucht.
"Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit": akzeptabel
"Wir bekommen ein Baby. Mach Dir keine Sorgen!" - "Weiß es mein Vater? Deine Familie?" - "Noch nicht. Aber mach Dir keinen Kopf!" Die Freude über den Nachwuchs wird weniger getrübt von der Sorge, wie die Eltern von Tish und Fonny auf die Nachricht reagieren werden, als vielmehr von dem Umstand, dass der werdende Vater unschuldig im Gefängnis sitzt. Fonny soll eine Frau vergewaltigt haben. Seine Chancen, nicht verurteilt zu werden, sind gering, denn er hat die falsche Hautfarbe.
Als Schwarzer in den USA der 1970er-Jahre ist man zwar schon lange kein Sklave mehr, doch das weiße Amerika hat andere Wege gefunden, Menschen afroamerikanischer Herkunft zu diskriminieren. Fonnys bester Freund hat diese Erfahrung bereits machen müssen. "Da drin können sie mit Dir machen, was sie wollen. Im Knast habe ich verstanden, was Malcolm X und die anderen meinten: Der weiße Mann muss der Teufel sein."
Beklemmende Aktualität
Genauso steht es auch in der Vorlage des Films, dem Roman "Beale Street Blues" von James Baldwin. Barry Jenkins hat ihn kongenial verfilmt. Baldwin benutzt die Beale Street in New Orleans als Metapher für das Leben der schwarzen Bevölkerung in den USA. Ein Stoff, der von beklemmender Aktualität ist. Das Besondere: Die Geschichte von Tish und Fonny und ihrer Familien, die nicht müde werden, für die Gerechtigkeit zu kämpfen, ist kein wütendes Pamphlet. Es ist vor allem die Geschichte einer Liebe, für die der Film eindringliche, oft poetische Bilder findet. Sie setzen einen scharfen Kontrast zur rauen Wirklichkeit und lassen in Baldwin wie in Jenkins den Romantiker erkennen. Und ein wenig auch den Optimisten.
"Beale Street": herausragend
"Also, Du bist nicht von hier?" Ja und nein. Denn die blonde Amazone ist zwar aus dem Weltall auf die Erde gestürzt, wird aber von Erinnerungen heimgesucht, die auf eine menschliche Vergangenheit schließen lassen. Wer als Kinobesucher die seit einer Dekade grassierende Superheldeninvasion erfolgreich ignoriert, der wird auch Neuzugang Captain Marvel die kalte Schulter zeigen. Allein die Platzierung eines weiblichen Helden im Zentrum eines Marvel-Abenteuers wird daran auch nichts ändern.
Alter Wein in neuen Schläuchen
"Beweise, dass Du kein Skrull bist" - "Das war ein Photonenstrahl." - "Und?" -"Ein Skrull kann so etwas nicht." Womöglich aber ist es doch eine kleine Sensation, wenn im gesamten Film überhaupt kein Aufheben darum gemacht wird, dass Captain Marvel eine Frau ist. Ansonsten ist auch diese Comicverfilmung nur alter Wein in neuen Schläuchen, der das große "Avengers"-Finale in gut einem Monat einläuten soll.
"Captain Marvel": akzeptabel