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Zurück in den Dschungel

Mehr als 27 Millionen Kinobesucher hatte Disneys Zeichentrickfilm "Das Dschungelbuch" seit seiner Premiere im Dezember 1968 allein in Deutschland verzeichnen können: der erfolgreichste Film der letzten 50 Jahre in Deutschland. Jetzt gibt es eine Neuverfilmung des Zeichentrickklassikers. Außerdem starten diese Woche "Wild" von Nicolette Krebitz sowie "A War" von Tobias Lindholm in den Kinos.

Von Jörg Albrecht | 13.04.2016
    Mowgli (gespielt von Neel Sethi) und Bagheera aus dem Film "The Jungle Book"
    Mowgli (gespielt von Neel Sethi) und Bagheera aus dem Film "The Jungle Book" (2015 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved)
    "A War" von Tobias Lindholm
    "Los! Lars hat es erwischt."
    "Wo ist er?"
    "Er liegt beim Brunnen."
    In Sekundenbruchteilen Befehle erteilen, die über Leben und Tod bestimmen: Für Claus Pedersen, Kommandant einer dänischen Einheit in Afghanistan, gehört das mit zu seinem Job. Als Pedersen für seine Männer, die in einen Hinterhalt der Taliban geraten sind, Unterstützung aus der Luft anfordert, ahnt er jedoch nicht, dass er sich für diese Entscheidung vor einem Gericht zu verantworten hat. Bei der Rettungsaktion werden elf Zivilisten getötet, darunter acht Kinder. Pedersen wird suspendiert und in seiner dänischen Heimat angeklagt, ein Kriegsverbrechen begangen zu haben.
    "Wer hat Ihnen gesagt, wo der Feind ist?"
    "Ich weiß es nicht."
    "Das wissen Sie auch nicht mehr?"
    "Nein, das weiß ich nicht mehr. Wir standen unter schwerem Beschuss."
    "Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun." Die Aussage von Molière veranschaulicht das Dilemma, in dem der Kommandant stellvertretend für viele Soldaten steckt, die für ihr Land in den Krieg gegen den Terror gezogen sind. Pedersens moralischer Konflikt wird im Film "A War" von Tobias Lindholm noch dadurch verstärkt, dass er eine Frau und drei Kinder hat.
    "Claus, wir brauchen dich hier. Und zwar hier bei uns. Deine Kinder brauchen dich."
    "Ich habe den Angriff befohlen. Es war meine Entscheidung."
    "Kann ja sein, dass du acht Kinder umgebracht hast, aber hier hast du drei Kinder, die leben."
    Nachdem sich schon diverse Filme mit den posttraumatischen Belastungsstörungen von Soldaten befasst haben, richtet "A War" den Blick auf das Problem der Verantwortung des Einzelnen bei Militäreinsätzen. Regisseur Lindholm inszeniert dabei bewusst nüchtern, grenzt sich somit ganz klar und wohltuend vom Hollywood-Pathos jüngerer Kriegsfilme wie "American Sniper" und "Lone Survivor" ab. Ein wichtiger, gesellschaftspolitisch relevanter Film.
    "A War": empfehlenswert
    "Wild" von Nicolette Krebitz
    "Ich habe einen Wolf gesehen im Park. Keine Ahnung, wie der dahin gekommen ist."
    Nur ihrem Großvater, der im Sterben liegt, erzählt Ania von ihrer ungewöhnlichen Begegnung. Der Wolf, den die von Lilith Stangenberg gespielte junge Frau entdeckt hat, will ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ania wird zur Jägerin. Sie wird das wilde Tier fangen und in ihre Wohnung schleppen, wo sie es einsperrt.
    "Wie schlau du bist! Guck mal, da ist ein Hühnerei. Also ich esse Eier ohne Schale. Ich esse sie gerührt oder als Spiegelei."
    Von nun an ist es ausschließlich ihr neuer Mitbewohner, auf den Ania fokussiert ist. Damit sie sich dem Tier annähern kann, wird sie - genau wie ihre Wohnung - immer mehr verwildern.
    Häufig sind es die unverhofften Begegnungen, die das Leben eines Menschen komplett aus den Angeln heben. "Wild" von Regisseurin Nicolette Krebitz erzählt von solch einer Begegnung. Dabei ist Ania weder Rotkäppchen noch der Wolf als Metapher zu begreifen - zumindest nicht nur. Er ist ganz real und löst in der jungen Frau den Wunsch nach Befreiung aus der Zivilisation und einem trost- bzw. ziellosen Leben aus. In dem Tier glaubt sie einen Seelenverwandten zu erkennen, einen Verbündeten.
    Man kann diesen Film, der von seiner inneren Spannung lebt, seltsam finden und verstörend. Die Entschlossenheit aber, mit der Nicolette Krebitz ihre Charakterstudie inszeniert hat, muss man bewundern.
    "Wild": akzeptabel
    "The Jungle Book" von Jon Favreau
    "Der Junge hat Recht. Vielleicht braucht er jetzt ein neues Volk. Ich habe ihn zu euch gebracht, und nun bringe ich ihn dahin zurück, wohin er gehört."
    "Das werde ich nicht zulassen. Er ist mein Junges."
    "Wir wussten, dieser Tag wird kommen."
    "Wir sind die einzige Familie, die er je hatte."
    "Raksha!"
    Nicht nur ein einziger Wolf, sondern gleich ein ganzes Rudel hat sich um den Menschenjungen Mogli gekümmert. Das Findelkind, das im indischen Dschungel aufwächst, sieht sich gezwungen, sein Zuhause zu verlassen, nachdem der Tiger Shir Khan eine unmissverständliche Drohung ausgesprochen hat.
    "Kaum verlagert man sein Jagdrevier einige Jahre, vergessen alle, wie das Gesetz lautet. Ich helfe euch auf die Sprünge: Ein Menschenjunges wird zum Menschen. Und Menschen sind verboten."
    Schon die ersten Minuten des Remakes machen eines deutlich: Geprägt ist das "neue Dschungelbuch" kaum noch von den launigen Momenten, die das Original ausgezeichnet haben. Die Niedlichkeit des farbenfrohen Zeichentricks gehört der Vergangenheit an. Hier wird stattdessen in fotorealistischen Bilderwelten die Odyssee eines kleinen Jungen geschildert. Das ist zum einen tricktechnisch beeindruckend - auch wenn es zwangsläufig etwas vom Charme des "alten Films" einbüßt und absolut nichts für kleine Kinder ist. Zum anderen aber versteht es der Film auch, auf spielerische Weise die zeitlosen und hochaktuellen Botschaften von Integration und Toleranz zu vermitteln.
    "The Jungle Book": empfehlenswert