Archiv

Neuer Arbeitgeber-Präsident Dulger
"Wir müssen ständig steigenden Sozialkosten entschlossen entgegentreten"

Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände will verhindern, dass steigende Arbeitskosten den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächen. „Die Welt beneidet uns, wie wir durch die Krise kommen“, sagte der Präsident Rainer Dulger im Dlf. Steigende Belastungen dürften die Wirtschaft nicht abwürgen.

Rainer Dulger im Gespräch mit Stefan Heinlein |
Rainer Dulger, Gesamtmetall-Präsident, steht nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) im Atrium seines neuen Dienstsitzes
"Es geht darum, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland nach dieser Coronakrise stark bleibt und wir diesen Wohlstand in unserem Land halten können, den wir uns in den letzten Jahren erarbeitet haben", sagte Rainer Dulger im Dl (picture alliance/Wolfgang Kumm/dpa)
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, kurz BDA, ist ein Spitzenverband der deutschen Wirtschaft. Er vertritt die Arbeitgeberseite von zirka 70 Prozent der Beschäftigten der privaten gewerblichen Wirtschaft und ist eine wichtige Stimme im Berliner Lobby-Konzert - Klaus Murmann, Dieter Hundt und Ingo Kramer waren Stammgäste in Ministerien und Abgeordnetenbüros. Seit gestern hat die BDA einen neuen Präsidenten: Rainer Dulger, Unternehmer aus Heidelberg und bislang Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall will sich besonders dafür einsetzen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken, um auch nach der Coronakrise wettbewerbsfähig zu bleiben.
Leere Tische und Stühle stehen vor einem Restaurant im Nikolaiviertel in Berlin
DEHOGA: "Unternehmen brauchen eine Überlebensperspektive"
Hilfen während des Lockdowns seien für die Branche wichtig, sagte Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin beim Hotel- und Gaststättenverband, im Dlf. Eine Öffnung zwischen den Feiertagen lohne sich nicht. Das Geld müsse deshalb zeitnah fließen.
Rainer Dulger: Die Wahl zum Arbeitgeberpräsidenten hat mich natürlich wahnsinnig gefreut und ist für mich eine große Ehre, und ich freue mich wirklich auf diese besonders herausfordernde Aufgabe.Was ich möchte, ist anpacken und gestalten. Und ich möchte vor allem, dass wir in Berlin stark auftreten. Wir sind der einzige Spitzenverband in Deutschland, der die gesamte Wirtschaft vertritt, Industrie, Handel, Handwerk, Dienstleistungen, Chemie bis hin zur Landwirtschaft, und diese Breite, die sich auch durch die kleinen, mittleren und großen Unternehmen zieht, das ist unsere Stärke im politischen Berlin. Das ist mein Ziel, weil wenn wir geschlossen auftreten, dann hat diese Stimme in Berlin großes Gewicht.
"Wichtig, dass man für Ein- und Ansichten sorgt"
Stefan Heinlein: Stark einbringen in Berlin, sagen Sie, Herr Dulger. Auf welchen Kanälen folgt denn die Abstimmung mit der Politik? Wie müssen sich das unsere Hörerinnen und Hörer vorstellen? Sie haben gestern nach Ihrer Wahl Diskretion angekündigt. Das klingt nach Hinterzimmer.
Dulger: Ganz im Gegenteil. Wir arbeiten sehr transparent. Es geht aber um Kommunikation. Es geht um An- und Einsichten. Unsere Welten sind verschieden. Ich bin ein Mann der Industrie, ich komme aus der Wirtschaft. Die Abgeordneten und Parlamentarier haben eine andere Welt. Diese Welten sind verschieden und es ist jetzt ganz wichtig, dass man für Ein- und Ansichten beim anderen sorgt, Gespräche führt, dass die Welt des anderen eben nicht mehr so fremd ist, dass man Brücken baut. Das ist meine Aufgabe und da geht es um Interessenvertretung und die Kommunikation, leider im Moment sehr viel per Video-Chat und per Telefon, aber ein persönliches Gespräch und das Reichen einer Hand ist in diesem Geschäft etwas ganz Wichtiges und das werde ich tun. Da freue ich mich drauf.
"Steigende Lohnnebenkosten belasten den Standort"
Heinlein: Welten zusammenbringen, Hände reichen, Herr Dulger, wie interpretieren Sie denn die Rolle des BDA auf der politischen Bühne? Ist das ein reiner Lobby-Verband im Interesse der Arbeitgeber, oder spüren Sie eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung?
Dulger: Es geht ums große Ganze. Es geht darum, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland auch in Zukunft, vor allem nach dieser Coronakrise stark bleibt und wir diesen Wohlstand in unserem Land halten können, den wir uns in den letzten Jahren erarbeitet haben.
Was mich beschäftigt sind ständig steigende Sozialkosten. Wir müssen dem entschlossen entgegentreten, weil die Lohnnebenkosten, das was wir in unsere Sozialkassen hineinbezahlen, das belastet den Standort, erschafft uns aber auch diese fantastischen Umgebungsbedingungen, die wir haben. Die ganze Welt beneidet uns darum, wie wir gerade durch die Coronakrise kommen. Die Zahlen zeigen das. Wir haben vieles gekonnt und dass das so bleibt, müssen wir darauf achten, dass wir die Lohnnebenkosten zum Beispiel bei 40 Prozent deckeln, damit die Arbeitskosten in Deutschland nicht ins Unendliche steigen und wir nicht mehr wettbewerbsfähig sein können. Das ist der Kern unserer Aufgabe. Da führen wir Gespräche und da wollen wir auch etwas erreichen, und dem stehen auch Reformen gegenüber, die wir mutig und entschlossen anpacken müssen.
"Gedanken über das Deutschland nach Corona machen"
Heinlein: Stichwort Corona, Sie haben es gerade angesprochen. Sie haben in Ihrer Rede gestern erklärt, es gebe für die Wirtschaft noch viel Gesprächsstoff mit der Bundesregierung bei der Bewältigung der Pandemie. Was brennt Ihnen denn da auf der Seele?
Dulger: Gesprächsstoff gibt es zum einen mal darüber, dass je schneller die Wirtschaft in ihrer gesamten Breite wieder zum Normalbetrieb zurückkehren kann, desto besser ist dies natürlich für die ersehnte wirtschaftliche Erholung, die wir alle suchen und alle brauchen. Es muss aber auch klar sein, dass es auch eine Zeit nach Corona geben wird, und wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wird das Deutschland nach Corona aussehen, was werden wir brauchen. Der Strukturwandel, in dem wir uns befanden – ich erinnere an Elektrifizierung des Straßenverkehrs, Dekarbonisierung, Digitalisierung -, das sind ja Themen, die haben uns vor dieser Krise beschäftigt, und die werden uns auch nach dieser Krise beschäftigen. Da müssen wir jetzt die richtigen Weichen stellen und darüber müssen wir Gespräche führen.
"Brauchen schnelles Wieder-in-Gang-Kommen der Wirtschaft"
Heinlein: Seit heute Nacht wissen wir, Herr Dulger: 180 Millionen Euro neue Schulden müssen aufgenommen werden im Bundeshaushalt. Wie schwer lastet diese Summe auf den Schultern der Wirtschaft?
Dulger: Eines ist klar: Wenn diese Krise vorüber ist, muss die Wirtschaft so schnell wie möglich wieder ins Laufen kommen. Gut florierende Unternehmen, eine gut laufende Wirtschaft füllt auch die Sozialkassen wieder, die im Moment sehr beansprucht wurden, und das ist das Ziel. Dafür brauchen wir aber für die Wirtschaft ein Belastungsmoratorium. Das werden wir umso notwendiger brauchen, weil uns, die Unternehmen und die Kassen, diese Krise stark belastet hat, und dafür werden wir in Berlin Gespräche führen und ich glaube, dass wir da auch auf einem guten Weg sind.
Heinlein: Ein Belastungsmoratorium – verstehe ich das richtig? Weniger Steuern für die Unternehmen?
Dulger: Auf keinen Fall mehr Steuern. Eines ist klar: Wenn man jetzt Steuern, Kosten und Belastungen nach der Krise für die ohnehin schon schwer belasteten Unternehmen erhöht, dann würgen wir die Wirtschaft ab, und wir brauchen genau das Gegenteil. Wir brauchen ein schnelles Wieder-in-Gang-Kommen der Wirtschaft, dass in den Betrieben wieder voll gearbeitet wird und wir hoffentlich so schnell wie möglich wieder in ein normales Leben zurückfinden.
"Wieder in normales Wirtschaften kommen"
Heinlein: Sie sind ja zuständig als BDA-Präsident nicht nur für die großen Konzerne, Metall et cetera wie früher, sondern auch die kleinen Unternehmen. Sind die besonders gefordert oder ist der Staat hier besonders gefordert, diesen wieder auf die Beine zu helfen nach der Krise oder während dieser Krise jetzt?
Dulger: Ich glaube, diese Regierung und nicht nur Bund, sondern auch die Landesregierungen haben hier viel gekonnt. Es sind sehr gute Förderprogramme aufgesetzt worden, um hier die gröbste Not zu lindern. Natürlich gibt es im Detail immer noch Verbesserungsbedarf, aber im großen Ganzen haben wir im Vergleich auch mit anderen Ländern hier viel gekonnt. Aber irgendwann muss diese Unterstützung und Förderung der Wirtschaft auch wieder zu einem Ende kommen und wir müssen wieder in normales Wirtschaften finden, und ich hoffe natürlich, dass die Wirksamkeit von Impfstoffen möglichst bald greift und dass wir möglichst schon im kommenden Sommer wieder in ein einigermaßen normales Leben zurückfinden können.
Tische und Stühle vor einem geschlossenen Restaurant in Berlin Prenzlauer Berg. Seit dem 2. November müssen alle gastronomischen Einrichtungen zur Bekämpfung der Carona-Pandemie geschlossen bleiben. Lediglich Lieferservice und Außer-Haus-Verkauf sind noch erlaubt. 
Was die Soforthilfen zum Überleben taugen
Firmen im Teil-Lockdown sollen für den November Finanzhilfen bekommen. Aber vielen Unternehmen geht es nicht erst seit diesem Monat schlecht. Mit welcher Unterstützung konnten sie bisher rechnen – und was hat es gebracht?
Heinlein: Sie haben jetzt mehrfach in unserem Gespräch, aber auch gestern in Ihrer Rede gute Noten verteilt für die Corona-Politik der Bundesregierung. Ihr Vorgänger, Ingo Kramer, wenn ich ihn richtig im Ohr habe, war da deutlich kritischer. Er hat der Bundesregierung, Bund und Ländern ein fehlendes Augenmaß bei den Corona-Beschränkungen attestiert. Er sprach von zu viel Aktionismus der Politik ohne sachliche Begründung. Er sei erschrocken über die Einschränkungen von gesetzlich garantierten Freiheitsrechten im Privaten. War er kritischer als Sie?
Dulger: Das würde ich so nicht sagen. Wir sprechen über eine andere Zeit. Es geht bei den Aufgaben des BDA-Präsidenten immer ums große Ganze und unsere Kernthemen sind und bleiben Eigenverantwortung, Chancengleichheit, Wettbewerb und unternehmerische Freiheit. Umso mehr der Staat in diese Grundwerte eingreift, umso unwohler fühlen sich die Unternehmer in diesem Land, und das ist auch das, was mein Vorgänger immer wieder betont hat und worauf wir auch nach wie vor großen Wert legen.
Heinlein: Inhaltlich sind Sie auf einer Linie in Sachen Corona mit Ihrem Vorgänger Ingo Kramer?
Dulger: Ja, auf jeden Fall.
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
"Die Regierung hat bei den Maßnahmen jegliche Unterstützung von uns"
Heinlein: Die Kanzlerin hat vor Wochen die Bundesbürger auf einen harten Winter eingestimmt. Es kommen vier harte Monate. Rechnen Sie auch damit, vor dem Frühjahr wird es auch für die Wirtschaft, für die Arbeitgeber keine echte Erholung geben?
Dulger: Die Politik hat unsere volle Unterstützung, wenn es um die konsequente Umsetzung der Hygienevorschriften in den Betrieben und Unternehmen geht, aber auch, was das Thema Flexibilität angeht, zum Beispiel das ganze Thema mobiles Arbeiten. Eines ist klar: Wenn die Bevölkerung erkrankt, dann wird auch in den Betrieben nicht mehr gearbeitet, und wenn in den Betrieben nicht mehr gearbeitet wird, fließt kein Geld mehr in die Sozialkassen, es fließen keine Steuergelder mehr und dann kommt hier vieles zum Erliegen. Das müssen wir verhindern und es ist klar, dass die Regierung bei diesen Maßnahmen jegliche Unterstützung von uns hat. Dass es in den Familien und dass das für unser tägliches Leben unangenehm ist, dass sich jeder ein möglichst schnelles Ende dieser Beschränkungen wünscht, das tragen wir alle tief in uns, ich auch. Aber ich glaube, dass wir diese Notwendigkeiten brauchen, um hier gemeinsam gut durch die Krise zu kommen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.