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Neuer Suezkanal
"Al-Sisi will Stolz entfachen"

Die ägyptische Regierung verbinde mit der Erweiterung des Suezkanals Arbeit und Aufschwung, sagte CDU-Politikerin Karin Maag im DLF. Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi erhoffe sich von dem Projekt starke Impulse für die ägyptische Wirtschaft. Doch seine Prognosen scheinen zu optimistisch zu sein.

Karin Maag im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 08.08.2015
    Präsident Sisi an Bord der historischen Yacht El-Mahrusa.
    Präsident al-Sisi fährt an Bord der historischen Yacht "El-Mahrusa" Teile des erweiterten Suezkanals ab. (dpa / picture alliance / Ägyptisches Präsidialamt)
    Jürgen Zurheide: In Ägypten ist in dieser Woche die zweite Fahrrinne des Suezkanals eingeweiht worden - das ist natürlich ein wichtiges Datum für das Land, für die nationale Identität, die nationale Einheit auf der einen Seite, und natürlich das alles verbunden mit Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung. Und das in einem Land, wie man so sagen könnte, zwischen Aufschwung und Autokratie, das ist ein wichtiges Signal. Genau darüber wollen wir reden, und kurz vor der Sendung habe ich darüber gesprochen mit Karin Maag, der Vorsitzenden der deutsch-ägyptischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Zunächst einmal, guten Morgen, Frau Maag!
    Karin Maag: Guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Frau Maag, erst einmal, ich hab's gesagt, die Regierung verbindet ganz große Hoffnungen mit diesem Projekt - ökonomische, aber auch andere. Sind diese Hoffnungen berechtigt?
    Maag: Das ist ein ganz schwieriges Thema. Die Regierung verbindet damit natürlich Arbeit und Aufschwung - das sind die ganz zentralen Ziele - und der Staatspräsident al-Sisi will natürlich die Wirtschaft mit Großprojekten wieder in Schwung bringen. Und was dahintersteht, ist natürlich, dass er Stolz entfachen will, Nationalstolz entfachen will, um auch Ägypten wieder zu einigen. Wenn man stolz ist auf seinen Staat, dann steht man auch dahinter. Und ob er die Ziele erreicht? Ich höre jetzt aus Ägypten, dass also zumindest jetzt die Feierlichkeiten in dieser Woche, da hat er's geschafft, dass die Ägypter stolz waren, stolz auf ihren Staat und auf den Präsidenten, und damit hat er schon viel erreicht.
    Zurheide: Dann schichten wir das mal ab: Also der Stolz ist da, aber wenn ich aus Ihren Worten auch eine gewisse Skepsis raushöre, hat die vermutlich damit zu tun, dass manche von außen sagen, na ja, ob die wirtschaftlichen Hoffnungen, die er damit verbindet, ob die realistisch sind, das kann man noch bezweifeln. Jetzt gibt es ja zwei Richtungen: Das eine ist die Frage, wie viele Schiffe fahren wirklich dadurch und wieviel an Gebühren kassiert man, das zweite sind die möglichen Investitionen, die auch in Sonderwirtschaftszonen sind. Vielleicht schichten wir das ab. Sind die Zahlen über die Schiffe - gut, wir wissen es alle nicht, was vermuten Sie oder was wissen Sie?
    Maag: Er will die Zahlen verdoppeln, sodass täglich knapp hundert Schiffe da durchfahren. Mit der zweiten Rinne hofft er auf den Begegnungsverkehr und dass einfach mehr Durchsatz da ist, und eine der Haupteinnahmequellen sind ja diese Kanalgebühren, die direkt in den Staatshaushalt fließen. Und damit, wenn sich diese Zahlen bestätigen, dann kann er natürlich schon auf hohe Einnahmen hoffen und dann funktioniert sein Projekt. Was man vielleicht vorher noch abschichten muss: Die Mittel für den Ausbau hat das ägyptische Volk aufgebracht. So wie ich gehört habe, sind es rund acht Milliarden Dollar, und das sind alles Anteilsscheine gewesen, die sehr, sehr schnell gezeichnet wurden, und da muss er natürlich vorher auch mal an die Rückzahlung denken.
    Hohe Inflation
    Zurheide: Wobei, ich hab gerade mal nachgeguckt, ich hab's auch gelesen, 12,5 Prozent Zinsen kriegen die Menschen, die es auch zum Teil in kleinen Anteilen zeichnen konnten, die Inflation ist aber ungefähr genauso hoch. Das ist, glaube ich, ein Teil des Problems.
    Maag: Ja, das ist ein Teil des Problems. Wie er das dann realisieren will und ob er das dann strecken kann, weiß ich nicht. Aber jedenfalls, die Idee, die dahintersteckt, ist natürlich erst mal, ich brauche mehr Einnahmen, und mit der Kanalgesellschaft, die da mehr erwirtschaften kann, und mit dem Ausbau des Suezkanals und letztendlich mit dem Ausbau von Hafenanlagen und so weiter kommen mehr Devisen rein, kann ich mehr erwirtschaften, das ist ja nicht falsch, die Überlegung.
    Zurheide: Und zumindest haben sie es hingekriegt, das selbst zu finanzieren, anders als bei der Gründung des Suezkanals. Bei der ersten Eröffnung, da war das ausländisches Kapital und hat ja zu Schwierigkeiten geführt.
    Maag: Schwierigkeiten ist gut.
    Zurheide: Genau, das Wort ist untertrieben, das hat zu Kolonisation und so weiter geführt. Jedenfalls, die wirtschaftlichen Hoffnungen, dass er möglicherweise auch über Sonderwirtschaftszonen rings um den Kanal Projekte vorantreibt, eben die von Ihnen beschrieben Großprojekte, welche Hoffnungen haben Sie oder wie berechtigt sind die Hoffnungen, dass das funktionieren kann?
    "Wie es dem Staat geht, kann man nicht abschätzen"
    Maag: Also ganz ehrlich, ich wünsche ihm das, dass es funktioniert. Die Hoffnung: gespalten. Auf der einen Seite kämpft er. Kann man ja gar nicht abschätzen, wie es dem Staat geht. Wo ich als Parlamentarier normal drauf gucke, nämlich auf den Staatshaushalt, den gibt es ja so nicht. Es gibt kein Parlament, das einen Haushalt beschließen kann, deswegen weiß ich auch nicht, woher das Geld kommt, dass er erwirtschaften will, also die Investitionen zunächst einmal.
    Zurheide: Ich glaube, niemand weiß das genau, wie hoch überhaupt der Staatsanteil ist, was das Militär macht.
    Maag: Was das Militär da reinbringt - wir wissen es nicht. Und deswegen ist jetzt all das, was ich sage, schon ein bisschen sehr spekulativ. Ich traue es ihm zu, wenn er das Volk so eint, dass er da auch die Zeit dafür erkauft für solche Projekte, dass das Volk auch hinter ihm steht, wenn es in den ersten drei, vier Jahren nicht ganz funktioniert.
    Zurheide: Es gibt ja immer so den Grundkonflikt, das sind so Überschriften, die ich auch bei den Kollegen finde: Ägypten zwischen Aufschwung und Autokratie. Das ist ja sozusagen das Gegengeschäft. Wenn das funktioniert, wird eine Autokratie gefestigt. Wie sieht man das als westlicher Parlamentarier?
    Maag: Natürlich wird da eine Autokratie gefestigt, und wenn's funktioniert, dann hat das Militär, das ja ein großer Wirtschaftsfaktor ist in diesem Land, noch mehr Einfluss, und insofern, das ist natürlich die eine Sicht der Dinge. Auf der anderen Seite - und ich bin da auch immer zweigeteilt - der Westen, Deutschland, hat ein Interesse an einem stabilen Ägypten. Also nach dem, was in diesem Teil der Welt passiert - jetzt reden wir von Kriegen, jetzt reden wir von Terror und von IS -, haben wir natürlich auch ein großes Interesse daran, dass dieser Staat zur Ruhe kommt und dass da erst mal ein Aufschwung stattfindet. Mit dem Aufschwung, mit mehr Arbeit wird natürlich auch zur Beruhigung beigetragen in Ägypten. Und das andere, also wir reden natürlich auch über Menschenrechte - das eine kann man gegen das andere nicht aufwiegen - wir reden jetzt im ersten Ansatz nur darüber, dass es auch unser Interesse ist, dass der Staat stabil wird.
    Zurheide: Nur wenn man dann fragt, Sie in Ihrer Parlamentariergruppe, wenn Sie dann mit ägyptischen Kollegen und Kolleginnen reden können, wie offen sind die für diese Hinweise auf Menschenrechte, oder sagen die, lass uns das erst mal hier wirtschaftlich stabilisieren, dann kommt das eine und dann das andere? Wie laufen solche Gespräche ab?
    Maag: Wir reden natürlich viel mit Nichtregierungsorganisationen, die schon vehement darauf hinweisen, was alles schiefläuft, dass also das Thema Meinungsfreiheit sehr weit in den Hintergrund getreten ist, dass nach wie vor ohne Verurteilung in den Gefängnissen Menschen warten. Das Thema, wer kommt in die Gefängnisse, mit welchen Delikten komme ich ins Gefängnis, das ist sehr unübersichtlich - vorsichtig ausgedrückt. Und ich rede natürlich auch mit dem ägyptischen Botschafter in Deutschland durchaus regelmäßig, der dann natürlich auf seine Verfassung verweist, die durchaus fortschrittlich ist. Also nehmen Sie das Thema Frauenrechte, die sind in der ägyptischen Verfassung sehr prominent geregelt. Und was uns fehlt, ist natürlich das Leben dieser Verfassung, dass sich die Behörden, dass sich die Polizei, dass sich das Militär, der Staat danach richtet. Das sind Dinge, die im Moment nicht zusammenpassen, die nicht zusammenfinden.
    Zurheide: Das war das Interview mit Karin Maag von der CDU und der Vorsitzenden der deutsch-ägyptischen Parlamentariergruppe im Deutschlandfunk.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.