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Neuer VW-Aufsichtsratschef
Ist Pötsch wirklich sauber?

Er ist ein langjähriger Vertrauter beider VW-Familien: Porsche und Piech, die beiden Hauptaktionäre des Unternehmens waren es vor allem, die Hans-Dieter Pötsch zum Chef des Aufsichtsrats machen wollten. Heikel an der Personalie: Ob er von den Abgas-Manipulationen wirklich nichts gewusst hat, scheint fraglich.

Von Alexander Budde |
    Hans Dieter Pötsch, Vorstandsmitglied der Volkswagen AG, Geschäftsbereich Finanzen und Cotrolling, soll neuer Aufsichtsratsvorsitzender von Volkswagen werden.
    Hans Dieter Pötsch wird neuer Aufsichtsratsvorsitzender von Volkswagen (Jochen Lübke)
    Nahtlos und ohne Beschluss der Hauptversammlung wird der bisherige Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch auf den Sessel des Chefkontrolleurs wechseln. Am Vormittag hatte das Amtsgericht Braunschweig Pötsch zum Mitglied des Aufsichtsrates bestellt, um den Weg für die Personalie zu ebnen. Auf einer Pressekonferenz in Wolfsburg versprach Pötsch die restlose Aufklärung des Diesel-Skandals. Um wieder Fahrt aufzunehmen, müsse VW überdies schlanker und schneller werden.
    "Dieser Konzern braucht aber auch Veränderungen, bei Strukturen, in den Entscheidungsprozessen und in der Zusammenarbeit! Darin sind sich alle Beteiligten einig."
    Die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden war seit dem unrühmlichen Abgang des Ex-Patriarchen Ferdinand Piëch vakant. Zum langjährigen Winterkorn-Vertrauten Pötsch habe es keine wirkliche Alternative gegeben, argumentieren Befürworter der Personalie wie Ulrich Hocker, Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW):
    "Er hat bisher eine weiße Weste und ist ein tiefer Kenner des Konzerns, sodass ich bei allen Bauchschmerzen, die man aus corporate governance Gründen haben kann, ihn für den geeigneten Kandidaten in dieser außerordentlichen Situation halte."
    Unter Aktionären und auch in Konzernkreisen ist die Personalie aber hoch umstritten. Die Zweifel drehen sich dabei weniger um die Art der Ernennung als vielmehr um die Frage, welche Rolle Pötsch bei der Entscheidung des Konzerns gespielt hat, die Öffentlichkeit nicht schon am 3. September über die Manipulationen zu informieren. Damals nämlich hatte VW gegenüber der US-Umweltbehörde EPA schon die millionenfache Täuschung eingeräumt. Die Aktionäre aber wurden erst Wochen später in einer "Erklärung" informiert.
    Müller: Nach Rückruf und Umbau werden die Autos die Abgasnorm erfüllen
    Daniel Bauer, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sieht Pötsch als verantwortlichen Finanzvorstand belastet, weil der Konzern die Öffentlichkeit viel zu spät informiert habe.
    "Da kann auch der Vorstand eventuell als Ganzes, oder auch einzelne Personen aus dem Vorstand in den Fokus der Ermittlungen rücken. Das ist nicht auszuschließen, und daher ist es natürlich kritisch, wenn derjenige, der auch Mitglied des Vorstands war in der Vergangenheit, nun als Aufsichtsratsvorsitzender diese Ermittlungen, diese Aufarbeitung federführend mit koordinieren und leiten soll."
    Bis zum Abend muss VW dem Kraftfahrtbundesamt mitteilen, wie die 2,8 Millionen in Deutschland betroffenen Autos so umgerüstet werden sollen, dass sie künftig die Abgasnorm einhalten.
    Der Rückruf wird erst 2016 starten und sich dann wohl länger hinziehen, sagte der neue Konzernchef Mathias Müller in einem Interview mit der FAZ. Bei den meisten Fahrzeugen könne ein Software-Update Abhilfe schaffen, bei anderen müssten auch Motoren überarbeitet werden. Die zurückgestellten 6,5 Milliarden Euro, so Müller, dürften die Kosten decken.
    Nach Rückruf und Umbau werden die Autos die Abgasnorm erfüllen, so lautet das Versprechen. Doch wie ist es dann um Leistung und Verbrauch bestellt? VW hat bislang offengelassen, ob das Unternehmen Kulanzregelung und - je nachdem, wie hoch deren Schaden ausfällt - für die restliche Nutzungsdauer einen Ausgleich treffen wird.
    Im Windschatten der Krise geht VW nun ein überfälliges Projekt an, das schon lange beschlossen ist: Im Zuge eines groß angelegten Konzernumbaus sollen Entscheidungswege verkürzt werden, sollen die Marken und Regionen auch mehr Verantwortung tragen. Vor allem bei den drei Volumenmarken VW, Skoda und Seat sollen mithilfe des Baukastensystems Modelle gemeinsam konstruiert werden, um Kosten bei Einkauf und Entwicklung zu sparen.