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Neues Fußball-Spielerbündnis
Rassismus, Diskriminierung und Mobbing offen ansprechen

Ein neues Fußball-Spielerbündnis will künftig den Akteuren auf dem Rasen mehr Mitspracherecht ermöglichen. Das Bündnis hat bislang mehr als 70 Mitglieder aus den beiden Bundesligen, der 3. Liga und der Frauen-Bundesliga und will Themen wie Rassismus, Diskriminierung und Mobbing offen ansprechen und dagegen vorgehen.

Von Maximillian Rieger und Arne Lichtenberg |
Das Foto zeigt den Fußballer Marcus Thuram von Borussia Mönchengladbach. Er kniet nach einem Treffer und setzt damit ein Zeichen gegen Rassismus.
Gladbach-Profi Marcus Thuram protestiert gegen Polizeigewalt. Die Stimme der Fußball-Profis soll in Zukunft mehr Gehör finden. (dpa-Bildfunk / AP / Martin Meissner)
Die jüngsten Beispiele aus der Fußball-Bundesliga waren ein Zeugnis dafür, dass manche Profi-Fußballer nicht nur Fußball spielen, sondern durchaus auch eine eigene Meinung haben. Zuerst war der Schalker Weston McKennie Ende Mai mit einer Armbinde mit der Aufschrift "Justice for George" (Gerechtigkeit für George) im Spiel gegen Werder Bremen aufgelaufen. Der US-Profi hatte seine Solidarität mit dem in Minneapolis im Zuge eines Polizei-Einsatz getöteten Afroamerikaners George Floyd zum Ausdruck gebracht.
Ihm folgten Jadon Sancho und Achraf Hakimi von Borussia Dortmund, die beim Torjubel die nächstbeste TV-Kamera suchten und ihr gelbes Shirt unter ihrem Trikot präsentierten. Auch darauf war zu lesen: "Justice for George Floyd".

Und auch Mönchengladbach-Stürmer Marcus Thuram zeigte nach seinem Tor gegen Union Berlin seine Verbundenheit mit Floyd. Nach seinem Treffer kniete sich der Franzose für ein paar Sekunden hin. Diese Geste hat der frühere NFL-Profi Colin Kaepernick berühmt gemacht, als er 2016 begann, während der Nationalhymne vor Spielbeginn zu knien, um auf Rassismus in den USA hinzuweisen.

Diese Meinung soll jetzt besser gebündelt werden, damit die Fußballerinnen und Fußballer bei zukünftigen Entscheidungen von Klubs und Verbänden stärker einbezogen werden. Am Donnerstag berichtete der "Kicker" über die neue Interessenvertretung, der unter anderen Ex-Weltmeister Mats Hummels von Borussia Dortmund, Sven Bender von Bayer Leverkusen, Neven Subotic von Union Berlin, Nils Petersen vom SC Freiburg und Alexandra Popp vom VfL Wolfsburg angehören.

"Ich finde es wichtig, dass Spieler eine Stimme bekommen - und zwar über die 1. Bundesliga hinaus", sagte Hummels dem "Kicker". "Wir wurden zuletzt oft übergangen, umso nötiger ist es, dass wir künftig unsere Stimme aktiv einbringen." Das Netzwerk will demnach noch in dieser Woche an die Öffentlichkeit gehen.
Eine Collage der Aktionen gegen Rassismus der Bundesliga-Spieler Jadon Sancho (Borussia Dortmund), Weston McKennie (Schalke) und Marcus Thuram (Borussia Mönchengladbach).
Die Bundesligaspieler Jadon Sancho (rechts), Weston McKennie (oben) und Marcus Thuram protestieren gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA. (imago images / Poolfoto)
"Die Zeit ist jetzt reif für Verbesserungen"
Insgesamt sollen schon rund 70 Spielerinnen und Spieler teil des Bündnisses sein, von der 1. Bundesliga bis zur 3. Liga und der Frauen-Bundesliga. Zwar gibt es schon eine Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV), die aber kümmert sich hauptsächlich um die Belange von Spielern in den unteren Ligen.
Ein so großes Bündnis von Profis hat es bisher noch nicht gegeben. Die führenden Köpfe des Bündnisses seien "größtenteils gestandene VDV-Mitglieder und im Austausch mit uns", sagte VDV-Vizepräsident Carsten Ramelow: "Wichtig ist aber jetzt, dass wir den Schwung mitnehmen und sich möglichst alle Spieler in der VDV vereinigen. Denn die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen ganz klar, dass ein solcher Prozess nur erfolgreich sein kann, wenn er in geordneten Bahnen durch die Spielergewerkschaft durchgeführt wird. Die Zeit ist jetzt reif für Verbesserungen. Diese Chance sollten wir gemeinsam nutzen."

Auslöser für die Gründung jetzt war offensichtlich auch der Umgang mit den Spielern in der Coronakrise. Zweitligaspieler Sören Gonther von Erzgebirge Aue sagte: "Wenn es eine Taskforce Fußball gibt, muss an diesem Tisch ein Spieler sitzen. Und wenn man über ein Hygienekonzept redet, müssen Spieler dazu befragt werden. Das darf nicht über unsere Köpfe hinweg entschieden werden."
Ganz allgemein will sich das Netzwerk für Mitbestimmung und Meinungsfreiheit einsetzen, für Transparenz und Solidarität. Konkreter werden im "Kicker" drei Bereiche genannt: Die Spieler wollen sich gegen Beleidigungen im Stadion, gegen Rassismus oder Homophobie einsetzen. Generell sollen Spielerinnen und Spielern dazu ermutigt werden, auch Positionen zu vertreten, die in den Stadien noch als Schwäche ausgelegt wird.
Mehr Mitspracherecht bei Gehaltsfragen
Weiterhin will sich das Bündnis dafür stark machen, dass die Gesundheitsrisiken von den Profis ernst genommen werden. Und die Profis wollen mehr Mitspracherecht bei der Frage, was mit dem Gehalt passiert, auf das sie im Moment verzichten. So hatte Bayern-Stürmer Thomas Müller vor kurzem erst kritisiert, dass der Gehaltsverzicht dazu genutzt werde, neue, teure Spieler zu verpflichten. Das Bündnis schlägt stattdessen vor, dass nur ein Teil bei den Vereinen bleibt und auch gesellschaftliche Zwecke und die unteren Ligen von dem Geld profitieren sollten.

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) teilte auf Anfrage mit, bereits mit dem Bündnis in Kontakt zu stehen. "Der Austausch kann für beide Seiten wertvoll sein - unter Beachtung der Tatsache, dass die Spieler der Bundesliga und 2. Bundesliga bei den 36 Profiklubs angestellt sind, welche als Mitglieder in ihrer Gesamtheit die DFL bilden", hieß es von der Dachorganisation.
Neven Subotic beim Bundesliga-Spiel Eintracht Frankfurt gegen Union Berlin am 24.02.2020.
Subotic: "Spieler wurden erst am Ende informiert"
Beim Konzept zum Neustart der Bundesliga hätten die Spieler "keine partizipative Rolle gespielt", sagte Fußballprofi Neven Subotic im Dlf. In anderen Ligen habe die Stimme der Spieler mehr Gewicht als in Deutschland, kritisierte er.
Der Zusammenschluss ist der nächste Schritt einer bemerkenswerten Entwicklung der vergangenen Wochen und Monate. Im Zuge der Coronakrise und der massiven Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt hatten sich etliche Profis mit klaren Worten und starker Haltung öffentlich positioniert und ihre Bekanntheit genutzt. Die Nationalspieler Joshua Kimmich und Leon Goretzka riefen beispielsweise die Hilfsaktion "We kick Corona" ins Leben und sammelten mehr als fünf Millionen Euro.
In Deutschland fehlt eine starke Spielervertretung seit Jahren. Gerade im Vergleich zu England oder Italien, wo es etablierte Spielergewerkschaften gibt. "In Italien und England ist der Spielerverband eine Instanz, die in solchen Krisenfällen konsultiert wird. Hier in Deutschland ist das nicht der Fall", kritisierte Neven Subotic von Union Berlin schon vor einigen Wochen im Deutschlandfunk.
In Zukunft sollen die Spieler mit am Tisch sitzen, wenn zum Beispiel bei der DFL wichtige Entscheidungen getroffen werden.