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"Neugründung der Haider-Partei ist kurios bis absurd"

Die Gründung einer neuen Bewegung unter dem Namen "Bündnis für die Zukunft Österreichs" aus der Freiheilichen Partei Österreichs ist nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Anton Pelinka der Versuch Jörg Haiders, die Partei zu retten. Die Neugründung sei insofern absurd, als dass die gesamte Regierungsmannschaft in die neue Partei wechseln wolle.

05.04.2005
    Spengler: In Wien regiert derzeit eine so genannte schwarz-blaue Koalition, ein Bündnis der konservativen österreichischen Volkspartei des Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel mit der rechtsnationalen FPÖ, der Freiheitlichen Partei. Und diese FPÖ, in der früher einmal der Rechtspopulist Jörg Haider den Ton angab, hat sich gestern gespalten. Sozusagen ein Werk von Bruder und Schwester, denn die Schwester Jörg Haiders, die bisherige FPÖ-Vorsitzende Ursula Haubner, gab die Gründung einer neuen Bewegung unter dem Namen "Bündnis für die Zukunft Österreichs" bekannt. Und an der Spitze dieses Bündnisses werde, man höre und staune, ab sofort nicht sie stehen, sondern ihr Bruder Jörg Haider, der damit wieder zurück ist in der Bundespolitik. Was bedeutet das alles für die Alpenrepublik? Das wollen wir wissen von dem Politikwissenschaftler, Anton Pelinka, von der Uni Innsbruck. Guten Morgen Herr Pelinka.

    Pelinka: Guten Morgen.

    Spengler: Herr Pelinka, wieso diese Spaltung?

    Pelinka: Es ist offenbar der Versuch Jörg Haiders, der ja eigentlich immer der geheime Parteichef der Freiheitlichen war, auch nach seinem Rücktritt von der Parteispitze 2000, die Partei durch eine Umbenennung und Neugründung zu retten. Die Partei ist ja seit 2000 fast im freien Fall, ungefähr zwei Drittel ihrer Wähler von 2000 haben die Partei verlassen. Der Versuch ist also, die Partei durch Neugründung vom Verschwinden zu retten.

    Spengler: Rückt die denn dann nach links oder rückt die nach rechts?

    Pelinka: Die Optik ist, dass sich Haider von dem rechten Flügel trennt, wobei Haider ja selbst der Mann dieses rechten Flügels war. Das heißt aber, dieser rechte Flügel soll auch ausgeschieden werden, weil er die Regierungsbeteiligung zumindest mit einem Fragezeichen versehen hat, mit dem Argument, seitdem die Freiheitlichen in der Regierung sitzen, verlieren sie andauernd.

    Spengler: An der Regierung möchte Jörg Haider festhalten, an der Regierung mit Wolfgang Schüssel?

    Pelinka: Die BZÖ, diese Neugründung, ist ja insofern auch ein wenig kurios bis absurd, als die Führung der alten Freiheitlichen Partei einschließlich ihrer gesamten Regierungsmannschaft und offenbar eines Großteils ihrer Parlamentsfraktion in die neue Partei wechseln und das einzige Programm, das bisher erkennbar ist, ist in der Regierung zu bleiben.

    Spengler: Was ja merkwürdig ist, ist dass es wirklich diese Neugründung gibt. Warum hat man die ganz Rechten nicht einfach ausgeschlossen?

    Pelinka: Da hat es natürlich Widerstände in den Landesorganisationen gegeben. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass dieser so genannte rechte Flügel eigentlich die Substanz des deutsch-nationalen Lagers ist, aus dem die Freiheitliche Partei kommt. Der so genannte rechte Flügel, zu dem ja auch ein Großteil der Gründer dieser neuen Partei gehören, ist der Kern der Freiheitlichen Partei. Insofern ist die Definition des rechten Flügels ja schon ein wenig eine taktisch motivierte, politische Instrumentierung über Namensgebung.

    Spengler: Was bedeutet denn nur diese Spaltung für die Regierung mit der ÖVP? Werden alle 18 Abgeordnete der FPÖ nun mitwechseln in dieses neue Bündnis?

    Pelinka: Das ist die entscheidende Frage, die vielleicht heute im Zusammenhang mit dem Ministerrat, also der Kabinettsitzung der Bundesregierung, schon entschieden wird. Schüssel will offenbar weiter gehen, aber dafür braucht jedenfalls eine Voraussetzung, dass zumindest 15 der 18 Abgeordneten im Nationalrat zur neuen Partei wechseln, denn mit 15 hat die Regierung eine Mehrheit. Würden mehr als drei bei der alten Freiheitlichen Partei bleiben, dann würde wohl die Logik sagen, Schüssel muss neu wählen lassen, denn dann hat er keine Mehrheit mehr im Parlament.

    Spengler: Spielt er denn mit dem Gedanken an Neuwahlen?

    Pelinka: Die Neuwahlen würde der Regierung derzeit sicherlich schwer schaden. Die Freiheitliche Partei, beziehungsweise die BZÖ, oder beide kämen in Gefahr, unter die in Österreich geltende Vier-Prozent-Hürde zu fallen. Die ÖVP könnte zwar ganz gut abschneiden, aber sie hätte dann nicht mehr, nach allem was wir sagen können, eine Mehrheit mit der jetzigen Freiheitlichen Partei oder mit der BZÖ. Das heißt, es gebe auf jeden Fall eine neue Regierung, vielleicht mit der Volkspartei aber vielleicht auch eine sozialdemokratisch-grüne Koalitionsregierung als eine Regierung der gegenwärtigen Opposition.

    Spengler: Das heißt, das Interesse Bundeskanzler Schüssels an Neuwahlen ist begrenzt.

    Pelinka: Das ist sicherlich begrenzt. Das einzige Kalkül, das ihn dazu bringen könnte, wäre eben, dass erstens die Regierungsmehrheit in Gefahr ist, und dann besser selbst den Wahltermin gleichsam mutig zu bestimmen und nicht warten, bis die Regierung erkennbar scheitert. Und zweitens, es ist natürlich ein gewisser Charme in der Idee, die Splitter der Freiheitlichen Partei gleichsam zu beerden und dann sozusagen als einzige bürgerliche Partei kräftig da zustehen. Aber derzeit sieht es nicht so aus, dass Schüssel von sich aus Neuwahlen anstrebt.

    Spengler: Wir lernen daraus, dass Jörg Haider so unberechenbar bleibt, wie er immer war.

    Pelinka: Das ist sicherlich auch etwas, was viele davon sprechen lässt: Das ist ein Fall für die politische Psychologie und nicht unbedingt für die klassische Politikwissenschaft.

    Spengler: Das war der Politikwissenschaftler Anton Pelinka von der Universität Innsbruck. Herzlichen Dank.