Christoph Heinemann: Bergsteiger kennen das. Der Aufstieg ist mühsam, umso größer die Freude, wenn man den Gipfel erreicht hat. Schade nur, wenn die Seilschaft nicht vollständig eingetroffen ist.
So war das gestern beim Integrationsgipfel. Viele kamen, die Kanzlerin strahlte, trotz einiger mit verzogenem Mund schmollender türkischer Verbände. Die hatten sich selbst ausgesperrt aus Verärgerung über das Zuwanderungsgesetz, das der Bundesrat vor einer Woche verabschiedet hat. Die Kritik: Die Türken würden anders behandelt als andere Ausländer, die einen müssen Deutsch lernen, bevor sie zuwandern, andere brauchen das nicht. Dabei hatte das Zuwanderungsgesetz mit dem Integrationsgipfel nichts zu tun. Dort wurde gestern ein ehrgeiziges Programm verabschiedet. 750 Millionen Euro jährlich will die Bundesregierung dafür ausgeben, dass Ausländer nicht nur im Land, sondern auch in der Gesellschaft ankommen. Integrationskurse sollen verlängert werden, beide Seiten bekennen sich zu rund 400 Selbstverpflichtungen.
Am Telefon ist Günther Beckstein (CSU), der Innenminister des Freistaates Bayern, guten Morgen!
Günther Beckstein: Einen schönen guten Morgen!
Heinemann: Herr Beckstein, die Bundesregierung ist im Wort, aber wen binden eigentlich die Selbstverpflichtungen, die gestern verabschiedet wurden?
Beckstein: Also ich denke, es war gestern eine gute und wichtige Veranstaltung, denn man muss ja einräumen, dass die große Zahl der Zuwanderer in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bei weitem noch nicht so gut integriert ist, wie man das haben will. Es gibt gut Integrierte, aber es gibt auch riesige Defizite, und das muss engagiert angegangen werden. Die Zahl der Arbeitslosen ist unter den Zuwanderern mehr als doppelt so hoch, die Sozialhilfeempfänger sind unter den Zuwanderern sehr, sehr hoch. Es gibt viele, die kaum ein Wort Deutsch sprechen. Und das wird jetzt direkt angegangen.
Und es war sehr, sehr gut, dass von allen Bereichen hier Selbstverpflichtungen eingegangen worden sind, übrigens auch von uns Ländern. Und wir haben gesagt, wir wollen dafür sorgen, dass die Schulbildung, die Sprachbildung entscheidend vorankommt. Denn alle waren sich darüber einig, ohne wirklich ordentliche Sprachkenntnisse ist eine Integration weder möglich, noch wird sie die Erfolge haben, die notwendig sind.
Heinemann: Herr Beckstein, wie wollen Sie die Einhaltung der Selbstverpflichtungen überprüfen?
Beckstein: Je eher man mit der Sprachförderung anfängt, desto besser ist es. Und deswegen ist gesagt worden, schon bei der Betreuung im Alter eins bis drei, sofern das durch Kinderhort erfolgt, muss die Sprachförderung erfolgen im Kindergarten. Es muss in der Schule erfolgen jeweils dann, Evaluationen sind erforderlich. Das heißt, es muss dann auch überprüft werden über Gespräche von Lehrkräften, unter Umständen aber auch über Tests. Und das Ganze wird dann auch extern unter wissenschaftlicher Begleitung evaluiert. Das ist gestern von der Bundesregierung mit angekündigt worden.
Heinemann: Der Vorsitzendes des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy, hat ein kommunales Wahlrecht für lange in Deutschland lebende Ausländer gefordert. Nötig sei zudem eine Einbürgerungskampagne, und künftig müssten bei beabsichtigten Änderungen in der Gesetzgebung die Vertreter der Migrantenorganisationen stärker einbezogen werden, so Edathy. Letzteres fordert auch das türkische Außenministerium. Wie bewerten Sie diese Wortmeldungen?
Beckstein: Ich halte nichts davon, zu glauben, dass man dadurch, dass man jemandem einen Pass verleiht, die Integration erreicht hätte. Wir wissen ja, dass Spätaussiedler aus Russland alle den deutschen Pass haben, und trotzdem sind die Integrationsprobleme genauso. Meine Überzeugung heißt, die Einbürgerung soll am Ende der Integration stehen und nicht am Anfang. Wenn jemand mehrere Jahre hier gelebt hat, wenn er ordentlich Deutsch spricht, wenn er hier Arbeit hat, wenn er für sich selber sorgen kann, dann kann er eingebürgert werden.
Und das Wahlrecht ist nun das vornehmste Staatsbürgerschaftsrecht. Das ist erweitert worden innerhalb der EU, dass jemand für Kommunen als Italiener, als Spanier das Wahlrecht in Deutschland hat und der Deutsche in Italien und Spanien. Aber im Prinzip ist es ein Staatsbürgerrecht, das auszudehnen, davon halte ich wenig, vor allem bringt es für die Integration nichts. Integration ist schon eine schwierigere Arbeit, nämlich zu lernen, dass man die Rechtsordnung kennt, zu lernen, dass man die Sprache kann und dass man sich in die Gesellschaft einfügt.
Heinemann: Ist zweierlei Maß bei der Zuwanderungsgesetzgebung, die einen müssen Deutsch lernen, die anderen nicht, das richtige Signal für die Integration?
Beckstein: Die türkischen Verbände haben scharf attackiert die Maßnahmen, die getroffen worden sind, um die Zwangsverheiratungen und arrangierten Ehen deutlich zu reduzieren. Aber das ist natürlich nicht das Thema bei Kanadiern beispielsweise, sondern das ist insbesondere von Frauen aus Drittländern, die nicht EU sind und nicht unmittelbar im westlichen Bereich sind, dass hier man sagt, es sollen keine minderjährigen Frauen zum Zwecke des Ehegattennachzugs kommen, dass man sagt, sie müssen einfache Sprachkenntnisse haben. Das halte ich für völlig richtig.
Es war übrigens interessant, dass gerade auch aus dem Kreis von Migrantinnen gestern das sehr massiv verteidigt worden ist. Denn wenn eine 17-Jährige zu einem jungen Mann hier verheiratet wird, den sie noch nie gesehen hat, kein Wort Deutsch spricht, dann ist von Gleichberechtigung keine Rede, dann kann sie sich nicht wehren, wenn ihr Gewalt angetan wird. Und deswegen ist es notwendig, wenn man gegen Zwangsverheiratungen und arrangierte Ehen was unternehmen will, dass man diese Regelungen durchführt. Ich verstehe die türkischen Verbände nicht, dass sie, anstelle auch engagiert gegen Zwangsverheiratungen und für die Gleichberechtigung der Frau zu sein, dass sie hier eine unterschiedliche Behandlung beklagen.
Heinemann: Was bedeutet es denn für das Ansehen der hier lebenden Türken bei den Deutschen, wenn der Gesetzgeber jede Frau, die aus der Türkei nach Deutschland einwandern möchte, als potenzielle Importbraut behandelt?
Beckstein: Das ist eine Polemik, die ich für völlig unsinnig halte. Es ist ja, wenn man sagt, man will eine Ehefrau zum Zwecke des Familiennachzugs erst nach Deutschland einreisen lassen, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet hat, wenn jemand eine 16- oder 16-1/2-Jährige als Ehefrau schon heiraten will, dann entspricht das nicht dem Bild einer gleichberechtigten Partnerin. Wenn verlangt wird, dass eine Frau, die nach Deutschland einreist, einfache Sprachkenntnisse hat, gilt das übrigens nicht nur für Türkinnen, sondern auch, wenn der Deutsche die Thailänderin heiratet. Auch diese Frau darf erst dann einreisen, wenn sie einfache Sprachkenntnisse hat, also Sprachkenntnisse, die man sich etwa bei einem Volkshochschulkurs mit 20 Stunden erwerben kann. Das heißt, dass man sich nur ganz die einfachsten Regelungen, dass man nach dem Weg fragt, dass man wegen mir bis 20 oder 30 zählen kann. Das sind ja keine Hürden, die echt nicht überwindbar wären, sondern das kann man überall in der Welt mit einem kleinen Kurs erreichen. Und dann hat man wesentlich bessere Startchancen, als wenn man in einem fremden Land ist als ein junger Mensch, der noch kaum Erfahrungen hat, der überhaupt kein Wort kann, um sich sprachlich zu verständigen. Also man sollte das offensiv unterstützen und nicht beklagen.
Heinemann: Wir kommen noch zu einem anderen Thema, Herr Beckstein. Noch sind Sie Innenminister des Freistaates, bald werden Sie aller Voraussicht nach die Landesregierung als Nachfolger von Edmund Stoiber leiten, das gilt als sicher. Weniger fest steht, wer die CSU künftig führen wird. Bislang gab es zwei Kandidaten, gestern hat sich Gabriele Pauli wieder zu Wort gemeldet, die Fürther Landrätin hat unserer Landeskorrespondentin verraten, dass sie sich beruflich verändern möchte.
"Ich habe mich entschlossen, als Parteivorsitzende der CSU zu kandidieren, weil die Partei eine Erneuerung braucht. Viele gute Gedanken sind da bei den Mitgliedern dazu da, auch Bürger, die ein anderes Bild einer Partei oder auch speziell der CSU wollen. Und gerade diese Kräfte möchte ich sammeln und dazu beitragen, dass die CSU in Zukunft ein modernes Profil erhält."
Sagt Gabriele Pauli. Herr Beckstein, wie bewerten Sie Frau Paulis Bewerbung?
Beckstein: Ich bin von den Meldungen, dass sich Frau Pauli für den Vorstand der CSU bewerben will, völlig überrascht worden. Sie hat in der zurückliegenden Woche weder in der Kreisvorstandssitzung ihres eigenen CSU-Kreisverbandes etwas gesagt, sie ist in meinem Bezirksvorstand, sie hat dort kein Wort darüber gesagt, wie man über die Frage diskutiert hat, wer soll Parteivorsitzender werden? Ich weiß nicht, ob sie diese Kandidatur ernsthaft vornimmt, um Vorsitzende zu werden. Wenn sie das tut, dann habe ich den Eindruck, dass sie die Situation in einer Partei völlig verkennt. Aber man muss noch sehen, wie das in den nächsten Wochen von ihr weiter gesehen wird. Ich jedenfalls bin überzeugt, dass Erwin Huber Parteivorsitzender wird und Frau Pauli da nicht den Hauch einer Chance hat.
Heinemann: Wenn man, Sie haben gesagt, Sie ziehen Erwin Huber vor, wenn man Laptop und Lederhose unter den beiden männlichen Kandidaten aufteilen sollte, dann erhielte Horst Seehofer vermutlich den Computer und Erwin Huber die Hose. Ist Ihre Wahl für Huber auch ein Signal für eine traditionsverbundene, weniger moderne, stark bajuwarische CSU?
Beckstein: Nein. Innerhalb Bayerns ist Erwin Huber in den letzten Jahren vor allem dadurch bekannt geworden, dass er in einer sehr massiven Weise Verwaltungsreformen vorangetrieben hat, dass er dafür sich in aller Massivität einsetzt, dass die modernsten Industrien nach Bayern kommen und sich hier wohl fühlen. Vor zwei Jahren hat es etwa geheißen, wie Erwin Huber und ich in einer gewissen Wettbewerbssituation waren, er ist der Erneuerer, ich der Bewahrer. Das sind alles Klischees, die nichts mit der Realität zu tun haben.
Erwin Huber ist derjenige, der als früherer Generalsekretär in der Partei sehr viel stärker verwurzelt ist als Horst Seehofer. Erwin Huber ist natürlich in Bayern derjenige, der eher damit die Möglichkeit hat, die Partei, die im Moment, wie man übrigens ja auch an der Bewerbung von Pauli sieht, in einer gewissen Unruhe ist, dass er die Partei wieder auf Linie bringt. Und er hat aber auch die Voraussetzungen bundespolitischer Art, und deswegen ist er mein Favorit. Aber selbstverständlich könnte ich auch mit einem Horst Seehofer zusammenarbeiten. Es ist ja nichts Unanständiges, wenn sich zwei oder auch jetzt eine dritte Person um den Parteivorsitz bewerben. Aber Parteivorsitzender der CSU ist ein anspruchsvolles Amt, so dass das nicht allein unter dem Aspekt, jetzt muss mal irgendeine neue Frau her, vergeben werden kann.
Heinemann: Die Verwaltungsreform hat Erwin Huber ja nicht nur Freunde beschert. Horst Seehofer hat jetzt, so war zu lesen, sein Privatleben geordnet. Steigen damit seine Chancen?
Beckstein: Also ich bin überzeugt, dass es richtig und auch für die Diskussion sinnvoll war, dass das Privatleben geordnet ist, aber ich bin überzeugt, diese Frage wird weit weniger Bedeutung für die Haltung der Delegierten haben, als dem in der Öffentlichkeit beigemessen wurde. Denn jeder weiß, dass private Dinge in einem modernen Leben äußerst schmerzhaft sein können. Es gibt viele Delegierte, die das selber auch erlebt haben. Die Frage des Parteivorsitzenden hängt ab, wem trauen wir zu, die CSU in einer schwierigen Zeit dazu zu führen, dass wir bei den Landtagswahlen sicher über 50 Prozent liegen, wem trauen wir zu, die Partei bei Bundestagswahlen in Bayern so stark zu halten, dass der singuläre Einfluss der CSU erhalten bleibt. Und da bin ich überzeugt, dass die Delegierten das Erwin Huber ein Stück mehr zutrauen. Aber selbstverständlich muss Horst Seehofer einer der Führungspersönlichkeiten der CSU bleiben. Ich bin froh, dass er erklärt hat, er wäre bereit, auch als Stellvertreter unter Erwin Huber weiterzumachen.
Heinemann: Und damit müssen wir langsam zum Schluss kommen. Günther Beckstein, der Innenminister des Freistaates Bayern. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Beckstein: Auf Wiederhören, bitte schön.
So war das gestern beim Integrationsgipfel. Viele kamen, die Kanzlerin strahlte, trotz einiger mit verzogenem Mund schmollender türkischer Verbände. Die hatten sich selbst ausgesperrt aus Verärgerung über das Zuwanderungsgesetz, das der Bundesrat vor einer Woche verabschiedet hat. Die Kritik: Die Türken würden anders behandelt als andere Ausländer, die einen müssen Deutsch lernen, bevor sie zuwandern, andere brauchen das nicht. Dabei hatte das Zuwanderungsgesetz mit dem Integrationsgipfel nichts zu tun. Dort wurde gestern ein ehrgeiziges Programm verabschiedet. 750 Millionen Euro jährlich will die Bundesregierung dafür ausgeben, dass Ausländer nicht nur im Land, sondern auch in der Gesellschaft ankommen. Integrationskurse sollen verlängert werden, beide Seiten bekennen sich zu rund 400 Selbstverpflichtungen.
Am Telefon ist Günther Beckstein (CSU), der Innenminister des Freistaates Bayern, guten Morgen!
Günther Beckstein: Einen schönen guten Morgen!
Heinemann: Herr Beckstein, die Bundesregierung ist im Wort, aber wen binden eigentlich die Selbstverpflichtungen, die gestern verabschiedet wurden?
Beckstein: Also ich denke, es war gestern eine gute und wichtige Veranstaltung, denn man muss ja einräumen, dass die große Zahl der Zuwanderer in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bei weitem noch nicht so gut integriert ist, wie man das haben will. Es gibt gut Integrierte, aber es gibt auch riesige Defizite, und das muss engagiert angegangen werden. Die Zahl der Arbeitslosen ist unter den Zuwanderern mehr als doppelt so hoch, die Sozialhilfeempfänger sind unter den Zuwanderern sehr, sehr hoch. Es gibt viele, die kaum ein Wort Deutsch sprechen. Und das wird jetzt direkt angegangen.
Und es war sehr, sehr gut, dass von allen Bereichen hier Selbstverpflichtungen eingegangen worden sind, übrigens auch von uns Ländern. Und wir haben gesagt, wir wollen dafür sorgen, dass die Schulbildung, die Sprachbildung entscheidend vorankommt. Denn alle waren sich darüber einig, ohne wirklich ordentliche Sprachkenntnisse ist eine Integration weder möglich, noch wird sie die Erfolge haben, die notwendig sind.
Heinemann: Herr Beckstein, wie wollen Sie die Einhaltung der Selbstverpflichtungen überprüfen?
Beckstein: Je eher man mit der Sprachförderung anfängt, desto besser ist es. Und deswegen ist gesagt worden, schon bei der Betreuung im Alter eins bis drei, sofern das durch Kinderhort erfolgt, muss die Sprachförderung erfolgen im Kindergarten. Es muss in der Schule erfolgen jeweils dann, Evaluationen sind erforderlich. Das heißt, es muss dann auch überprüft werden über Gespräche von Lehrkräften, unter Umständen aber auch über Tests. Und das Ganze wird dann auch extern unter wissenschaftlicher Begleitung evaluiert. Das ist gestern von der Bundesregierung mit angekündigt worden.
Heinemann: Der Vorsitzendes des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy, hat ein kommunales Wahlrecht für lange in Deutschland lebende Ausländer gefordert. Nötig sei zudem eine Einbürgerungskampagne, und künftig müssten bei beabsichtigten Änderungen in der Gesetzgebung die Vertreter der Migrantenorganisationen stärker einbezogen werden, so Edathy. Letzteres fordert auch das türkische Außenministerium. Wie bewerten Sie diese Wortmeldungen?
Beckstein: Ich halte nichts davon, zu glauben, dass man dadurch, dass man jemandem einen Pass verleiht, die Integration erreicht hätte. Wir wissen ja, dass Spätaussiedler aus Russland alle den deutschen Pass haben, und trotzdem sind die Integrationsprobleme genauso. Meine Überzeugung heißt, die Einbürgerung soll am Ende der Integration stehen und nicht am Anfang. Wenn jemand mehrere Jahre hier gelebt hat, wenn er ordentlich Deutsch spricht, wenn er hier Arbeit hat, wenn er für sich selber sorgen kann, dann kann er eingebürgert werden.
Und das Wahlrecht ist nun das vornehmste Staatsbürgerschaftsrecht. Das ist erweitert worden innerhalb der EU, dass jemand für Kommunen als Italiener, als Spanier das Wahlrecht in Deutschland hat und der Deutsche in Italien und Spanien. Aber im Prinzip ist es ein Staatsbürgerrecht, das auszudehnen, davon halte ich wenig, vor allem bringt es für die Integration nichts. Integration ist schon eine schwierigere Arbeit, nämlich zu lernen, dass man die Rechtsordnung kennt, zu lernen, dass man die Sprache kann und dass man sich in die Gesellschaft einfügt.
Heinemann: Ist zweierlei Maß bei der Zuwanderungsgesetzgebung, die einen müssen Deutsch lernen, die anderen nicht, das richtige Signal für die Integration?
Beckstein: Die türkischen Verbände haben scharf attackiert die Maßnahmen, die getroffen worden sind, um die Zwangsverheiratungen und arrangierten Ehen deutlich zu reduzieren. Aber das ist natürlich nicht das Thema bei Kanadiern beispielsweise, sondern das ist insbesondere von Frauen aus Drittländern, die nicht EU sind und nicht unmittelbar im westlichen Bereich sind, dass hier man sagt, es sollen keine minderjährigen Frauen zum Zwecke des Ehegattennachzugs kommen, dass man sagt, sie müssen einfache Sprachkenntnisse haben. Das halte ich für völlig richtig.
Es war übrigens interessant, dass gerade auch aus dem Kreis von Migrantinnen gestern das sehr massiv verteidigt worden ist. Denn wenn eine 17-Jährige zu einem jungen Mann hier verheiratet wird, den sie noch nie gesehen hat, kein Wort Deutsch spricht, dann ist von Gleichberechtigung keine Rede, dann kann sie sich nicht wehren, wenn ihr Gewalt angetan wird. Und deswegen ist es notwendig, wenn man gegen Zwangsverheiratungen und arrangierte Ehen was unternehmen will, dass man diese Regelungen durchführt. Ich verstehe die türkischen Verbände nicht, dass sie, anstelle auch engagiert gegen Zwangsverheiratungen und für die Gleichberechtigung der Frau zu sein, dass sie hier eine unterschiedliche Behandlung beklagen.
Heinemann: Was bedeutet es denn für das Ansehen der hier lebenden Türken bei den Deutschen, wenn der Gesetzgeber jede Frau, die aus der Türkei nach Deutschland einwandern möchte, als potenzielle Importbraut behandelt?
Beckstein: Das ist eine Polemik, die ich für völlig unsinnig halte. Es ist ja, wenn man sagt, man will eine Ehefrau zum Zwecke des Familiennachzugs erst nach Deutschland einreisen lassen, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet hat, wenn jemand eine 16- oder 16-1/2-Jährige als Ehefrau schon heiraten will, dann entspricht das nicht dem Bild einer gleichberechtigten Partnerin. Wenn verlangt wird, dass eine Frau, die nach Deutschland einreist, einfache Sprachkenntnisse hat, gilt das übrigens nicht nur für Türkinnen, sondern auch, wenn der Deutsche die Thailänderin heiratet. Auch diese Frau darf erst dann einreisen, wenn sie einfache Sprachkenntnisse hat, also Sprachkenntnisse, die man sich etwa bei einem Volkshochschulkurs mit 20 Stunden erwerben kann. Das heißt, dass man sich nur ganz die einfachsten Regelungen, dass man nach dem Weg fragt, dass man wegen mir bis 20 oder 30 zählen kann. Das sind ja keine Hürden, die echt nicht überwindbar wären, sondern das kann man überall in der Welt mit einem kleinen Kurs erreichen. Und dann hat man wesentlich bessere Startchancen, als wenn man in einem fremden Land ist als ein junger Mensch, der noch kaum Erfahrungen hat, der überhaupt kein Wort kann, um sich sprachlich zu verständigen. Also man sollte das offensiv unterstützen und nicht beklagen.
Heinemann: Wir kommen noch zu einem anderen Thema, Herr Beckstein. Noch sind Sie Innenminister des Freistaates, bald werden Sie aller Voraussicht nach die Landesregierung als Nachfolger von Edmund Stoiber leiten, das gilt als sicher. Weniger fest steht, wer die CSU künftig führen wird. Bislang gab es zwei Kandidaten, gestern hat sich Gabriele Pauli wieder zu Wort gemeldet, die Fürther Landrätin hat unserer Landeskorrespondentin verraten, dass sie sich beruflich verändern möchte.
"Ich habe mich entschlossen, als Parteivorsitzende der CSU zu kandidieren, weil die Partei eine Erneuerung braucht. Viele gute Gedanken sind da bei den Mitgliedern dazu da, auch Bürger, die ein anderes Bild einer Partei oder auch speziell der CSU wollen. Und gerade diese Kräfte möchte ich sammeln und dazu beitragen, dass die CSU in Zukunft ein modernes Profil erhält."
Sagt Gabriele Pauli. Herr Beckstein, wie bewerten Sie Frau Paulis Bewerbung?
Beckstein: Ich bin von den Meldungen, dass sich Frau Pauli für den Vorstand der CSU bewerben will, völlig überrascht worden. Sie hat in der zurückliegenden Woche weder in der Kreisvorstandssitzung ihres eigenen CSU-Kreisverbandes etwas gesagt, sie ist in meinem Bezirksvorstand, sie hat dort kein Wort darüber gesagt, wie man über die Frage diskutiert hat, wer soll Parteivorsitzender werden? Ich weiß nicht, ob sie diese Kandidatur ernsthaft vornimmt, um Vorsitzende zu werden. Wenn sie das tut, dann habe ich den Eindruck, dass sie die Situation in einer Partei völlig verkennt. Aber man muss noch sehen, wie das in den nächsten Wochen von ihr weiter gesehen wird. Ich jedenfalls bin überzeugt, dass Erwin Huber Parteivorsitzender wird und Frau Pauli da nicht den Hauch einer Chance hat.
Heinemann: Wenn man, Sie haben gesagt, Sie ziehen Erwin Huber vor, wenn man Laptop und Lederhose unter den beiden männlichen Kandidaten aufteilen sollte, dann erhielte Horst Seehofer vermutlich den Computer und Erwin Huber die Hose. Ist Ihre Wahl für Huber auch ein Signal für eine traditionsverbundene, weniger moderne, stark bajuwarische CSU?
Beckstein: Nein. Innerhalb Bayerns ist Erwin Huber in den letzten Jahren vor allem dadurch bekannt geworden, dass er in einer sehr massiven Weise Verwaltungsreformen vorangetrieben hat, dass er dafür sich in aller Massivität einsetzt, dass die modernsten Industrien nach Bayern kommen und sich hier wohl fühlen. Vor zwei Jahren hat es etwa geheißen, wie Erwin Huber und ich in einer gewissen Wettbewerbssituation waren, er ist der Erneuerer, ich der Bewahrer. Das sind alles Klischees, die nichts mit der Realität zu tun haben.
Erwin Huber ist derjenige, der als früherer Generalsekretär in der Partei sehr viel stärker verwurzelt ist als Horst Seehofer. Erwin Huber ist natürlich in Bayern derjenige, der eher damit die Möglichkeit hat, die Partei, die im Moment, wie man übrigens ja auch an der Bewerbung von Pauli sieht, in einer gewissen Unruhe ist, dass er die Partei wieder auf Linie bringt. Und er hat aber auch die Voraussetzungen bundespolitischer Art, und deswegen ist er mein Favorit. Aber selbstverständlich könnte ich auch mit einem Horst Seehofer zusammenarbeiten. Es ist ja nichts Unanständiges, wenn sich zwei oder auch jetzt eine dritte Person um den Parteivorsitz bewerben. Aber Parteivorsitzender der CSU ist ein anspruchsvolles Amt, so dass das nicht allein unter dem Aspekt, jetzt muss mal irgendeine neue Frau her, vergeben werden kann.
Heinemann: Die Verwaltungsreform hat Erwin Huber ja nicht nur Freunde beschert. Horst Seehofer hat jetzt, so war zu lesen, sein Privatleben geordnet. Steigen damit seine Chancen?
Beckstein: Also ich bin überzeugt, dass es richtig und auch für die Diskussion sinnvoll war, dass das Privatleben geordnet ist, aber ich bin überzeugt, diese Frage wird weit weniger Bedeutung für die Haltung der Delegierten haben, als dem in der Öffentlichkeit beigemessen wurde. Denn jeder weiß, dass private Dinge in einem modernen Leben äußerst schmerzhaft sein können. Es gibt viele Delegierte, die das selber auch erlebt haben. Die Frage des Parteivorsitzenden hängt ab, wem trauen wir zu, die CSU in einer schwierigen Zeit dazu zu führen, dass wir bei den Landtagswahlen sicher über 50 Prozent liegen, wem trauen wir zu, die Partei bei Bundestagswahlen in Bayern so stark zu halten, dass der singuläre Einfluss der CSU erhalten bleibt. Und da bin ich überzeugt, dass die Delegierten das Erwin Huber ein Stück mehr zutrauen. Aber selbstverständlich muss Horst Seehofer einer der Führungspersönlichkeiten der CSU bleiben. Ich bin froh, dass er erklärt hat, er wäre bereit, auch als Stellvertreter unter Erwin Huber weiterzumachen.
Heinemann: Und damit müssen wir langsam zum Schluss kommen. Günther Beckstein, der Innenminister des Freistaates Bayern. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Beckstein: Auf Wiederhören, bitte schön.