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Politischer Paukenschlag bei Milchkaffee und Wasser

Nach Einschätzung Barbara Roths, Deutschlandradio-Landeskorrespondentin in Bayern, schmälert Gabriele Pauli mit ihrer Bewerbung um den CSU-Vorsitz die Chancen Horst Seehofers im Rennen um die Parteiführung. Pauli selbst habe kaum Chancen auf dem Parteitag am 29. September, ihre Stimmen wiederum werde sie aber wohl Seehofer im Duell gegen Erwin Huber wegnehmen, sagte Roth, die im Gespräch mit Pauli als erste Journalistin von der Kandidatur erfahren hatte.

Moderation: Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Die Fürther Landrätin Gabriele Pauli will die Nachfolge von Edmund Stoiber antreten und CSU-Vorsitzende werden. Auf dem Parteitag im September kandidiere sie gegen Horst Seehofer und Erwin Huber, kündigte Pauli gestern gegenüber unserer Landeskorrespondentin Barbara Roth an. Und die glaubte, sie habe sich verhört, wie sie uns vor zwei Stunden berichtete.

    Barbara Roth: Ich war völlig überrascht. Ich hatte mich mit Frau Pauli schon vor einer Woche verabredet zu einem Interview, das ich führen wollte mit ihr. ich arbeite an einem Hintergrund für den Deutschlandfunk mit Blick auf den Parteitag Ende September, und habe mich mit ihr verabredet bei einem Italiener in München. Und mir wurde gerade mein Milchkaffee serviert, da hat sie mich gefragt, ob sie mir eine Nachricht liefern soll. Und ich habe zu ihr gesagt, sicher, Sie werden mir jetzt bestimmt ankündigen, dass Sie als stellvertretende Vorsitzende kandidieren auf dem Parteitag. Und dann hat sie zu mir gesagt, nein, als Vorsitzende. Ich habe sie dann dreimal gefragt, hab ich mich verhört, oder habe ich richtig gehört? Nein, ich habe richtig gehört, sie wird als Vorsitzende kandidieren. Das hat sie mir in dem Interview mitgeteilt.

    Und ich habe sie dann erst mal gebeten, dass ich alle meine weiteren Termine des Tages absagen darf, bevor ich mit ihr weiterrede. Das habe ich dann getan, und dann habe ich mit ihr das Interview fortgesetzt.

    Heinemann: Und getrunken wurde Milchkaffee, nicht Prosecco?

    Roth: Nein, es wurde Milchkaffee getrunken und Frau Pauli trank Wasser.

    Heinemann: Gut. Wie begründet sie ihre Kandidatur?

    Roth: Es gibt einen ganzen Strauß von Begründungen. Sie will frischen Wind in die Partei bringen, dieser fehle der Partei, das ist ihre Ansicht. Sie will, dass die CSU offener wird, sie will vor allem mehr Diskussion mit der Basis, auch mit der Öffentlichkeit, zulassen. Es geht ihr vor allem um neue Impulse, um einen neuen Stil, den vermisst sie ja. Den vermisst sie bei Stoiber, das ist bekannt, aber den vermisst sie auch bei seinem Möchtegern-Nachfolgern Huber und Seehofer. Da glaubt sie also nicht, dass da ein neuer Stil in der Partei erfolgen wird, wenn einer von den beiden das Amt übernimmt, und deswegen wird sie antreten. So, das ist jetzt der öffentliche Grund.

    Der nicht-öffentliche Grund, und ich habe sie gestern mehrmals gefragt, warum heute, warum hier, warum jetzt? Gibt es einen Anlass? Gibt es ein Ereignis, das Sie jetzt bewogen hat, in dem Interview mit mir Ihre Kandidatur anzukündigen? Und sie hat es mehrmals verneint. Zwischenzeitlich weiß ich aber, dass es da doch einen Grund im Hintergrund gibt. Sie erinnern sich vielleicht an den Namen Michael Höhenberger, der Büroleiter von Edmund Stoiber. Das war ja derjenige, der in der Weihnachtszeit seinen Posten bei Edmund Stoiber räumen musste, weil er sich in Paulis Umfeld über ihr Privatleben umhörte. Sie erinnern sich, damals ging ja durch die Presse, diese Bespitzelungsaffäre, er soll sich ja bei CSU-Freunden in Fürth erkundigt haben, ob man Pauli Männerbekanntschaften, vielleicht sogar ein Alkoholproblem anhängen könnte. Und zu dieser Zeit beherrschte ja Frau Pauli die Berichterstattung, weil sie eben harsche Kritik übte an Edmund Stoiber. Und sie reagierte damals auf diese Telefonate, die Herr Höhenberger geführt hat, sehr barsch. Sie sprach dann eben von diesem Bespitzelungsvorwurf, und das hat ja dann letztendlich dazu geführt, dass erst Herr Höhenberger seinen Posten räumen musste und letztendlich dann auch Edmund Stoiber seinen Abgang erklären musste.

    Gestern wurde nun bekannt, dass dieser Herr Höhenberger rehabilitiert wurde, das heißt, er wurde vom Vorwurf der Bespitzelung freigesprochen. Die Oberstaatsanwaltschaft in München teilte gestern mit, ein Dienstvergehen sei nicht nachweisbar. Und ich kann mir jetzt gut vorstellen, dass Frau Pauli, ich wusste zu diesem Zeitpunkt von der Mitteilung der Staatsanwaltschaft nichts, aber Frau Pauli wusste es wohl, und ich kann jetzt wirklich nur mutmaßen, dass sie das im Hinterkopf hatte.

    Heinemann: Welche Chancen hat sie?

    Roth: Ich räume ihr keine großen Chancen ein. Also, auf dem Parteitag werden ja die Delegierten, vor allem Mandatsträger, also Abgeordnete, Kreis- und Ortsverbandvorsitzende, die werden die Delegierten sein, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Frau Pauli bei diesen Mandatsträgern, bei diesen Funktionären der CSU, große Chancen hat. Sie hätte Chancen sicherlich an der Basis, aber die Basis wird mehrheitlich nicht auf dem Parteitag vertreten sein. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie natürlich einige Stimmen bekommt. Das sind gut 1000 Delegierte. Und diese Stimmen, die könnte sie dann wohl dem Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer wegnehmen, weil: Er versteht sich ja auch als Kandidat der Basis wie sie eben auch.

    Heinemann: Wie haben die Konkurrenten und andere Parteifreunde reagiert?

    Roth: Also, gestern Abend war ich beim Sommerfest des bayerischen Finanzministers, und dort wurde mir Folgendes erzählt. Parallel zu meinem Interview mit Frau Pauli fand eine Geburtstagsfeier des bayerischen Landwirtschaftsministers statt, da war das komplette Kabinett vertreten, da war auch Horst Seehofer eingeladen. Und die Kollegen erzählten mir dann, dass Staatsminister Sinner, er ist der Einzige, der ein Handy hat, mit dem er Agenturmeldungen empfangen kann, ganz aufgeregt durch die Reihen gegangen sei und jedem die Nachricht vom Deutschlandfunk gezeigt hätte. Faltlhauser sagte mir gestern, der bayerische Finanzminister, er hat im ersten Augenblick geglaubt, das sei ein schlechter Scherz.

    Die Kontrahenten Huber und Seehofer, die reagierten mit ganz großer Gelassenheit. Von Huber wurde mir übermittelt, dass er eben sagte, wir sind eine freie Partei, wer kandidieren will, der soll kandidieren. Das Gleiche meinte auch Seehofer. Also, die beiden sind sehr gelassen, aber es gibt natürlich auch andere Reaktionen aus der Partei, andere Kommentare, zum Beispiel "Keine Chance!", "Lächerlich!", und das Ganze sei wohl ein Mediengag.

    Heinemann: Frau Roth, Horst Seehofer hat, so war zu lesen, sein Privatleben geordnet. Hat er damit seine Aussichten auf den christlich-sozialen Chefposten verbessert?

    Roth: Nun, Horst Seehofer kann auf jeden Fall mal hoffen oder davon auch ausgehen, dass dieses Thema an der Basis jetzt nicht mehr diskutiert wird. Es war ja bislang so: Egal wo er auftrat, ob im Bierzelt, jeder wusste um sein Privatleben, und jeder hat es kommentiert. Sie mussten nur jemandem das Mikrofon vorhalten, und sie bekamen sofort einen Kommentar vom Privatleben von Horst Seehofer. Das wird wohl jetzt zu Ende sein, davon wird er wohl ausgehen können. Und ich fände es dann auch unfair, wenn man dann quasi es ständig durch die Gazetten ziehen würde. Also er kann jetzt mal davon ausgehen, dass er auf jeden Fall nicht mehr öffentlich ständig mit diesem Thema konfrontiert wird.

    Es könnte seine Chancen verbessern, aber bei Seehofer gilt meiner Meinung nach das Gleiche wie bei Frau Pauli: Der Parteitag setzt sich zusammen vor allem aus Funktionsträgern, und wenn man mit Funktionsträgern redet, mit Abgeordneten, mit Orts- und Kreisvorsitzenden, da ist eine klare Mehrheit erkennbar für Erwin Huber.

    Heinemann: Barbara Roth, unsere Landeskorrespondentin in Bayern.