Weil selbst weist jeden Vorwurf der Beeinflussung durch VW zurück. Der Entwurf seiner Regierungserklärung vom Oktober 2015 zur Diesel-Affäre sei dem Autobauer lediglich mit der Bitte "um Prüfung der rechtlichen Belange und Richtigkeit der Fakten" zugeleitet worden, sagte Weil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Rückmeldungen von VW seien sehr kritisch geprüft worden. Rechtliche Klarstellungen habe man nachvollzogen, die Kritik aber sei dringeblieben, betonte Weil. Eine Beeinflussung könne er ausschließen.
In der "Bild am Sonntag" stellt ein namentlich nicht genannter VW-Mitarbeiter die Prüfung der Regierungserklärung ganz anders da. Das sei kein Faktencheck gewesen, die Rede sei "umgeschrieben und weichgespült" worden, zititiert die Zeitung den angeblich daran beteiligten Mitarbeiter. "Problematische Passagen" seien gestrichen und "positivere Formulierungen" eingefügt worden.
Der "Bild am Sonntag" zufolge wurden unter anderem folgende Sätzen aus der Regierungserklärung gestrichen:
- "Die gegen VW erhobenen Betrugsvorwürfe wiegen schwer."
- "Mich wundert, dass die Gespräche mit den Umweltbehörden in den USA seit 2014 laufen und augenscheinlich keine substanziellen Änderungen eingetreten sind."
- "Die Compliance-Regeln des Konzerns müssen kritisch überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, ebenso die Kontrolle und die Durchsetzung der Regeln."
- "Drei Vorstände wurden beurlaubt. Es ist für mich schwer zu verstehen, warum die handelnden Personen nicht die enormen Gefahren für das gesamte Unternehmen durch diese illegale Manipulation erkannt haben."
- "Ziel der External Investigation muss es sein, die Abgasaffäre ganzheitlich und umfassend aufzuklären und die Verantwortlichen im Unternehmen ohne Ansehen ihrer Person oder ihrer hierachischen Stellung zu Rechenschaft zu ziehen."
Nach Informationen der "Bild am Sonntag" stieß das Einschreiten des Autobauers selbst bei VW auf Widerstand. Ein Mitarbeiter der Kommunikationsabteilung äußerte demnach "moralische Bedenken": Volkswagen könne doch nicht eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten redigieren und verändern. Seine Sorgen habe er sogar schriftlich formuliert.
"Besondere Situation"
Dass VW überhaupt als Prüfinstanz herangezogen wurde, rechtfertigt Weil mit der besonderen Situation, die es damals gegeben habe. Die Zukunft des gesamten Konzerns habe auf dem Spiel gestanden, so Weil. Das sei auch für das Land Niedersachsen von allergrößter Bedutung gewesen. Unter diesen Bedingungen sei es richtig gewesen, dass ein von ihm selbst geschriebener Entwurf einer Regierungserklärung VW zugeleitet wurde. In seiner Rede im Landtag hatte Weil vor allem das Krisenmanagement des Konzerns kritisiert. Da die Manipulationen in den USA bereits ein Jahr zuvor aufgefallen seien, hätte VW diese viel früher eingestehen müssen. Er selbst habe genau wie sein Wirtschaftsminister Lies erst aus den Medien vom Abgas-Skandal erfahren.
"Marktwirtschaft bedroht"
Die erste Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. "Wenn Ministerpräsident Weil eine Regierungserklärung von Volkswagen abnicken lässt, ist das Fundament unserer Marktwirtschaft bedroht", sagte der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir der Zeitung "Die Welt". In der Diesel-Krise zeige sich, "wie die Verquickung von Politik und Automobilwirtschaft unserem Wirtschaftsstandort schadet." Deutschland brauche schnellstmöglich einen Ordnungsrahmen für den emissionsfreien Verkehr der Zukunft. Nur so könne man verhindern, technologisch den Anschluss zu verlieren. Bislang regierten die Grünen mit Weils Sozialdemokraten in Hannover mit einer Ein-Stimmen-Mehrheit, die durch den Übertritt ihrer Abgeordneten Elke Twesten zur CDU am Freitag verloren ging.
"Sauer und empört"
Verärgert zeigte sich die niedersächsische FPD. Ihr Landesvorsitzender Stefan Birkner sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich bin sauer und empört". Wenn sich das bestätige, sei das ein Unding. Um dann hinzuzufügen: "Wir hatten damals genau den Eindruck, da spricht nicht der Ministerpräsident, sondern ein Sprecher von VW."
Niedersachsen ist zweitgrößter Anteilseigner bei VW, als Landesvater sitzt Weil im VW-Aufsichtsrat. Jeder fünfte Job im Konzern ist in Niedersachsen beheimatet, VW ist damit der mit Abstand größte Arbeitgeber in Niedersachsen.
(rm/db)