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Niger
Zu viele Kinder, zu wenige Ressourcen

Niger gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Reich ist es nur an Kindern - und das wird zum Problem: Die Bevölkerung wächst zu schnell, Wasser und Nahrung werden knapp. Ein Ausweg ist Verhütung. Doch die ist für Frauen im Niger gar nicht so leicht zu bekommen.

Von Dunja Sadaqi | 08.11.2016
    Niger - Frau mit Kindern im Dorf Moulle Sofoua
    Frau mit Kindern im Dorf Moulle Sofoua: Kinder werden im Niger als Reichtum angesehen - sie können aber nicht alle ernährt werden. (dpa/picture alliance/Tom Schulze)
    Salamatu Amadou ist 39 Jahre alt, seit 15 Jahren verheiratet, hat vier Kinder. Genug, fand sie und wollte verhüten - das geht im Niger aber nur, wenn der Mann zustimmt.
    "Ich habe meinem Mann gesagt: Es reicht. Wir müssen die Bildung unserer Kinder sichern. Er wollte nicht. Er drohte mir, dass er sich eine zweite Frau nehmen werde. Aber ich hab nicht klein beigegeben. Und jetzt habe ich seit drei Jahren die Spirale."
    Damit ist Amadou eine Ausnahme. In großen Städten wie der Hauptstadt Niamey ist der Zugang zu Verhütungsmitteln leichter geworden. Auf dem Land nicht. Das will die Regierung ändern. Sie startet mit den Vereinen Nationen eine Aufklärungskampagne: Mit Plakaten, mobilen Aufklärungsteams und Radiospots.
    "Die Mehrheit spricht nicht über Familienplanung"
    7,6 Kinder bringt eine nigrische Frau im Durchschnitt zur Welt. Das hat viele Gründe. Erstens: viele Männer im Niger sind gegen Verhütung. Kinder gelten als Reichtum und werden bei der Landarbeit gebraucht. Zweitens: auch die einflussreichen religiösen Eliten stellten sich gegen Familienplanung, sagt der Demograf Hamadou Maga.
    "Das ist eine sehr sensible Frage. Die Regierung will nicht mit den religiösen Führern im Land in Konflikt geraten. Die Mehrheit von ihnen spricht nicht über Familienplanung und will es auch nicht. Ihr Argument ist immer wieder: Gott hat den Menschen gesagt, sie sollen viele Kinder kriegen und Gott wird sich um sie [die Kinder] kümmern."
    Religiöse Vorbehalte seien aber nur ein Problem. Fehlende Bildung sei das andere, sagt der Frauenarzt Lauli Shekraui:
    "Es gibt den Einfluss der Religion, aber die Bevölkerung ist auch ignorant. Junge Mädchen gehen nicht zur Schule. So können sie nicht für sich selbst entscheiden. Hier in der Hauptstadt Niamey haben wir solche Probleme eher nicht. Der Zugang zu Verhütungsmitteln liegt bei etwa 50 Prozent, aber es gibt Gegenden im Niger da sind es nicht einmal 10 Prozent."
    Bevölkerungswachstum setzt natürliche Ressourcen unter Druck
    Ein weiterer Grund für den Babyboom: Die Vereinten Nationen sagen, dass weit über zwei Drittel der nigrischen Frauen noch als Minderjährige verheiratet wurden. Der Kinderreichtum führt zu Ressourcenknappheit im Land, sagt Demograf Hamadou Maga:
    "Niger ist ein sehr großes Land, aber zwei Drittel der Bevölkerung lebt auf nur einem Drittel der Fläche. Das heißt: das Bevölkerungswachstum setzt die natürlichen Ressourcen im Land zusätzlich unter Druck."
    Schon heute kann das Land seine Bevölkerung nur kaum mit Wasser und Nahrung versorgen. Aufklärungskampagnen sollten das Problem lösen; schon seit Jahrzehnten gibt es sie - bisher ohne wirklichen Erfolg. Den soll jetzt der neue Anlauf mit den Vereinten Nationen bringen. Das Ziel: bis 2020 soll die Hälfte der Bevölkerung Zugang zu Verhütungsmitteln haben. Aktuell sind es nur 12 Prozent.
    Heute leben im Niger rund 20 Millionen Menschen. Wenn die Kampagne dieses Mal nicht zündet, fürchten die Vereinten Nationen, wird sich Nigers Bevölkerung in rund einem Jahrzehnt verdoppeln.