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Nobelpreisvergabe
Männliche Machtstrukturen bremsen Frauen aus

Nobelpreise in der Naturwissenschaft gehen traditionell hauptsächlich an Männer - obwohl nicht weniger Frauen diese Fächer studieren. Studien legen nahe, dass Fehleinschätzungen der Leistungen von Frauen und mangelnde Aufstiegschancen dafür verantwortlich sind.

Von Christine Westerhaus | 04.10.2019
Nobel Prize winner Donna Strickland shows the media her lab after speaking about her prestigious award in Waterloo, Ont., on Tuesday, Oct. 2, 2018. Strickland is among three physicists who were awarded the prize earlier today for groundbreaking inventions in the field of laser physics and also is one of only three women ever to win the Nobel Prize for physics, co-invented a method of generating high-intensity, ultra-short optical pulses which has a variety of applications, including corrective laser eye surgery. (Nathan Denette/The Canadian Press via AP) |
Donna Strickland erhielt im letzten Jahr den Nobelpreis für Physik - und war erst die dritte Frau in der Geschichte dieses Preises (picture alliance / AP Images / Nathan Denette)
Als im vorigen Jahr Donna Strickland den Nobelpreis für Physik erhielt, war das sogar in der Tagesschau der Erwähnung wert. Die Kanadierin war erst die dritte Frau in der Geschichte dieses Preises. Bis Donna Strickland an der Reihe war, waren 55 Jahre vergangen. Als ihr Name bekannt gegeben wurde, hatte sie nicht einmal einen Eintrag bei Wikipedia. Das Onlinelexikon fand ihre Leistungen nicht wichtig genug. Solche Fehleinschätzungen von Frauen seien symptomatisch für die Naturwissenschaften, meint Agnes Wold von der Göteborg Universität.
"Ich glaube, dass die Leute immer noch dieses komische Bild vor Augen haben, dass richtige Forscher Männer sein müssen. Und dass es nicht so glamourös ist, wenn Frauen forschen."
Leistungen von Frauen schlechter bewertet
Dabei hätten Frauen in den Naturwissenschaften längst aufgeholt. Doch viele Studien zeigen: Die Leistungen von Frauen werden in der Wissenschaft durch die Bank schlechter bewertet als die von Männern. 1995 hat Agnes Wold gemeinsam mit einer Kollegin systematisch untersucht, wie der schwedische Forschungsrat Bewerbungen auf Post-Doc Stellen einstuft. Wie sieht sie die Situation heute?
"Es zeigte sich damals, dass Männer eine viel größere Chance hatten, diese Stellen zu bekommen. Und damals sagten alle: Ja, Frauen schreiben aber auch viel schlechtere Forschungsanträge, publizieren so schlecht und arbeiten in so langweiligen Forschungsgebieten. Wir konnten aber zeigen, dass das überhaupt keine Rolle spielte. Das, was eine Rolle spielte, war das Geschlecht der Bewerber. Um im Auswahlverfahren genauso gut bewertet zu werden wie ein Mann, brauchte eine Frau 2,6 mal so viele Publikationen."
Männliche Machtstrukturen
Seit dieser Studie sei zwar viel Zeit vergangen, meint Agnes Wold. Doch die Machtstrukturen seien immer noch dieselben. Außerdem säßen im Nobelpreiskomitee Menschen, die am liebsten ihr eigenes Forschungsgebiet auszeichnen und dabei Frauen regelmäßig übergehen.
"Es sitzen wirklich unmögliche Leute im Nobelpreis-Komitee. Sie haben total radikale Ansichten und das ist etwas, das mich in den Wahnsinn treibt. Immer, wenn es um Prestige und viel Geld geht, zieht das eine bestimmte Klientel von Leuten an. Es geht um Machtspiele und so weiter und Frauen werden systematisch dabei heraus zentrifugiert. Ich kann dieses Machtgefüge nicht exakt erklären. Aber ich habe es tausendmal beobachtet. Nicht nur beim Nobelpreis, sondern auch bei anderen Forschungspreisen."
Weniger Zugang zu allen Ressourcen
In ein paar Ländern gibt es inzwischen zaghafte Versuche, die Aufstiegschancen von Frauen in der Wissenschaft zu verbessern. In Norwegen beispielsweise haben Forschungsanträge eine größere Chance, bewilligt zu werden, wenn auch eine Frau unter den Bewerbern beziehungsweise Bewerberinnen ist. Doch um Frauen wirklich dieselben Chancen in den Naturwissenschaften zu eröffnen, muss sich grundsätzlich etwas ändern, meint Agnes Wold.
"Solange man es nicht will, wird sich nichts ändern. Dabei muss man aus diesem Teufelskreis ausbrechen: Frauen haben es schwerer, Artikel zu publizieren und bekommen deshalb weniger Forschungsgelder, seltener eine Anstellung. Und wenn du keine Stelle und keine Finanzierung hast, kannst du nicht forschen. Es gibt unendlich viele Studien, die diesen Zusammenhang zeigen. Weibliche Forscherinnen haben weniger Laborplätze, weniger Assistenz, weniger von allen Ressourcen. Sie müssen ganz einfach viel mehr leisten."
Entwicklerinnen der Genschere nobelpreiswürdig
Trotz dieser widrigen Bedingungen gibt es aber immer wieder Frauen, die in der Wissenschaft von sich reden machen. Emmanuelle Charpentier und ihre Kollegin Jennifer Doudna sind zwei von ihnen. Die beiden haben vor ein paar Jahren die Genschere CRISPR-CAS entwickelt, mit der sich gezielt Gene in Zellen einschleusen lassen. Eine bahnbrechende Entwicklung, die auf jeden Fall ausgezeichnet werden sollte. Findet nicht nur Agnes Wold.
"Ich verstehe nicht, worauf wir noch warten. Die beiden müssen den Nobelpreis bekommen."