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"Noch eine ganze Menge zu tun"

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach beklagt eine Verschlechterung des Gesprächsklimas in der Großen Koalition. Die SPD sei als Verhandlungspartner in den vergangenen Monaten "zunehmend schwieriger geworden", sagte der CDU-Politiker. Einige Sozialdemokraten wollten ihre Partei gegen die Union als Koalitionspartner profilieren.

Moderation: Friedbert Meurer | 20.08.2007
    Friedbert Meurer: In Berlin geht heute die politische Sommerpause zu Ende. Zunächst einmal kommen heute Abend die Spitzen im Kanzleramt zusammen, und natürlich werden sie die gute Nachricht aus Afghanistan freudig aufnehmen, dass die deutsche Geisel befreit worden ist. Aber im Kanzleramt geht es um die weiteren politischen Projekte der Regierung. Diese Woche steht an ein Treffen der Regierung im frisch renovierten Schloss Meseberg. Da will man sich dann Gedanken machen, was man alles noch bis zur nächsten Bundestagswahl auf den Weg bringen will. Die Zeitungen höhnen schon davon, die Große Koalition tue nichts mehr. Sie befinde sich in der Sitzblockade oder weite die Ruhezone aus.

    Am Telefon begrüße ich Wolfgang Bosbach. Er ist der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Bosbach!

    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen Herr Meurer!

    Meurer: Wie viel Tatkraft hat denn noch die Große Koalition?

    Bosbach: Sie muss ausreichend sein, um noch viele wichtige Probleme in der zweiten Hälfte der Wahlperiode anzugehen und auch zu lösen. Die erste Hälfte war geprägt durch die großen Themen Föderalismusreform, Unternehmenssteuer, Rente, Haushalt, aber auch neue Akzente in der Familienpolitik, aber es gibt auch noch eine ganze Menge zu tun.

    Meurer: Die Tatkraft muss ausreichend sein, sagen Sie. Haben Sie Zweifel?

    Bosbach: Ich habe insoweit Zweifel, als doch die SPD in den letzten Monaten als Koalitions- und Verhandlungspartner zunehmend schwieriger geworden ist. Ich gehe mal davon aus, dass das daran liegt, dass die SPD in Umfrageergebnissen zurzeit schwächelt und sich offensichtlich doch die Auffassung zumindest in Teilen durchsetzt, dass man sich profilieren könnte gegen den Koalitionspartner. Ich glaube nicht, dass das eine erfolgreiche Strategie ist. Und das Stärker-Werden der Linken, das spüren wir in der politischen Arbeit und macht die SPD auch zunehmend nervös.

    Meurer: Dem könnte ja die Union konkrete Projekte entgegensetzen. Was hat denn die Union zu bieten, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen?

    Bosbach: Ich glaube, dass das Entscheidende ist, dass wir uns als Koalition dadurch profilieren, dass wir Probleme lösen und dass wir die Zukunft gestalten. Das wird auch unsere Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern erhöhen. Wenn ich jetzt die beiden Umfrageergebnisse der großen Volksparteien addiere, dann liegen wir zurzeit noch deutlich unter 70 Prozent. Es gab mal Bundestagswahlen, da hatten die beiden großen Volksparteien zusammen immer zwischen 80 und 90 Prozent.

    Wir haben eine gute konjunkturelle Lage. Wir werden in wenigen Tagen auch die Zahlen bekommen für das zweite Quartal 2007. Wir haben sicherlich keine konjunkturelle Überhitzung, aber wir haben einen sich selbst tragenden Aufschwung. Jetzt dürfen wir aber nicht die Hände in den Schoß legen, angesichts der guten Entwicklung, sondern wir müssen konsequent fortsetzen die Politik für mehr Wachstum und Beschäftigung.

    Nehmen wir nur mal ein Beispiel: Wir haben eine hohe Zahl an offenen Stellen, die wir nicht besetzen können. Wir haben in Teilen der Wirtschaft auch einen Fachkräftemangel. Ich hoffe aber, dass sich die Koalition darauf verständigt, dass die Vermittlung und die Weiterqualifizierung von Arbeitslosen auch Vorrang haben muss vor einer weiteren Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer auf den deutschen Arbeitsmarkt.

    Meurer: Macht, Herr Bosbach, die Kanzlerin nur, wie oft gesagt wird, Wohlfühlpolitik?

    Bosbach: Nein. Ich lese das immer wieder mit wachsendem Unverständnis. Angela Merkel macht ihren Job hervorragend. Sie ist eine ausgezeichnete Bundeskanzlerin. Dass man ihr jetzt vorhält, sie habe sich in der ersten Hälfte der Wahlperiode überwiegend auf Gipfeln bewegt, das liegt doch in der Natur der Sache. Wir waren Gastgeber beim G8-Gipfel. Wir hatten die EU-Ratspräsidentschaft. Das waren große Herausforderungen für Deutschland, insbesondere für die Bundeskanzlerin, und sie hat diese Aufgaben hervorragend gemeistert. In der zweiten Hälfte der Wahlperiode wird sie sich mehr auf die innenpolitischen Themen und Entscheidungen konzentrieren müssen.

    Meurer: Am Donnerstag und Freitag in Schloss Meseberg geht es um Themen wie den Klimaschutz. Das ist ja alles sehr erfreulich, auch dass die Kanzlerin auf Grönland war und sich die Eisberge angeschaut hat. Aber wo sind die Initiativen für das Wachstum und die Wirtschaft?

    Bosbach: Ich glaube, dass wir gerade in den letzten Jahren - nehmen Sie mal das Beispiel Unternehmenssteuerreform - bewiesen haben, dass die Koalition handlungsfähig ist und auch die Weichen in die richtige Richtung stellt. Nehmen Sie das Thema Haushaltskonsolidierung. Das wichtige Thema Entbürokratisierung spielt ja fast nur noch, ich hätte fast gesagt, im Kleingedruckten der Zeitungen eine Rolle. Wir haben wie keine Bundesregierung zuvor das Thema Entbürokratisierung angepackt. Wir haben zwei große Gesetzespakete zur Entbürokratisierung auf den Weg gebracht. Auch der Normenkontrollrat im Bundeskanzleramt arbeitet hervorragend. Das sind doch Signale an die Wirtschaft, wo wir deutlich machen, dass wir den Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb wirklich deutlich verbessert haben in den letzten Monaten.

    Meurer: Die alte Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich mächtig mit den Gewerkschaften angelegt, hat das Arbeitslosengeld von der Zeitstrecke her gekürzt. Die SPD hat heute darunter zu leiden. Verzichtet die Kanzlerin darauf, der Bevölkerung Opfer zuzumuten, weil sie der Partei nicht schaden will?

    Bosbach: Mit Verlaub: Wir haben gerade das Gegenteil gemacht. Erinnern Sie sich doch bitte einmal an den letzten Bundestagswahlkampf. Als wir als Union die Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte angekündigt haben, hatten wir im Wahlkampf sicherlich einen großen Nachteil gegenüber der SPD, die damals verkündet hat, kommt mit uns nicht in die Tüte. Das Ergebnis ist bekannt. Man hat uns ja gerade nach dem Wahltag auch vorgehalten, wir hätten doch zu Unpopuläres auch propagiert im Bundestagswahlkampf, und das sei in Wahlkämpfen nie gut. Ich füge allerdings hinzu: Wenn es in der Sache unausweichlich notwendig ist, dann muss man auch den Mut zu unpopulären Entscheidungen haben. Und dann ist es besser man sagt es vor dem Wahltag, als man tut es hinterher und wird mit dem Vorwurf des Wortbruches konfrontiert.

    Auch die Rentenreform - alles andere als populär, aber angesichts der Notwendigkeit, die Arbeitskosten nicht weiter steigen zu lassen, und angesichts der demografischen Entwicklung war diese Rentenreform notwendig.

    Meurer: Welche unpopuläre Entscheidung schlagen Sie vor, Herr Bosbach?

    Bosbach: Es geht doch nicht darum, unpopuläre Entscheidungen zu machen; es geht darum, richtige Entscheidungen zu treffen. Sie können im Einzelfall auch unpopulär sein. Nehmen Sie einmal das Beispiel Klimaschutz. Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung ist aus guten Gründen dafür, dass wir den Klimaschutz energischer anpacken als in der Vergangenheit. Aber ich bin mir ziemlich sicher: wenn jetzt einzelne Maßnahmen vorgeschlagen werden, nehmen Sie im Bereich des Verkehrs, nehmen Sie im Bereich der energetischen Gebäudesanierung, wird es an diesen Vorschlägen sicherlich auch Kritik geben.

    Meurer: Ist die CDU in der Zwischenzeit nach der letzten Bundestagswahl nach links gerückt und eine sozialdemokratische Partei geworden?

    Bosbach: Auch dieser Vorwurf kommt ja mit schöner Regelmäßigkeit wieder. Ich sehe das mit Verlaub nicht so. Ich habe allerdings in einem Punkt ein herzliches Anliegen an uns selber und auch an die Koalition. Vielleicht greift das auch den Inhalt Ihrer Frage auf. Wir haben uns als Politik in den letzten Jahren konzentriert auf die Transferleistungsempfänger, auf diejenigen, die ganz oder teilweise durch staatliche Unterstützung leben. Etwas aus dem Blick geraten sind uns die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Deswegen müssen wir aufpassen, dass wir nicht nur Politik machen für diejenigen, die staatliche Transferleistungen erhalten, Beispiel jetzt das Thema Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze.

    Es gibt auch viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mit ihren ganz regulären Einkommen, auch Einkommen, die resultieren aus abgeschlossenen Tarifverträgen, gerade so über die Runden kommen, die möglicherweise netto genauso viel oder vielleicht sogar noch weniger haben als Transferleistungsempfänger. Deswegen dürfen wir die bei den politischen Entscheidungen nicht aus dem Auge verlieren. Das ist das Thema "Keine weiteren Erhöhungen der Arbeitskosten". Auch ich füge hinzu "Senkung des Versicherungsbeitrages zur Arbeitslosenversicherung", denn dieses Geld gehört denjenigen, die die Beiträge zahlen, also Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Hier können wir auch die Arbeitskosten senken und dadurch auch mehr Arbeit in Deutschland generieren. Und wir dürfen auch das Thema Steuerreform nicht aus dem Auge verlieren. Die Merz'sche Steuerreform von Friedrich Merz war in ihren Ansätzen und Grundzügen richtig, und sie ist es auch heute noch. Auch die Senkung des Solidaritätszuschlages, der einmal nur auf Zeit eingeführt wurde, darf doch nicht auf Dauer tabuisiert werden.

    Meurer: Das war Wolfgang Bosbach, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion, bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Bosbach, vielen Dank und auf Wiederhören.

    Bosbach: Ich danke Ihnen.