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Noch kein Signal für den Machtwechsel

Seitdem Berlusconis Partei bei den Kommunalwahlen eine herbe Niederlage einstecken musste, scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis seine wacklige Regierungskoalition auseinanderbricht. Doch ist die Opposition in der Lage, dann anstehende Neuwahlen für sich zu nutzen?

Von Kirstin Hausen | 08.06.2011
    "Der Wind hat sich gedreht, das spüren wir deutlich" … sagt Andrea Crespi, ein Mailänder Anwalt für Familienrecht. Er beobachtet die Wasserfontäne auf der zentralen Piazza San Babila, die nicht richtig funktioniert. Irgendetwas stört den Mechanismus und das Wasser entweicht nach allen Seiten. So geht es auch Berlusconi, ihm laufen die Wähler davon, schmunzelt der Endvierziger. Er selbst hat bei der Mailänder Kommunalwahl ebenfalls gegen Berlusconi und für den Wechsel gestimmt. Obwohl sich Crespi nicht politisch links einordnet, hat er seine Stimme dem linken Bürgermeisterkandidaten Giuliano Pisapia gegeben.

    "Auch weil es den Kommunismus, vor dem uns Berlusconi immer warnt, gar nicht mehr gibt. Das ist ein veraltetes Schreckgespenst und in Wahrheit sind sie viel moderater als er sie darstellt."

    Mailands neuer Bürgermeister gehört einer politischen Bewegung an, die sich 2009 von Rifondazione Communista abgespalten hat und den Sozialismus in ihrem Parteinamen trägt. "Sozialismus, Ökologie, Freiheit" heißt sie. Ihre Führungsfigur ist der charismatische Nichi Vendola, Präsident der Region Apulien. Vendola hat schon beizeiten klar gemacht, dass er als Spitzenkandidat der linken Opposition gegen Berlusconi antreten will, wann immer es zu Wahlen kommen wird. Die guten Ergebnisse seiner Partei bei den Kommunalwahlen bestärken ihn nun in diesem Anspruch. Richtig so, findet Andrea Crespi.

    "Vendola führt den Krieg gegen Berlusconi mit politischen Argumenten, nicht mit persönlichen Angriffen. Das macht ihm Ehre."

    Nichi Vendola stellt nicht nur Silvio Berlusconi infrage, sondern das Gesellschaftsmodell, das Berlusconi dem Land immer wieder als modern anpreist. Privat statt öffentlich, Individualität statt Solidarität, Konsum statt Kultur– Vendola erteilt dem allen eine Absage.

    "In Kultur investieren, heißt in die Zukunft zu investieren, in die Demokratie und in die Freiheit. Ohne Kultur gibt es keine Freiheit. Eine Gesellschaft ohne Kultur ist nicht frei."

    Nichi Vendola ist stolz auf sein katholisch-kommunistisches Elternhaus, wo sowohl der Papst als auch die Sowjetführer hoch angesehen waren, er verleugnet seine politischen Wurzeln in der Kommunistischen Partei Italiens nicht. Das macht ihn für viele Italiener glaubwürdiger als Spitzenpolitiker der Demokratischen Partei wie Gianluigi Bersani oder Massimo D'Alema, die ebenfalls aus der kommunistischen Ecke kommen, dies heute aber zu verbergen suchen. Der Turiner Politikwissenschaftler Gian Enrico Rusconi:

    "Das ist doch immer die gleiche alte Garde aus Spätkommunisten, die sich zu sehr auf die Psychologie der Führungsfigur Berlusconi konzentriert hat."

    Doch noch etwas unterscheidet diese Oppositionspolitikern von jenen wie Nichi Vendola: ihr Auftreten und ihr Selbstverständnis. Wenn sich Vendola auf seiner Homepage als Genussmenschen beschreibt, als narzisstisch, albern und spielerisch, dann könnte der Kontrast zu den ernsthaften Gesichtern des partito democratico nicht größer ausfallen. Die Frage ist, wie sich die verschiedenen Seelen der linken Opposition zusammenführen lassen, um ein gemeinsames Lager gegen Rechts zu bilden. 2006 war eine breite Mitte-Links-Koalition unter Führung von Romano Prodi zwar siegreich aus den Wahlen hervorgegangen, dann aber an internen Streitereien gescheitert.

    "In der jetzigen Phase spielt die Taktik eine große Rolle,"

    … sagt der Lokalpolitiker Roberto Nava. Er hat das Parteibuch des partito democratico, ist in seinem Heimatort vor den Toren Mailands aber mit einer Listenverbindung angetreten, die auch andere linke Parteien umfasste. Mit Erfolg.

    "Ich bin für ein bipolares System, in dem sich jeder Politiker entscheiden muss, auf welcher Seite er steht. Rechts oder links. Wenn wir in diesem Land einen Schritt vorwärts machen wollen, dann sicher nicht, indem wir uns je nach politischer Wetterlage zusammenschließen."

    Ein gemeinsames Programm mit einigen grundsätzlichen Punkten wäre ein wichtiger Schritt und Signal an die Italiener, dass sich die linke Opposition auf einen Machtwechsel vorbereitet. Doch das gibt es bisher nicht.