Hans-Joachim Wiese: Am Telefon begrüße ich jetzt den Ostdeutschen CDU-Politiker, Günter Nooke.
Günther Nooke: Schönen guten Morgen, Herr Wiese.
Wiese: Was ist da denn los in der Union? Warum stempeln führende Unionspolitiker die Ostdeutschen zu Sündenböcken?
Nooke: Das war ja Edmund Stoiber im Bierzelt in Bayern. Ich habe den Eindruck, dass der Stoiber auf eigene Rechnung in Bayern Wahlkampf macht und dass er seine Leute mobilisiert. Ich teile seine Auffassung nicht. Die ganzen Vereinfachungen helfen im Wahlkampf überhaupt nicht. Wir müssen schon etwas differenzierter darüber reden. Und wenn er von Frustrierten spricht, dann bleibt ja die Frage zu beantworten, warum sind Menschen in Ostdeutschland frustriert, warum geht es ihnen wirklich zum Teil sehr schlecht. Weil sie keine Arbeitsplätze haben und das nicht nur für ein Vierteljahr oder halbes Jahr, sondern seit zehn Jahren. Und da muss man schon fragen, was ist falsch gelaufen, insbesondere aber dann auch, was ist in den letzten sieben Jahren alles versäumt worden, wo man hätte handeln können. Und da liegt die Verantwortung nicht bei der Union, sondern bei Rot-Grün.
Wiese: Aber wenn Herr Stoiber in bayerischen Bierzelten in dieser Form über die Ostdeutschen herzieht, dann spielt er doch eigentlich Ostdeutschland und Westdeutschland gegeneinander aus. Das ist doch eindeutig so, oder?
Nooke: Ich habe aber nicht den Eindruck, dass das für den einen oder anderen Politiker auch anderer Parteien in Westdeutschland nicht eine Versuchung ist, die manchmal dann doch auch verbal ausgedrückt wird. Ich finde, es geht vielmehr darum, dass wir die Probleme der Menschen im Osten ernst nehmen und dass wir nicht neue Mauern aufbauen, dass wir nicht neue Spaltungen verbal formulieren. Sondern dass wir einfach sagen, wir werden uns um den Osten Deutschlands wieder stärker kümmern. Und jetzt könnte man die Stoiber-Äußerung auch etwas sportlich nehmen und den Wettbewerb einmal anfangen. Warum sollen die Ostdeutschen nicht auch eigentlich eine ostdeutsche Kanzlerin wählen und mit ihrer überdurchschnittlichen Stimmabgabe im Osten für die CDU und für Angela Merkel dafür sorgen, dass diese Kanzlerin gar nicht daran vorbei kann, weil die Wahlen wirklich im Osten entschieden wurden, nämlich für die CDU. Also ich glaube, dass hier ganz deutlich gesagt werden muss, wir kämpfen auch - ich auch in Pankow zum Beispiel - um jede Stimme auch von PDS-Wählern oder dieser komischen Linkspartei. Es kann ja nicht sein, dass jetzt auch die PDS da noch vom Westen unterwandert wird, das sind ja auch Dinge, da sind ja auch Auseinandersetzungen Ost-West, Gysi-Lafontaine, das passt ja alles nicht zusammen. Wir müssen uns der Probleme im Osten annehmen und ich glaube, wir müssen sie gemeinsam in Deutschland lösen. Das ist eine Herausforderung für die nächste Bundesregierung und für alle Deutschen, und das sollten wir auch so besprechen.
Wiese: Aber Herr Nooke, wenn zum Beispiel Jörg Schönbohm die Sozialisation der Ostdeutschen in der DDR für neun Babymorde verantwortlich macht, dann deutet das doch auf eine - moderat gesagt - schwere Aversion gegenüber den Ostdeutschen hin.
Nooke: Vielleicht ist es auch wichtig, dass ein paar ostdeutsche Politiker über den Osten reden und nicht Leute, die hier nicht groß geworden sind in den neuen Bundesländern. Ich finde, dass die Union da gut beraten ist, ihre Ostkompetenz nicht zu verleugnen und es wäre besser, wenn nicht Söder und Stoiber und manchmal vielleicht auch Schönbohm über die Sozialisation und die Menschen im Osten reden, weil sie es einfach nicht verstehen. Die Schönbohm-Äußerung kann man nur zurückweisen, die ist in jeder Hinsicht falsch. Kollektive Erklärungsmuster funktionieren sowieso nicht bei solchen, geradezu abartigen Verbrechen.
Wiese: Aber warum sagt denn Angela Merkel, die CDU-Chefin und Kanzlerkandidatin nichts? Die ist doch so auffällig still in all diesen Auseinandersetzungen.
Nooke: Ich glaube, Angela Merkel hat sich zu all dem schon geäußert. Und sie ist als Person, die ihren Wahlkreis in Rügen und Stralsund hat, ja auch jemand, der über die Probleme der Ostdeutschen sehr gut im Bilde ist. Sie muss das nicht ständig sagen. Sie will Kanzlerin von ganz Deutschland werden, und sie tritt natürlich auch als Kanzlerin für alle Deutschen an. Da muss sie nicht ihre Ostherkunft ständig betonen. Das wissen die, die darüber einen Augenblick nur nachdenken, sehr wohl wo sie her kommt. Und ich kann mich an viele Fraktionssitzungen im Deutschen Bundestag der CDU/CSU-Fraktion erinnern, wo sie auch Beispiele aus ihrer Bürgersprechstunde eben nannte, um auch einigen, die in West- oder Süddeutschland leben, klar zu machen, dass da noch ein paar Probleme sind, die man erst einmal wahrnehmen muss, ehe man darüber abfällig spricht.
Wiese: Sie nannten eben die Ostdeutschen, die in der Tat - zumindest teilweise - frustriert sind aufgrund der Verhältnisse, so wie sie eben sind. Da ist nun die neue Linkspartei, die nannten Sie auch, und die hat in den neuen Bundesländern besonders großen Zulauf. Also geht sie offensichtlich besser auf die Bedürfnisse der Ostdeutschen ein, als die anderen Parteien.
Nooke: Nein, ich glaube die Linkspartei ist eine rein populistische Protestveranstaltung, die ja versucht, Protestwählerpotenzial zu mobilisieren. Überlegen Sie einmal, was dort läuft: Lafontaine spricht von Fremdarbeitern, Gysi sagt, wir kämpfen jetzt um jeden NPD-Wähler, wir machen Sprüche am rechten Rand. Frau Künast ist übrigens auch noch dabei. Die sagt jetzt, Deutsche sollen bei Deutschen kaufen. Also, überlegen Sie einmal, mit welchem Vokabular dort eigentlich eine angeblich linke Partei einen so dumpfen, ja kann man schon sagen, völlig schwachsinnigen Wahlkampf mach. Und ich glaube, dieser Verführung werden die Ostdeutschen nicht erliegen. Sonst würden sie sich wirklich keinen großen Gefallen tun, weil dann der Eindruck entsteht, dass sie ihre eigenen politischen Interessen nicht wahrnehmen können, denn diese Partei wird ganz sicher nicht regieren. Mit der will keiner etwas zu tun haben. Je stärker die ist, umso weniger wird man auf die Interessen und die Menschen im Osten Rücksicht nehmen können, weil dann nämlich die, die regieren, eher im Westen gewählt wurden.
Wiese: Die CSU hat für die Union in ganz Deutschland als Zielvorgabe 45 Prozent genannt. Was sagen Sie denn dazu?
Nooke: Das ist auch wieder eine Zahl, die aus Bayern kommt. Da ist es ja üblich, diese Prozentzahlen zu nennen. Das mag ja auch anspornen. Aber ich hatte den Eindruck, dass Herr Söder besser beraten gewesen wäre, noch einmal auf die 38,5 Prozent von Herrn Stoiber bei der letzten Wahl zu schauen. Wir wollen gewinnen, Schwarz-Grün, das heißt, das muss reichen für eine Mehrheit. Und das ist mir wichtig, dass wir eine Mehrheit für einen klaren Wechsel für einen richtigen Politikwechsel und gute Politik bekommen und nicht, dass es sehr viel sein muss. Hauptsache, wir brauchen keine große Koalition, damit sich wirklich das ändert in Deutschland, was geändert werden muss.
Wiese: Ich danke Ihnen für das Gespräch. Das war in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk der CDU-Politiker aus Ostdeutschland, Günter Nooke.
Günther Nooke: Schönen guten Morgen, Herr Wiese.
Wiese: Was ist da denn los in der Union? Warum stempeln führende Unionspolitiker die Ostdeutschen zu Sündenböcken?
Nooke: Das war ja Edmund Stoiber im Bierzelt in Bayern. Ich habe den Eindruck, dass der Stoiber auf eigene Rechnung in Bayern Wahlkampf macht und dass er seine Leute mobilisiert. Ich teile seine Auffassung nicht. Die ganzen Vereinfachungen helfen im Wahlkampf überhaupt nicht. Wir müssen schon etwas differenzierter darüber reden. Und wenn er von Frustrierten spricht, dann bleibt ja die Frage zu beantworten, warum sind Menschen in Ostdeutschland frustriert, warum geht es ihnen wirklich zum Teil sehr schlecht. Weil sie keine Arbeitsplätze haben und das nicht nur für ein Vierteljahr oder halbes Jahr, sondern seit zehn Jahren. Und da muss man schon fragen, was ist falsch gelaufen, insbesondere aber dann auch, was ist in den letzten sieben Jahren alles versäumt worden, wo man hätte handeln können. Und da liegt die Verantwortung nicht bei der Union, sondern bei Rot-Grün.
Wiese: Aber wenn Herr Stoiber in bayerischen Bierzelten in dieser Form über die Ostdeutschen herzieht, dann spielt er doch eigentlich Ostdeutschland und Westdeutschland gegeneinander aus. Das ist doch eindeutig so, oder?
Nooke: Ich habe aber nicht den Eindruck, dass das für den einen oder anderen Politiker auch anderer Parteien in Westdeutschland nicht eine Versuchung ist, die manchmal dann doch auch verbal ausgedrückt wird. Ich finde, es geht vielmehr darum, dass wir die Probleme der Menschen im Osten ernst nehmen und dass wir nicht neue Mauern aufbauen, dass wir nicht neue Spaltungen verbal formulieren. Sondern dass wir einfach sagen, wir werden uns um den Osten Deutschlands wieder stärker kümmern. Und jetzt könnte man die Stoiber-Äußerung auch etwas sportlich nehmen und den Wettbewerb einmal anfangen. Warum sollen die Ostdeutschen nicht auch eigentlich eine ostdeutsche Kanzlerin wählen und mit ihrer überdurchschnittlichen Stimmabgabe im Osten für die CDU und für Angela Merkel dafür sorgen, dass diese Kanzlerin gar nicht daran vorbei kann, weil die Wahlen wirklich im Osten entschieden wurden, nämlich für die CDU. Also ich glaube, dass hier ganz deutlich gesagt werden muss, wir kämpfen auch - ich auch in Pankow zum Beispiel - um jede Stimme auch von PDS-Wählern oder dieser komischen Linkspartei. Es kann ja nicht sein, dass jetzt auch die PDS da noch vom Westen unterwandert wird, das sind ja auch Dinge, da sind ja auch Auseinandersetzungen Ost-West, Gysi-Lafontaine, das passt ja alles nicht zusammen. Wir müssen uns der Probleme im Osten annehmen und ich glaube, wir müssen sie gemeinsam in Deutschland lösen. Das ist eine Herausforderung für die nächste Bundesregierung und für alle Deutschen, und das sollten wir auch so besprechen.
Wiese: Aber Herr Nooke, wenn zum Beispiel Jörg Schönbohm die Sozialisation der Ostdeutschen in der DDR für neun Babymorde verantwortlich macht, dann deutet das doch auf eine - moderat gesagt - schwere Aversion gegenüber den Ostdeutschen hin.
Nooke: Vielleicht ist es auch wichtig, dass ein paar ostdeutsche Politiker über den Osten reden und nicht Leute, die hier nicht groß geworden sind in den neuen Bundesländern. Ich finde, dass die Union da gut beraten ist, ihre Ostkompetenz nicht zu verleugnen und es wäre besser, wenn nicht Söder und Stoiber und manchmal vielleicht auch Schönbohm über die Sozialisation und die Menschen im Osten reden, weil sie es einfach nicht verstehen. Die Schönbohm-Äußerung kann man nur zurückweisen, die ist in jeder Hinsicht falsch. Kollektive Erklärungsmuster funktionieren sowieso nicht bei solchen, geradezu abartigen Verbrechen.
Wiese: Aber warum sagt denn Angela Merkel, die CDU-Chefin und Kanzlerkandidatin nichts? Die ist doch so auffällig still in all diesen Auseinandersetzungen.
Nooke: Ich glaube, Angela Merkel hat sich zu all dem schon geäußert. Und sie ist als Person, die ihren Wahlkreis in Rügen und Stralsund hat, ja auch jemand, der über die Probleme der Ostdeutschen sehr gut im Bilde ist. Sie muss das nicht ständig sagen. Sie will Kanzlerin von ganz Deutschland werden, und sie tritt natürlich auch als Kanzlerin für alle Deutschen an. Da muss sie nicht ihre Ostherkunft ständig betonen. Das wissen die, die darüber einen Augenblick nur nachdenken, sehr wohl wo sie her kommt. Und ich kann mich an viele Fraktionssitzungen im Deutschen Bundestag der CDU/CSU-Fraktion erinnern, wo sie auch Beispiele aus ihrer Bürgersprechstunde eben nannte, um auch einigen, die in West- oder Süddeutschland leben, klar zu machen, dass da noch ein paar Probleme sind, die man erst einmal wahrnehmen muss, ehe man darüber abfällig spricht.
Wiese: Sie nannten eben die Ostdeutschen, die in der Tat - zumindest teilweise - frustriert sind aufgrund der Verhältnisse, so wie sie eben sind. Da ist nun die neue Linkspartei, die nannten Sie auch, und die hat in den neuen Bundesländern besonders großen Zulauf. Also geht sie offensichtlich besser auf die Bedürfnisse der Ostdeutschen ein, als die anderen Parteien.
Nooke: Nein, ich glaube die Linkspartei ist eine rein populistische Protestveranstaltung, die ja versucht, Protestwählerpotenzial zu mobilisieren. Überlegen Sie einmal, was dort läuft: Lafontaine spricht von Fremdarbeitern, Gysi sagt, wir kämpfen jetzt um jeden NPD-Wähler, wir machen Sprüche am rechten Rand. Frau Künast ist übrigens auch noch dabei. Die sagt jetzt, Deutsche sollen bei Deutschen kaufen. Also, überlegen Sie einmal, mit welchem Vokabular dort eigentlich eine angeblich linke Partei einen so dumpfen, ja kann man schon sagen, völlig schwachsinnigen Wahlkampf mach. Und ich glaube, dieser Verführung werden die Ostdeutschen nicht erliegen. Sonst würden sie sich wirklich keinen großen Gefallen tun, weil dann der Eindruck entsteht, dass sie ihre eigenen politischen Interessen nicht wahrnehmen können, denn diese Partei wird ganz sicher nicht regieren. Mit der will keiner etwas zu tun haben. Je stärker die ist, umso weniger wird man auf die Interessen und die Menschen im Osten Rücksicht nehmen können, weil dann nämlich die, die regieren, eher im Westen gewählt wurden.
Wiese: Die CSU hat für die Union in ganz Deutschland als Zielvorgabe 45 Prozent genannt. Was sagen Sie denn dazu?
Nooke: Das ist auch wieder eine Zahl, die aus Bayern kommt. Da ist es ja üblich, diese Prozentzahlen zu nennen. Das mag ja auch anspornen. Aber ich hatte den Eindruck, dass Herr Söder besser beraten gewesen wäre, noch einmal auf die 38,5 Prozent von Herrn Stoiber bei der letzten Wahl zu schauen. Wir wollen gewinnen, Schwarz-Grün, das heißt, das muss reichen für eine Mehrheit. Und das ist mir wichtig, dass wir eine Mehrheit für einen klaren Wechsel für einen richtigen Politikwechsel und gute Politik bekommen und nicht, dass es sehr viel sein muss. Hauptsache, wir brauchen keine große Koalition, damit sich wirklich das ändert in Deutschland, was geändert werden muss.
Wiese: Ich danke Ihnen für das Gespräch. Das war in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk der CDU-Politiker aus Ostdeutschland, Günter Nooke.