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Nordirland
Neue Regierung, wenig Zuversicht

Drei Jahre dauerte die politische Blockade in Nordirland. Zum letztmöglichen Termin rauften sich die lange verfeindeten Parteien Sinn Féin und DUP zusammen und bildeten eine neue Regionalregierung. Auf die Koalition kommt eine Menge Arbeit zu.

20.01.2020
Blick auf Stormont Castle in Belfast, Sitz des nordirischen Parlaments und Kabinetts.
Blick auf Stormont Castle in Belfast, Sitz des nordirischen Parlaments und Kabinetts. (dpa / picture alliance / PA Paul Faith)
Conor Murphy ist über eines zufrieden: Die irische Sprache wird in Nordirland einen offiziellen Status erhalten. Es geht dem frisch gekürten Finanzminister Nordirlands um kulturelle Identität, und dieses Recht werde den Menschen in Wales doch auch zuerkannt. Conor Murphy, ein Politiker der pro-irischen Partei Sinn Féin, hat selbst irisch an einem ziemlich ungewöhnlichen Ort gelernt: als junger Mann und IRA-Häftling im Gefängnis in Belfast. Er sagt:
"Ich habe mehr Irisch im Gefängnis gelernt als in der Schule. Wir haben uns untereinander im Gefängnis auf Irisch unterhalten, damit uns die britischen Wärter nicht verstehen. Flüssig ist mein Irisch nicht, aber meine beiden Kinder können es gut und meine Tochter ist sogar Irisch-Lehrerin."
Der heutige Finanzminister Nordirlands saß in den 80er Jahren fünf Jahre lang im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis "The Maze" ein. Conor Murphy hatte Sprengstoff für die IRA transportiert.
Einigung beim Sprachenstreit
Mit dem Kompromiss zum Sprachenstreit, der jetzt gefunden wurde, ist er also zufrieden. Nicht aber mit etwas anderem: Premierminister Boris Johnson halte sich nicht an sein Versprechen, Nordirland mit zwei Milliarden Pfund zu unterstützen. Er versprach: "Natürlich werden wir sie unterstützen". Boris Johnson kam eigens nach Belfast, um die Einigung zu würdigen. "Aber es geht nicht nur um Geld, sondern um Führung." - Stellt euren ideologischen Streit zurück und kümmert euch um die Sacharbeit, heißt das. Aber wie soll das mit zu wenig Geld gehen, klagt Sinn Féin-Mann Conor Murphy. Beim Geld sind sich sogar irische Nationalisten und pro-britische Unionisten einig, nicht aber beim Brexit. Arlene Foster, die Chefin der DUP und wiedergewählte Erste Ministerin Nordirlands, klagt, sie höre von Boris Johnson nur warme Worte. An der Grenze zwischen Nordirland und Großbritannien werde sich schon nichts ändern, behaupte er. Arlene Foster:
"Ich war über den im Oktober vereinbarten Vertrag mit der EU besorgt. Ich möchte jetzt aber vom Premierminister hören, wie er dafür sorgen will, dass es keine Schranken zwischen uns und Großbritannien geben wird."
Sinn Féin sieht im Brexit eine Chance
Die Unionisten fürchten, vom Mutterland Großbritannien abgeschnitten zu werden. Sinn Féin dagegen erkennt im Brexit eine Chance, eine Chance dafür, dass es eine Volksabstimmung über eine Wiedervereinigung zwischen Nordirland und der Republik Irland geben könnte. Aber steht die wirklich auf der Tagesordnung? Claire Hanna, eine gemäßigte pro-irische Sozialdemokratin, sagt, Nein:
"Die Mehrheit von uns steht nicht morgens aus dem Bett auf und überlegt, was bedeutet das für eine Wiedervereinigung? Sie fragen sich: Wie gut ist die Schule meiner Kinder ausgestattet? Wann bekomme ich einen Termin im Krankenhaus?"
Um solche Alltagsfragen muss sich die nordirische Regierung jetzt kümmern. Und auch um die Frage, wann endlich die Idee umgesetzt wird, das Gefängnis, in dem Conor Murphy vor 35 Jahren einsaß, in ein Friedenszentrum umzuwandeln. Wegen des nordirischen Stillstands tat sich zuletzt nichts - und die EU hat eine Zusage über gut 20 Millionen Euro zurückgezogen, die für die Friedensarbeit in Nordirland schon bereitgestellt waren.