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Norwegen/EU
Nicht drinnen, nicht draußen

Norwegen bietet viel Anschauungsmaterial in diesen Brexit-Zeiten. Die Bevölkerung hat sich mehrheitlich gegen die EU entschieden. Dennoch ist Norwegen eng an den Binnenmarkt gebunden und Teil des Schengen-Raums. Eine Partnerschaft, die von Geben und Nehmen handelt.

Von Gunnar Köhne |
    Flagge Norwegen
    Norwegen ist nicht EU-Mitglied, aber enger Partner. (picture alliance / ZB / Patrick Pleul)
    Es ist das Jahr 1972: Erstmals seit Kriegsende erlebt das beschauliche Norwegen einen heftigen politischen Streit, der das ganze Land erfasst. Die Aktion "Volksbewegung gegen die Europäische Gemeinschaft" verhindert schließlich in einem Referendum den Beitritt Norwegens zur damaligen Europäischen Gemeinschaft. Ein zweiter Anlauf zum EU-Beitritt scheiterte 1994 in einer Volksabstimmung, wieder mit gut 52 Prozent Nein-Stimmen.
    Heute würden Umfragen zufolge mindestens 70 Prozent aller Norweger gegen einen EU-Beitritt stimmen. Das norwegische Nein ist stabil. Auch, weil Norwegen ja eine Art komfortable "B-Mitgliedschaft" praktiziere, findet Pernille Rieker vom Außenpolitischen Institut in Oslo.
    Geld für Brüssel
    "Durch den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR ist Norwegen vollwertiges Mitglied des EU-Binnenmarktes. Das bedeutet für uns allerdings, dass wir das Regelwerk der EU übernehmen müssen, ohne auf die Beschlüsse selbst besonders viel Einfluss nehmen zu können. Darüber hinaus sind wir Teil des Schengen-Raums, der EU-weiten Polizeizusammenarbeit und der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Man kann sagen, unsere Zusammenarbeit mit der EU umfasst nahezu alle Bereiche."
    Dafür müssen die Norweger knapp 400 Millionen Euro jährlich an Brüssel überweisen. Angesichts sprudelnder Öl- und Gasvorkommen in der Nordsee keine gewaltige Summe. Und sie bekommen viel zurück: 80 Prozent aller norwegischen Exporte gehen in die EU. Darum ist die enge Anbindung an die EU im Storting, dem norwegischen Parlament, unumstritten. Die Verwerfungen, die der Brexit bei den britischen Nachbarn angerichtet hat, habe die Bindungen an Brüssel sogar noch verstärkt, sagt Pernille Rieker. Gerade in unsicheren Zeiten sei es den Norwegern wichtig, starke Partner zu haben:
    "Wir haben uns zum Beispiel den Sanktionen gegen Russland angeschlossen. 95 Prozent aller außenpolitischen Erklärungen der EU werden von uns mitgetragen. Norwegen ist ein kleines Land. Eine völlige staatliche Souveränität kann es für uns nicht geben. Aber den Norwegern ist die gefühlte Souveränität wichtig. Es reicht uns, das Gefühl zu haben, dass wir weiterhin außerhalb der EU stehen."
    Modell Norwegen - Empfehlung für Großbritannien
    Dass freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital auch Bewegungsfreiheit für Arbeitnehmer bedeutet, stört die Norweger nicht sonderlich. Es herrscht nahezu Vollbeschäftigung, - darum sind deutsche Ärzte im dünn besiedelten Norden des Landes genauso willkommen wie polnische Aushilfskräfte in der Sommersaison. Nur über die rumänischen und bulgarischen Bettler auf Oslos Straßen wird immer mal wieder die Nase gerümpft.
    Alles in allem aber würde Pernille Rieker vom Außenpolitischen Institut in Oslo den Briten das Norwegische Modell als Alternative zur EU-Mitgliedschaft empfehlen: "Das Norwegische Modell ist das einzige funktionierende Modell für denjenigen, der weiterhin ein Bestandteil des EU-Binnenmarktes sein will. Eine besseren Deal gibt es nicht - es sei denn, man will den harten Brexit."
    Tatsächlich hätten die Briten, nach dem vorliegenden Entwurf des Brexit-Abkommens, noch weniger Mitsprachrechte in Brüssel als die Norweger bei gleichzeitiger Bindung an den Binnenmarkt. Die Norweger werden immerhin zu den Beratungen von Gesetzen eingeladen. Und ihre Meinung wird geschätzt, etwa in Fragen der Umwelt- und Klimapolitik. Ohnedies, sagen die Norweger, sei die Anpassung an EU-Richtlinien für sie meistens kein Problem, weil sie in vielen politischen Fragen den übrigen Europäern bereits ein paar Schritte voraus seien.