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Norwegen vor 75 Jahren
Die Rückkehr des Königs

Prinz Carl von Dänemark wurde 1872 als Haakon VII. König von Norwegen. Seinen Patriotismus stellte er während des Zweiten Weltkriegs unter Beweis: Kollaboration mit den Deutschen war mit ihm nicht zu machen. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil am 7. Juni 1945 wurde Hakoon VII. in Oslo frenetisch gefeiert.

Von Matthias Bertsch | 07.06.2020
    Der norwegische König Hakoon VII. bei einem Treffen mit Pfadfindern
    Dass die norwegische Monarchie bis heute so beliebt ist, liegt auch an der Standfestigkeit von König Hakoon VII. (Mary Evans Picture Library)
    Als Prinz Carl von Dänemark am 3. August 1872 in Kopenhagen zur Welt kam, schien klar: Für den zweitgeborenen Sohn des Königs war die Krone nicht vorgesehen. Das änderte sich im Sommer 1905. Das norwegische Parlament hatte die seit gut 90 Jahren bestehende Staaten-Union mit Schweden aufgekündigt und war auf der Suche nach einem eigenen Monarchen. Dabei fiel die Wahl auf den dänischen Adligen, der durch seine Ehe mit Prinzessin Maud von Wales enge Kontakte mit dem britischen Königshaus hatte. Nach einigen Gesprächen sagte Prinz Carl zu - unter einer Bedingung, so die Historikerin Hannah Hufnagel:
    "Er hat auf einer Volksabstimmung bestanden, die dann eben auch zugunsten der Monarchie sehr deutlich mit 79 Prozent ausgegangen ist. Und das war für ihn die Voraussetzung, dieses Amt überhaupt erst anzutreten."
    Ein Akt mit großer Symbolkraft
    Im November 1905 leistete der Prinz unter dem norwegischen Namen Haakon VII. seinen Eid auf die norwegische Verfassung, ein halbes Jahr später wurde er in Trondheim zum König gesalbt. Mit der Krone war keine politische Entscheidungsgewalt verbunden, doch die symbolische Bedeutung war groß – und Haakon VII. nutzte sie. Der einzige Sohn der Familie wurde auf norwegisch erzogen, König und Königin genossen landesweit bald hohes Ansehen.
    "Sie haben Skifahren gelernt, was schon der norwegische Nationalsport war, und haben sich sehr bemüht auch, mit Reisen und Kontakt zur Bevölkerung wirklich in Norwegen anzukommen und nicht nur, um da akzeptiert zu werden, sondern um da wirklich heimisch zu werden. Und - das war wohl sehr glaubwürdig, ihr Bemühen, Teil des Landes zu werden.
    Und der König hat sich ja nun auch den sehr programmatischen Wahlspruch 'Alles für Norwegen' gegeben, von dem man auch sagen kann, dass das nicht einfach nur leere Worte waren, sondern das hat er im Zweiten Weltkrieg dann tatsächlich unter Beweis gestellt."
    Hakoon VII. wies Forderungen der deutschen Besatzer zurück
    Als die Wehrmacht Anfang April 1940 Norwegen überfiel, um die Nachschubwege für schwedisches Erz zu sichern, war das bislang neutrale Land schockiert. Trotz heftiger Gegenwehr war der deutsche Sieg angesichts der militärischen Übermacht nur eine Frage der Zeit. Während einige Politiker zur Kollaboration bereit waren, wies Haakon VII. alle deutschen Forderungen zurück und bot der Regierung seinen Rücktritt an. Aber diese lehnte ab und stellte sich geschlossen hinter den König.
    Norwegische Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs Kinder von deutschen Besatzern bekommen haben, aufgenommen 1946 bei ihre Ausreise nach Deutschland. Sie wurden als "Deutschenflittchen" ("Tyskertøs") und Verräterinnen beschimpft, ihr Nachwuchs als "Deutschenkinder" ("Tyskerbarn") bezeichnet. Viele der Kinder wurden im Rahmen des arischen Lebensborn-Programms der Nazis gezeugt.
    Vergangenheitsbewältigung - „Deutschenkinder“ in Norwegen
    Sie wurden "Deutschenflittchen" genannt und nach dem Krieg geächtet, weil sie sich mit Wehrmachtssoldaten eingelassen hatten. Siebzig Jahre später hat sich die norwegische Regierung bei den Müttern entschuldigt.
    Flucht nach Londen
    Mit Hilfe britischer Unterstützung konnten König und Regierung zunächst nach Nordnorwegen fliehen und wurden von dort am 7. Juni auf einem Kriegsschiff nach London evakuiert. Dort setzte die Regierung ihre Arbeit fort. Der König nahm an den regelmäßigen Kabinettssitzungen teil und richtete sich über die BBC an die Norweger:
    "Wir kämpfen gegen einen Feind, der uns nicht versteht, und der die tief verwurzelte Vaterlandsliebe nicht begreift, die allen Norwegern zu eigen ist, und von der wir, die wir jetzt im Ausland leben, mehr als jemals zuvor erfüllt sind. Es ist für uns völlig undenkbar, in einem Norwegen zu leben, in dem wir nicht selbst über unser Schicksal bestimmen, und wir können nicht glauben, dass der Freiheitswille in den Herzen der Norweger jemals erlöschen könnte."
    Deutsche Marionettenregierung in Norwegen ohne Rückhalt
    Der König sollte Recht behalten. Trotz mancher Kollaborateure hatte die von den Deutschen eingesetzte Marionettenregierung in der Bevölkerung keinen großen Rückhalt, der Name des Ministerpräsidenten Vidkun Quisling gilt bis heute als Inbegriff von Verrat. Allerdings: Auch die Zahl der Widerstandskämpfer hielt sich in Grenzen, viele beließen es dabei, eine Kornblume im Knopfloch zu tragen, die Lieblingsblume des Königs.
    Die Besatzung endete mit der Kapitulation der Deutschen am 8. Mai 1945, einen Monat später kehrte Haakon VII. zurück: am 7. Juni, dem fünften Jahrestag seiner Flucht ins Exil. Es war ein triumphaler Empfang: Bereits im Hafen von Oslo wurde der König von einer jubelnden Menschenmenge empfangen, die Hauptstadt war über und über mit Fahnen geschmückt.
    Monarchie hat bis heute einen hohen Stellenwert
    "Man hat sich bemüht, eine möglichst lange Route durch die Stadt festzulegen, damit viele den König würden sehen können, und das war dann ähnlich, wie wir das heute auch von royalen Großereignissen kennen, dass die Ersten am Vortag mit Trittleitern und Schlafsäcken sich an der Strecke positioniert haben. Die Menschen kamen aus dem Umland mit Zügen in die Hauptstadt gereist, so dass letztlich so 400.000 Norweger an der Strecke gewesen sein müssen und das ist mehr als Oslo damals Einwohner hatte."
    Nach dem Krieg zog sich Haakon VII. wieder aus der Politik zurück. Er starb 1957. Doch dass die Monarchie in Norwegen bis heute eine hohe symbolische Bedeutung hat, hängt stark mit der unbeugsamen Haltung des Königs während der deutschen Besatzung zusammen.