Donnerstag, 25. April 2024

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Lage nach Zyklon Idai
Der "Albtraum einer großen, klassischen Katastrophe"

Die Zerstörungen in Südostafrika durch Zyklon Idai stellten Hilfsorganisationen vor gewaltige logistische Probleme, sagte Wolfgang Tyderle, CARE-Nothilfe-Koordinator, im Dlf. Die Gefahr von Seuchen sei extrem hoch - und durch vernichtete Ernten käme eine Langzeitkrise auf die Region zu.

Wolfgang Tyderle im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 20.03.2019
Ein Schwerverletzter wird von Hilfskräften zu einem Hubschrauber gefahren in Chimanimani in Simbabwe am 19. März 2019.
Mosambik und Simbabwe erklärten für mehrere Gebiete den Notstand (picture alliance / Tafadzwa Ufumeli)
Jörg Münchenberg: Es hat ziemlich lange gedauert, bis überhaupt klar geworden ist, wie verheerend das Ausmaß der Zerstörung durch den Zyklon Idai im südöstlichen Afrika tatsächlich ist, was dann auch einiges über den Stellenwert dieser Region in der globalen Wahrnehmung aussagt. Doch inzwischen steht fest: Es gibt in Mosambik und Simbabwe mehrere hundert Tote. Die Zahlen dürften jedoch noch steigen. Und die humanitäre Lage für die Menschen dort ist katastrophal.
Am Telefon ist jetzt Wolfgang Tyderle. Er ist Nothilfekoordinator der Hilfsorganisation CARE. Herr Tyderle, ich grüße Sie!
Wolfgang Tyderle: Ja, schönen guten Tag.
Münchenberg: Herr Tyderle, CARE ist ja vor Ort vertreten. Was wird Ihnen dort von Ihren Mitarbeitern berichtet?
Tyderle: Von großen Zerstörungen, von weiten, weiten Überflutungen von Gebieten, die auf 60 mal 50 Quadratkilometer überschwemmt sind, dass weiterer Regen fällt. Wir haben hier den ganzen Albtraum einer großen klassischen Katastrophe mit einem schweren Sturm, mit Überschwemmungen, mit Logistikproblemen, mit der Gefahr von Seuchen. Die gesamte Bandbreite rollt da auf uns zu.
Münchenberg: Sind denn Simbabwe als auch Mosambik gleich stark betroffen?
Tyderle: Nach den ersten Einschätzungen, auch was die Zahl der Opfer und der Betroffenen angeht, ist Mosambik deutlich stärker betroffen. Da ist der Zyklon ja direkt draufgetroffen. Wir haben da die halbe Millionenstadt Beira, die weitestgehend zerstört ist. So schlimm ist es in Simbabwe nicht, aber in Simbabwe sind auch viele Menschen betroffen.
Man muss auch dazu sagen, dass Beira der Versorgungshafen auch für den Osten Simbabwes war. Die meisten Güter, die zu normalen Zeiten dorthin transportiert wurden, kommen eigentlich über Beira.
"Das wird natürlich zu Cholera führen"
Münchenberg: Nun haben wir die Bilder alle gesehen. Da sieht man verheerende Zerstörungen. Es ist immer wieder auch die Rede davon, dass noch viele Tote gar nicht geborgen sind. Wie groß ist die Gefahr, dass dort Seuchen ausbrechen könnten? – Hallo, Herr Tyderle? Können Sie mich hören? – Da haben wir wohl ein technisches Problem. Wir versuchen, die Verbindung noch mal aufzubauen.
Wir versuchen es noch mal. Am Telefon ist Wolfgang Tyderle, Nothilfekoordinator der Hilfsorganisation CARE. Es geht um die Katastrophe in Mosambik und Simbabwe. – Herr Tyderle, noch mal die Frage: Man sieht ja auf den Bildern massive Zerstörungen. Es heißt auch, viele Tote seien noch nicht geborgen worden. Wie groß ist die Gefahr von Seuchen?
Tyderle: Die ist extrem hoch, weil die Wasserquellen auch verschmutzt sind, überflutet sind. Die Menschen sind irgendwo weit in den zerstörten Gebieten, müssen das Wasser trinken, was sie zur Verfügung haben. Das wird natürlich zu Durchfall-Erkrankungen, zu Cholera führen. Also sehr, sehr groß, wenn wir nicht bald die Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgen können.
Zerstörte Straßen und Schlammfluten in Simbabwe nach dem Zyklon Idai.
Nach dem Zyklon "Idai" kämpfen Rettungskräfte darum, zu Opfern in abgelegenen Gebieten vorzudringen (picture alliance / Tafadzwa Ufumeli)
Münchenberg: Ist denn die internationale Hilfe inzwischen Ihren Erkenntnissen nach funktionierend angelaufen?
Tyderle: Angelaufen ja. Es wird auf allen Ebenen gearbeitet. Der Flughafen in Beira ist auch wohl wieder frei. Wir müssen natürlich viele Helikopter jetzt chartern. Gott sei Dank, muss man sagen, ist Südafrika nicht weit mit der entsprechenden Wirtschaftskraft. Angelaufen ist das, aber es wird noch etliche Tage dauern, bis man auch die letzten Dörfer und Regionen erreicht hat – ein gewaltiges logistisches Problem.
Münchenberg: Sind denn die betroffenen Länder überhaupt in der Lage, die Hilfe zu koordinieren?
Tyderle: Teils, teils. Mit Unterstützung auch der UN wird sehr viel koordiniert. Es gibt auch in Mosambik schon Überlegungen, ob man jetzt einige große Camps einrichtet für die intern Vertriebenen, die Leute, die vor den Wasserfluten fliehen. Es gibt auch schon einige sogenannte Evacuation Temporary Accomodation, Notlager. Das wird mit der Regierung abgesprochen und mit der UN in den sogenannten Clustern, in den Organisationszentren. Das geht schon, ja.
"Sämtliche Ernten vernichtet"
Münchenberg: Ist denn abschätzbar, was das Ganze auch finanziell jetzt für eine Dimension hat, wieviel Geld benötigt wird? Gerade bei Mosambik handelt es sich ja um einen der ärmsten Staaten der Welt.
Tyderle: Das ist sehr schwer abschätzbar. Wir müssen auch zwei Phasen unterscheiden. Das eine ist jetzt die akute Rettung und Versorgung der Menschen. Aber dann müssen Sie natürlich auch davon ausgehen, dass sämtliche Ernten vernichtet sind, Saatgut vernichtet ist. Das ist eine Langzeitkrise, die da auf uns zukommt, und da werden schon viele Millionen, hunderte von Millionen wahrscheinlich benötigt werden.
Trinkwasser und medizinische Versorgung fehlen
Münchenberg: Nun hat es ja lange gedauert, bis überhaupt halbwegs das Ausmaß dieser Katastrophe bekannt war. Was sagt das aus über den Stellenwert Afrikas jetzt auch in der globalen Aufmerksamkeit? Wie groß ist Ihrer Einschätzung nach die Gefahr, dass dann diese Katastrophe vielleicht auch wieder schnell nach hinten rutscht?
Tyderle: Wir bei CARE und natürlich auch andere Hilfsorganisationen haben das kommen sehen. Man sah den Zyklon, man konnte die Stärke einschätzen. In den Nachrichten kam es relativ spät und auch nur sehr dosiert. Das zeigt, wie dicht die Nachrichtenlage ist und dass solche Katastrophen nicht unbedingt durchdringen. Das ist leider verheerend, weil wir hier von vielen, vielen Menschen reden, die jetzt völlig ohne Verschulden in größte Not geraten und denen wir helfen müssen.
Münchenberg: Noch mal die Frage. Was brauchen diese betroffenen Länder derzeit am meisten?
Tyderle: Klassisch sauberes Trinkwasser, Nahrung, Notbehausungen und medizinische Versorgung. Das sind die Sachen, die jetzt rangeschafft werden müssen, die jetzt besorgt werden müssen und verteilt auch. Das ist das allerwichtigste.
Werden Helfer noch "deutlich aufstocken"
Münchenberg: Sie haben es vorhin schon mal erwähnt. Die Wetterlage ist weiter kritisch. Ist zu befürchten, dass sich die Lage noch mal zuspitzen könnte?
Tyderle: Ja. Sie wird zumindest nicht besser werden in den nächsten Tagen. Wir haben starke Regenfälle. Das Land ist ohnehin überschwemmt. Die Infrastruktur ist zusammengebrochen. Bei dichten Wolken und starken Regenfällen können auch Hubschrauber nicht fliegen, können keine Hilfsgüter rangebracht werden. Das kann sich noch verschärfen.
Münchenberg: Wie stark ist Ihre Organisation vor Ort jetzt vertreten? Mit wie vielen Helfern?
Tyderle: Wir sind in allen drei betroffenen Ländern Malawi, Simbabwe und Mosambik mit einigen hundert Helfern vertreten und werden das auch noch deutlich aufstocken.
Münchenberg: Aber zentrale Rolle dürfte wahrscheinlich auch das Militär jetzt spielen bei der Hilfe.
Tyderle: Was Logistik angeht, wird das Militär unterstützen müssen und unterstützt ja auch. Wir haben das auch eben aus Simbabwe gehört. Das ist wichtig. Wir brauchen jetzt Hubschrauber zur Verteilung. Die Flughäfen müssen entsprechend organisiert werden, dass man auch größere Mengen über sie abwickeln kann. Es reicht ja nicht, sie einfach hinzufliegen. Da brauchen wir die Militärunterstützung, aber auch die UN-Organisationen. Das Welternährungsprogramm und UNICEF werden da in großem Maße unterstützen.
Münchenberg: … sagt Wolfgang Tyderle, Nothilfekoordinator der Hilfsorganisation CARE. Herr Tyderle, vielen Dank für das Gespräch. – Wir haben geredet über die dramatische Situation in Simbabwe und Mosambik.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.