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NPD vor sächsischer Landtagswahl
Ende der goldenen Zeiten der braunen Partei

Seit zehn Jahren sitzt die NPD im sächsischen Parlament, doch nach aktuellen Umfragen dürften die Rechtsextremen bei der kommenden Landtagswahl deutlich an der Fünfprozenthürde scheitern. Neben den personellen Querelen um den geschassten Chef Apfel machen der Partei auch wirtschaftliche Sorgen zu schaffen.

Von Nadine Lindner |
    Ein Unterstützer der NPD steht mit einem Shirt mit der Aufschrift "Deutschland" bei einer NPD-Kundgebung am Strausberger Platz in Berlin.
    Ein Unterstützer steht bei einer NPD-Kundgebung am Strausberger Platz in Berlin. (dpa / picture alliance / Matthias Balk)
    Der Zittauer Markt. Die Stimme knallt aggressiv aus dem Lautsprecher und die Bratwürste werden auf dem Grill schon eine Weile hin- und her gewendet und bekommen langsam eine schwarze Kruste. Keiner will sie haben. Die NPD hat zum Wahlkampf in die Grenzstadt Zittau geladen. Das Motto: "Deutsche helfen Deutschen". Mit Lebensmitteltüten für Bedürftige wollen die Rechtsextremen auf Wählerfang gehen.
    "Die Politik kümmert sich meistens nur um sich selbst und vergisst den kleinen Mann. Der Landkreis Görlitz ist ja der ärmste Landkreis in Sachsen."
    Sagt Paul Rzehaczek, der Vorsitzende der Jungen Nationaldemokraten Sachsen, der Jugendorganisation der NPD. Zu den Lebensmitteltüten gibt es für alle, die wollen, ein Bratwürstchen umsonst und Info-Material. Doch nur wenige Menschen verirren sich an diesem Ferien-Nachmittag in die Zittauer Innenstadt. Und noch weniger kommen tatsächlich beim Wahlkampfstand vorbei. Spitzenkandidat Holger Szymanski versucht, im dunklen Anzug und Krawatte Seriosität auszustrahlen, doch seine Feindbilder sind klar.
    "Wir haben ja das Wahlkampfmotto gewählt, ‚Heimat im Herzen – Zukunft im Blick'. Wir wollen unsere Heimat Sachsen bewahren, die wird ja in vielerlei Hinsicht bedroht. Durch Asylbewerber, die sich hier unserer Auffassung nach unberechtigt zum größten Teil aufhalten. Und, ein weiteres wichtiges Thema ist natürlich das Thema Kriminalität, Grenzkriminalität, da haben wir ja gerade hier auch in der Gegend rund um Zittau massive Probleme."
    Lethargischer Protest
    Zum Protest gegen die Rechten können sich die wenigsten Passanten aufraffen. Ist es nur die Sommerhitze oder liegt tatsächlich ein Hauch von Lethargie in der Luft?
    "Geht mich nischt an, interessiert mich auch nicht."
    "Ich denk gar nichts drüber. Ich weiß, was die NPD für Ziele hat. Die Bratwurst hab ich zwar gegessen, aber ich nehme alles, was umsonst ist, nehm ich gerne, ich habe keine Prinzipien. Ich hab auch keine Abneigung gegen die."
    "Ich geh auch gar nicht wählen. Das ist doch auch keine Lösung."
    Nur eine Handvoll Antifa-Aktivisten aus der Lausitz stehen schweigend ein paar Meter entfernt mit einem Banner. Seit zehn Jahren, seit der Landtagswahl 2004 sitzt die NPD im sächsischen Parlament. Damals war der Einzug ein Schock, denn die Rechtsextremen kamen auf 9,2 Prozent der Stimmen - fast so viel wie die SPD mit ihren 9,6 Prozent - . Für die Parlamentarier der demokratischen Parteien ist das bis heute eine Herausforderung, erklärt Katja Ciesluk, stellvertretende Pressesprecherin des Landtags:
    "Bei den Ordnungsrufen gibt es dann schon Auffälligkeiten, dort sieht man dann schon, dass die NPD das Plenum auch gerne nutzt, um zu provozieren, um so möglicherweise auch mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Wir hatten 76 Ordnungsrufe in der 5. Wahlperiode, und davon beziehen sich 90 bis 95 Prozent auf Abgeordnete der NPD-Fraktion."
    Ausgiebig nutzt die Partei das parlamentarische Parkett für Hasstiraden und Angriffe auf politisch Andersdenkende, vor allem wenn es um Fragen der Asylpolitik geht, so wie im vergangenen Herbst. Jürgen Gansel gilt seit Langem als einer der Chef-Ideologen der NPD:
    "Und jetzt gibt es eine Kurzintervention an Mikrofon 7, bitte Herr Gansel."
    "Sie sind ja angeblich Volksvertreter, was ist daran menschenfeindlich, wenn deutsche Mitbürger sich gegen die durch Ihre Politik verursachte Ayslantenschwemme friedlich zur Wehr setzen?"
    Geldquelle für die Finanzierung rechter Strukturen
    Das Parlament ist nicht nur Bühne für Parolen, sondern auch Geldquelle für die Finanzierung rechter Strukturen, erklärt Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen. Er berät Kommunen und Organisationen im Umgang mit Rechtsextremismus und beobachtet die Szene seit Jahren:
    "Die Wahl in Sachsen hat eine ganz grundlegende bundespolitische Bedeutung für die NPD. Diejenigen, die als Mitarbeiter in der NPD-Landtagsfraktion arbeiten, sind zurzeit die Spitzen der Jungen Nationaldemokraten bundesweit. Der Chef der Jungen Nationaldemokraten, der Nachwuchsorganisation der NPD, Andy Knape, arbeitet im sächsischen Landtag als Mitarbeiter, sein Stellvertreter arbeitet als Mitarbeiter im Landtag."
    Konsequent wurde Sachsen seit den späten Neunziger Jahren zu einem Dreh- und Angelpunkt auch für die Bundes-NPD ausgebaut, unter anderem mit dem Sitz des Verlags- und Versandhauses "Deutsche Stimme" in Riesa.
    "Die NPD kann Leute in Lohn und Brot bringen, die sich von früh bis Abend mit Neo-Nazi-Themen beschäftigen. Das sorgt für eine unheimliche Qualität. Die Qualität hat zugenommen, der Neonazi-Propaganda, die ist durchdachter."
    Doch organisatorisch ist die Partei angeschlagen: In Dezember wurde Bundes- und Landeschef Holger Apfel von seiner Partei nach einer Schlammschlacht geschasst. Der Vorwurf: er habe einen jungen Mann sexuell belästigt. Apfel betreibt mittlerweile ein Restaurant auf Mallorca. Zu den personellen Querelen kommt hinzu: Die Partei kämpft auch wirtschaftlich ums Überleben. – Gehen die Sitze im sächsischen Parlament verloren, könnte es auch da eng werden sagt Nattke:
    "Durch die Landtagsfraktion in Sachsen wenn man jetzt die Abgeordnetengehälter und Spesen dazu zählt - bekommt die NPD pro Jahr 1,4 Millionen Euro an Steuergeldern. Und wenn diese 1,4 Millionen pro Jahr verloren gehen, dann wird die NPD bei ihrer jetzigen finanziellen Situation sehr große Schwierigkeiten bekommen."
    Nach aktuellen Umfragen scheitert die NPD deutlich an der Fünfprozenthürde. Auch die Alternative für Deutschland macht der NPD mit ihrem ausgeprägt konservativen Profil Wähler streitig. Hinzu kommt: Seit Dezember liegt ein Verbotsantrag für die NPD beim Bundesverfassungsgericht. Ausgang auch hier: ungewiss. Vielleicht aber wird das Gericht bald über eine Partei urteilen, die politisch stark an Gewicht verloren hat, seitdem der Bundesrat den Antrag stellte.