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NSA-Affäre
Schaar: Datenschutz muss Völkerrecht werden

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar begrüßt die brasilianisch-deutsche Datenschutzinitiative bei der UNO. Er fordert jedoch, eine UNO-Vereinbarung zu internationalem Zivilrecht weiterzuentwickeln, damit sie für alle Staaten verbindlich wird.

Peter Schaar im Gespräch mit Peter Kapern | 26.11.2013
    Peter Kapern: Heute soll bei den Vereinten Nationen der Entwurf für eine Resolution auf den Weg gebracht werden, die die Sorge der Vereinten Nationen über die Verletzung von Menschenrechten durch ausufernde Spionage zum Ausdruck bringt. Dies ist eine Resolution, hinter der Brasilien und Deutschland stehen, zwei Länder also, deren Regierungschefs von der NSA belauscht wurden.
    Bei uns am Telefon ist Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz. Guten Morgen.
    Peter Schaar: Guten Morgen.
    Kapern: Herr Schaar, welche Hoffnungen verbinden Sie mit dieser UN-Resolution?
    Schaar: Das wäre ein starkes Signal, dass die Menschenrechte – und dazu gehört eben auch das Recht auf Privatsphäre – nicht nur für die eigenen Staatsbürger gelten, sondern weltweit, und dass es nicht angeht, dass hier die Staaten sozusagen außerhalb ihres eigenen Territoriums versuchen, so viel wie möglich, praktisch alles zu erfahren, wozu sie technisch in der Lage sind, und wie wir erfahren haben, sind die amerikanischen Geheimdienste da sehr erfolgreich gewesen in den letzten Jahren.
    Kapern: Aber genau darauf haben die USA ja bei der Umformulierung der ursprünglichen Resolution wieder großen Wert gelegt, nämlich darauf, dass sie die Auffassung vertreten, dass sie durch internationales Recht lediglich zum Schutz der Privatsphäre von Bürgern in den USA verpflichtet sind.
    Schaar: Ich kenne diese Intention der US-Regierung. Soweit ich weiß, ist sie damit bisher jedenfalls nicht erfolgreich gewesen. Das werden wir heute erfahren, was denn letztlich in diesem Entschließungsentwurf drinsteht.
    Aus Resolution muss Völkerrecht werden
    Kapern: Glauben Sie, dass sich die USA dann an diese Resolution halten werden?
    Schaar: Das ist nicht eine Frage des Glaubens und diese Resolution hat auch keinen völkerrechtlich verbindlichen Charakter. Der nächste Schritt muss dann sein, daraus tatsächlich Völkerrecht zu machen, das heißt, eine entsprechende Zusatzklausel zum internationalen Zivilrechtspakt zu verabschieden. Das ist ein hartes Stück Arbeit, das da vor uns liegt, und ich bin überhaupt nicht sicher, dass uns das gelingen wird. Aber es ist erst mal wie gesagt ein starkes Signal, ein wichtiger erster Schritt, wenn die Weltgemeinschaft sich hier zu einer klaren Botschaft an die Regierungen dieser Welt, auch an die Regierung der Vereinigten Staaten verständigt. Schauen wir mal, was da jetzt rauskommt.
    Kapern: Sie haben gerade gesagt, jetzt kommt es darauf an, aus dieser Resolution Völkerrecht zu machen. Wie genau funktioniert das? Ist das vom Veto der USA abhängig?
    Schaar: Na ja, genau: Das ist eben die Frage, wie geht man damit um. Eine solche reine Resolution reicht da nicht aus. Das muss dann ein völkerrechtliches Abkommen sein, das von den Staaten auch ratifiziert wird. Das ist ein formaler Prozess und da sehe ich noch nicht, dass wir in den USA hier entsprechende Zustimmung gefunden haben.
    Aber wie gesagt, ein solches Instrument kann ja durchaus so starten, dass erst mal viele andere Staaten sich hier entsprechend drauf verpflichten, und damit wird es de facto zu einem internationalen Standard. Das ist meine Hoffnung. Ich hoffe auch, dass man in den USA dafür Verständnis und gegebenenfalls Verbündete findet.
    Kapern: Aber noch mal nachgefragt. Es sieht doch erst mal so aus, als würde diese Resolution das Leben eines Papiertigers führen?
    Schaar: Na ja, viele Resolutionen sind erst mal noch nicht verbindlich und dann muss im Grunde – das ist eben die Mühsal der Ebene – versucht werden, eine solche Resolution auch durchzusetzen. Es hat ja auch in verschiedenen anderen Bereichen Resolutionen gegeben, bei denen es ziemlich lange gedauert hat, bis sie sich durchgesetzt haben. Das ist schon ein Langstreckenlauf.
    Kapern: Da sind nun zwei Kongressmitglieder aus den USA nach Berlin gereist, um ein wenig die Wogen zu glätten. Zu ihnen zählt der Senator Chris Murphy, und der hat gestern gesagt, die Sorgen der europäischen Verbündeten über den Charakter und das Ausmaß von US-Geheimdienstprojekten seien legitim. Da können doch unsere Politiker richtig froh sein, dass ihr Protest nicht auch noch in Washington als ungesetzlich angesehen wird, oder?
    Anlasslose Massenüberwachung muss enden
    Schaar: Ja, das ist eine ziemlich schwache Formulierung, die Sie hier zitieren. Es gibt auch vonseiten von US-Politikern, auch aus dem US-Senat und aus dem Repräsentantenhaus, durchaus stärkere Äußerungen, die sich sehr, sehr kritisch mit der Überwachungspraxis der eigenen Geheimdienste auseinandersetzen.
    Gleichwohl: Das reicht natürlich nicht aus, dass man irgendwelches Verständnis äußert, sondern es muss was geändert werden. Die Praxis, so wie wir sie festgestellt haben – und da meine ich jetzt eben nicht nur das Abhören des Kanzlerinnen-Handys, sondern ich meine vor allem diese anlasslose Massenüberwachung -, das muss beendet werden. Da erwarte ich auch ein viel klareres Signal von der Bundesregierung, als das bisher der Fall war.
    Kapern: Haben Sie den Eindruck, dass die USA auf solche Forderungen eingehen würden, was das massenhafte Abhören angeht?
    Schaar: Es gibt so ein paar interessante Signale, zum Beispiel aus dem Bereich der Wirtschaft, wo gesagt wird, schon jetzt hat diese Verunsicherung, hat der Vertrauensverlust vieler Menschen, auch vieler Unternehmen dazu geführt, dass die US-Wirtschaft massive Einbußen hinnehmen musste – sei das nun bei der Hardware, bei den Komponenten, die für das Internet verwendet werden, den sogenannten Routern, sei das bei neueren Internet-Diensten, Stichwort Cloud Computing, wo Daten in aller Welt verteilt auf Servern irgendwo in irgendeinem Land jeweils gespeichert werden.
    In diesen Bereichen gibt es schon jetzt massive Einbußen, und wenn man weiß, wie die US-Politik funktioniert, dann ist das vielleicht sogar noch ein überzeugenderes Argument als die Worte des einen oder anderen ausländischen Politikers.
    Kapern: Aber die US-Politik funktioniert auch so, dass die US-Regierung bislang nicht einmal den Fragenkatalog beantwortet hat, den das Bundesinnenministerium dort schon vor Monaten abgeliefert hat.
    Schaar: Na ja, ich hatte ja auch manchmal den Eindruck, dass da nicht so nachdrücklich nachgefragt wurde, dass man diese Antworten auch wirklich kriegt. Wenn ich jetzt die Äußerung zum Beispiel des zuständigen Staatssekretärs im Bundesinnenministerium lese.
    Die Amerikaner haben es versäumt, hier mit Fakten zu kontern, dann frage ich mich natürlich: Gibt es diese Fakten denn überhaupt, die widerlegen, dass es diese entsprechenden Spionageaktivitäten und Überwachungsaktivitäten gibt. Mein Eindruck ist vielmehr: Die Dokumente von Snowden sind zwar, sage ich mal, nicht vollständig, aber sie sind durchaus echt.
    Kapern: Was erwarten Sie von der Bundesregierung im Auftreten gegenüber den Vereinigten Staaten?
    Europäische Entscheidung ist nötig
    Schaar: Ich erwarte hier mehr Entschiedenheit und ich möchte auch nicht jetzt zu einem bilateralen Abkommen zwischen Deutschland und den USA kommen, dass man die Regierungschefs nicht ausspioniert gegenseitig, sondern wir brauchen ein mindestens europäisches Rechtsinstrument, wo alle Staaten, die in der EU sich zusammengeschlossen haben, gleichermaßen geschützt sind, und zwar nicht nur die Politikerinnen und Politiker, sondern auch jeder, der das Internet nutzt.
    Kapern: Gehört zu dem, was Sie von der Bundesregierung erwarten, auch so etwas wie ein Stück Ehrlichkeit? Die hat der Senator Murphy angemahnt auf dem Weg nach Deutschland, als er gesagt hat, Deutschland müsse auch mal einräumen, wie sehr das Land von den US-Geheimdiensterkenntnissen profitiert.
    Schaar: Ehrlichkeit ist erst mal ganz schön. Ich denke, das ist auch etwas, was zum Beispiel die US-Politik sich auf die Fahnen schreiben sollte bezüglich der eigenen Aktivitäten. Und was da behauptet wird an Anti-Terror-Maßnahmen, auch an Erfolgen, ist sehr wage. Was dort tatsächlich dann gesagt wurde, ist bisher kaum überprüfbar, und deshalb denke ich, zur Ehrlichkeit gehört erst mal, dass man die Karten auf den Tisch tut, und da wäre es doch eine vertrauensbildende Maßnahme der US-Administration, wenn sie hier in Vorleistung tritt.
    Kapern: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar heute Früh im Deutschlandfunk. Herr Schaar, danke für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
    Schaar: Vielen Dank, Herr Kapern.
    Kapern: Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.