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NSA-Ermittlungsverfahren
"Wir brauchen hieb- und stichfeste Beweise"

Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg, hat Kritik daran zurückgewiesen, dass Generalbundesanwalt Range offenbar nicht in der NSA-Affäre ermitteln will. Für ein Strafverfahren brauche es mehr als politische Spekulationen, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk.

30.05.2014
    Das Logo des US-Geheimdienstes National Security Agency
    Der CDU-Politiker Patrick Sensburg ist der neue Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses. (dpa picture alliance / Daniel Naupold)
    Sensburg sagte, nach seinem Sachstand werde der Generalbundesanwalt derzeit keine Ermittlungen aufnehmen; er befinde sich jedoch noch in einer Phase der Prüfung, die sich sehr schwer gestalte. Wenn dem Generalbundesanwalt keine Unterlagen etwa des Enthüllers Edward Snowden zur Verfügung stünden, müsse er zu dem Ergebnis kommen, dass ein Verfahren nicht betrieben werden könne. Der Vorsitzende NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag sagte weiter, für ein Strafverfahren mit einer möglichen Verurteilung brauche es "konkretere Beweise als Gerüchte, Spekulationen und Zeitungsberichte". Man befinde sich im Bereich der Justiz und nicht der politischen Spekulation.
    Ein Verzicht auf Ermittlungen wäre laut Sensburg jedoch keinesfalls politisch begründet. Die Generalbundesanwaltschaft genieße eine hohe Unabhängigkeit und dürfe auch in Zukunft bei fachlichen Prüfungen nicht am "Gängelband der Politik" stehen. Aufgabe des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag sei weiter, Erkenntnisse zu sammeln, um politische Empfehlungen geben zu können - etwa wie mehr Datensicherheit in Deutschland erreicht werden könne, so Sensburg.

    Christoph Heinemann: Nun wächst auch in der Regierungspartei SPD der Unmut über Harald Range. Der Generalbundesanwalt wird voraussichtlich darauf verzichten, wegen des Datendiebstahls, auch bekannt als NSA-Affäre, zu ermitteln. Das hatten die "Süddeutsche Zeitung" und zwei ARD-Rundfunkanstalten berichtet. Der SPD-Rechtsexperte Burkhard Lischka versteht das nicht, sagte er einem Zeitungsinterview. Grüne und Linke fordern ein Machtwort des Bundesjustizministers, doch Heiko Maas, SPD, schweigt bislang. Zur Erinnerung, es geht um Abermillionen Daten von Bürgerinnen und Bürgern und auch um den ungebetenen Besuch in Angela Merkels Handy.
    Am Telefon ist Patrick Sensburg, CDU, der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag – guten Morgen!
    Patrick Sensburg: Ich grüße Sie, guten Morgen!
    Heinemann: Herr Sensburg, können Sie das bestätigen, dass der Generalbundesanwalt wohl keine Ermittlungen aufnehmen wird?
    Sensburg: Ja, das muss das Generalbundesanwalt selber bestätigen. Mein Sachstand ist, dass er zumindest Ermittlungen derzeit nicht aufnehmen wird. Er befindet sich aber noch in der Prüfung, aber diese Prüfung gestaltet sich, genau wie bei uns im Untersuchungsausschuss, sehr, sehr schwer.
    Heinemann: Ist das ein politisch begründeter Verzicht?
    Sensburg: Nein, auf keinen Fall. Der Generalbundesanwalt, das ist ja eben auch gesagt worden, ist zwar natürlich im Weisungsstrang des Justizministers, aber die Generalbundesanwaltschaft genießt eine hohe Unabhängigkeit, und er trifft seine Entscheidung ausschließlich aufgrund der Erfolgsaussichten von Straftaten.
    Heinemann: Nun ist die sicherste Form der Erfolglosigkeit die Nichtermittlung.
    Sensburg: Man muss natürlich auch, wenn man ermittelt, die Chance sehen, an Unterlagen zu kommen, und da habe ich ja immer wieder auch an Edward Snowden appelliert, uns doch über Dritte oder selbst Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Wenn das alles nicht gelingt, dann muss der Generalbundesanwalt auch zum Ergebnis der Prüfung kommen, dass ein Verfahren nicht weiter betrieben werden kann.
    Heinemann: Ein Grund mehr, Herrn Snowden nach Deutschland zu holen?
    Sensburg: Für die Unterlagen muss er nicht nach Deutschland kommen, er hat sie ja wohl wahrscheinlich nicht in der Hosentasche. Also von daher wäre es für alle hilfreich, wenn wir mal über das, was in den Zeitungen steht, langsam auch Informationen und Erkenntnisse bekämen. Das ist ja ein Katz- und Igelspiel langsam.
    Heinemann: Wir hören uns an, Herr Sensburg, was Hans-Christian Ströbele bei uns im Deutschlandfunk gesagt hat.
    Christian Ströbele: Jeder blamiert sich, so gut er kann. Diese Entscheidung ist völlig unverständlich. Die ganze Welt weiß, dass das Handy der Kanzlerin abgehört worden ist. Und wenn dann der Generalbundesanwalt schon allein ein Dreivierteljahr braucht – er hat ja offenbar nicht ermittelt – und sagt, da gibt es nicht mal einen Anfangsverdacht, dann ist das völlig daneben, und ich glaube, der Generalbundesanwalt macht sich damit auch lächerlich.
    Heinemann: Darf sich ein Generalbundesanwalt lächerlich machen?
    Sensburg: Das ist nicht die Frage. Die Frage ist, reicht es aus, dass –
    Heinemann: Das ist nicht die Frage?
    Sensburg: Nein, das ist nicht die Frage. Die Frage ist, reicht es aus, ob allein aus Zeitungswissen Dinge ausreichen, um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Wir wissen überhaupt nicht, waren es 300 Berichte, welchen Inhalt haben diese Berichte, wie ist das Handy abgehört worden. Also, für ein Strafverfahren, wo hinterher eine Verurteilung sogar stehen kann, da braucht es doch konkretere Beweise als Gerüchte, Spekulationen und Zeitungsberichte. Wir sind jetzt im Bereich der Justiz und nicht der politischen Spekulation.
    Heinemann: Bleiben wir trotzdem mal bei Zeitungsberichten, nämlich bei der "Süddeutschen Zeitung" von heute. Die schreibt, im Januar habe Herr Range noch wissen lassen, dass im Handy-Fall durchaus eine Ermittlung möglich sein würde, und im März habe er dann gesagt, in diesem Handy-Fall könnte man vielleicht kurz Ermittlungen einleiten und die dann gleich wieder einstellen. Klingt das für Sie nach einer durchdachten Strategie?
    Sensburg: Also, so hat er das nicht gesagt, so habe ich es zumindest nicht gelesen.
    Heinemann: So steht es heute in der Zeitung.
    Sensburg: Man könnte kurz ein Ermittlungsverfahren einleiten und das wieder einstellen. So habe ich den Generalbundesanwalt nicht vernommen. Es ist sehr schwierig, an Daten, an Unterlagen zu kommen, die dann auch hinterher hieb- und stichfest Dinge belegen und beweisen. Selbst eine Zeugenaussage, ob die von Edward Snowden, von Glen Greenwald oder von irgendjemand anders käme, müsste ja auch noch überprüft und bewiesen werden. Also von daher – bis es ein Ermittlungsverfahren und hinterher vielleicht sogar eine Verurteilung – gegen wen übrigens – geben mag, brauchen wir doch hieb- und stichfeste Beweise, und die brauchen wir übrigens auch im Untersuchungsausschuss.
    Heinemann: Genau. Wenn das alles so schwer ist, könnte der ja die Arbeit einstellen.
    Sensburg: Das werden wir nicht, weil wir natürlich auch hinterher politische Empfehlungen treffen wollen. Wir werden möglicherweise nicht hieb- und stichfest, wie es ein Richter in einem Strafverfahren macht, eine Straftat ermitteln und dann hinterher auch völliger Überzeugung zu einer Verurteilung bringen können. Das ist nicht die Aufgabe. Wir wollen die Erkenntnisse sammeln, die wir können, um dann Schlussfolgerungen auch politischer Art ziehen zu können, zum Beispiel, wie wir mehr Datensicherheit in Deutschland denn erreichen können, wenn es so einfach ist, unser aller Daten auszuspähen.
    Heinemann: Herr Sensburg, wenn herauskäme, jetzt mal hypothetisch, dass ich Ihr oder Frau Merkels Handy hacken würde – käme ich dann auch ungestraft davon?
    Sensburg: Wenn wir das beweisen könnten, wenn Sie zum Beispiel als Täter es zugeben, ein Geständnis ablegen, dann wäre es möglicherweise möglich, Sie zu verurteilen. Bis jetzt hat aber keiner ein Geständnis abgelegt außer Herr Snowden, aber den wollen wir doch jetzt nicht verurteilen, aber ansonsten haben wir derzeit keine Beweise. Und das ist der Unterschied zu Ihrem hypothetischen Beispiel gerade.
    Heinemann: Es liegt aber doch indirekt das Geständnis des amerikanischen Präsidenten, dass das in Zukunft so doch bitte nicht mehr passieren sollte.
    Sensburg: Ja, das habe ich so auch nicht vernommen, dass es ein Geständnis wäre, das für ein Strafverfahren ausreichend ist. Dass die NSA massenweise Daten in Deutschland auch abschöpft, das wissen wir aufgrund von verschiedensten Aussagen.
    Heinemann: So, und da muss man doch ermitteln...
    Sensburg: Wie die stattfindet, gegen wen es stattfindet, auf welche Art und Weise – all das ist noch im dunklen, nebulösen Bereich. Von daher macht dieser Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag ja großen Sinn, dass wir Licht in diesen dunklen Bereich reinkriegen, aber das wird uns noch viele Monate beschäftigen. Das, was der Generalbundesanwalt prüft, ist die Strafbarkeit von einzelnen Personen, und die muss dann natürlich etwas mehr sogar als in einem Untersuchungsausschuss so intensiv bewiesen werden, dass keine Zweifel an der Schuldigkeit eines Täters bestehen.
    Heinemann: Sollte sich der Bundesjustizminister einschalten?
    Sensburg: Ich glaube, der Generalbundesanwalt sollte in der fachlichen Prüfung nicht am Gängelband der Politik stehen. Das mag einem jetzt mal nicht gefallen, im anderen Mal wieder besonders gut gefallen. Wenn wir in die Justiz – und da zähle ich auch Staatsanwälte und den Generalbundesanwalt dazu – aufgrund von politischer Motivation, und deswegen muss ich auch sehr kritisieren, was Herr Ströbele sagt, der sich sonst immer gegen politisch motivierte Eingriffe in die Justiz wendet – wenn wir das anfangen, dann kommen wir in Teufels Küche.
    Heinemann: Teufels Küche ist ja eben auch der Eindruck, dass mit zweierlei Maß gemessen werden könnte. Sie haben ja gerade gesagt, der Hacker Heinemann, hypothetisch, der käme vor den Kadi, aber die Heerscharen von Hackern der NSA, die werden jetzt möglicherweise so, ungeschoren davonkommen.
    Sensburg: Nein, wir haben ja schon in vielen Fällen auch diejenigen, die wir der Spionage habhaft machen konnten in der deutschen Geschichte, auch verurteilt. Nur wir müssen natürlich jetzt schauen, wen können wir habhaft machen, das ist das eine. Wie können wir es dann auch beweisen, und das ist im Bereich der Spionage immer schon, in allen Fällen, die die deutsche Geschichte hat, problematisch gewesen, weil Spionage natürlich insgeheim läuft. Und deswegen macht es Sinn, einen Untersuchungsausschuss zu haben, der sich auch ein bisschen Zeit nehmen kann, auch nicht mit dem Druck, dass er einen Straftatbestand hinterher als wirklich verwirklicht beweisen muss, sondern der schauen kann, welche politischen Empfehlungen resultieren aus solch einem Skandal, wo ich auch immer wieder sage, den hat es gegeben, massenhaftes Abschöpfen von Daten darf nicht sein, ob unter Freunden oder Dritten, aber das müssen wir erst mal konkret herausfinden, was genau passiert ist und was wird dann dagegen machen können. Ein Strafverfahren steht auf einer anderen Ebene.
    Heinemann: Patrick Sensburg, CDU, der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Sensburg: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.