Am 15. Februar 2013 tritt ein 20 Meter großer Felsbrocken aus dem All flach in die Erdatmosphäre ein und zerplatzt über der russischen Großstadt Tscheljabinsk. Verletzungen bei den Bewohnern und Schäden an Gebäuden sind auf die Druckwelle der Explosion in 19 Kilometern Höhe zurückzuführen.
Ein Großteil des Meteroiten ist längst verglüht und erreicht gar nicht den Boden. Dennoch finden Suchtrupps in den folgenden Wochen tausende Bruchstücke des Geschosses, von denen eines drei Jahre später auf dem Tisch von Rebecca Querfeld landet, am Institut für Radioökologie und Strahlenschutz der Universität Hannover.
Bruckstücke des Meteoriten radioaktiv kontaminiert
Sie beginnt damals ihre Masterarbeit an diesem Meteoritenstück, das ein paar merkwürdige Eigenschaften aufweist.
"Da war vor allen Dingen merkwürdig, dass Cäsium-137 auf dem Meteoriten gefunden wurde, zwar nur im Millibecquerel-Bereich."
Cäsium-137 ist ein Spaltprodukt der Kernspaltung – und findet sich auf der Erde vor allem in Kernkraftwerken und im Fallout atomarer Unfälle.
Im All dagegen ist das Radionuklid wegen seiner Halbwertszeit von nur 30 Jahren rar. Die Studentin befragte zunächst ihre Kollegen aus Wien, von denen sie das Meteoritenbruchstück bekommen hatte.
"Wir haben von dem Naturhistorischen Museum natürlich die Information bekommen, dass sie den Meteoriten bei der Probennahme nur vorsichtig mit einer Bürste abgeschrubbt haben, weil sie ihn ja nicht weiter zerkleinern oder Abrieb verursachen wollten. Dann haben sie ihn aber auch gar nicht weiter mit Wasser oder Seife gereinigt, sondern ihn indirekt für die Forschung zur Verfügung gestellt."
Die Forscher in Hannover ließen sich auch Proben des Bodens schicken, auf den der Meteorit gefallen war.
Woher stammt die radioaktive Verstrahlung?
Darin fanden sie neben ähnlichen Cäsiummengen viele feine Plättchen einer Eisen-Verbindung, die ausnahmslos künstlich entstehen, nämlich bei der Produktion von Stahl.
Offenbar war dieses Meteoriten-Bruckstück in eine alte Industriebrache gefallen, wofür die Stahlfragmente sprachen. Nur eine Erklärung für die Cäsium-Belastung des Bodens fehlte noch.
Die Hypothese lautete: Der Ursprung der Strahlung ist das knapp 100 Kilometer entfernte Kyschtym, wo 1957 ein Behälter mit flüssigen radioaktiven Abfällen explodiert war – der drittschwerste nukleare Unfall der Geschichte.
Aber auch der deutlich weiter entfernte Reaktor von Tschernobyl kam als Quelle für das Cäsium in Frage.
"Und dann dachten wir uns: Gut, wie könnten wir jetzt diesen Kyschtym-Unfall nachweisen? Analysieren wir doch einfach den Meteoriten und den Boden nochmal auf Strontium-90. Weil normalerweise ist in der Umwelt durch nukleare Unfälle oder Kernwaffentests mehr Cäsium-137 als Strontium-90 zu finden. Und für Kyschtym ist es ganz charakteristisch, dass es andersherum ist, also dass man eigentlich immer mehr Strontium-90 findet als Cäsium-137."
2013 fiel also ein Bruchstück des Tscheljabinsk-Meteoriten südlich des Urals in eine alte Erddeponie, die durch einen nuklearen Unfall vor über 61 Jahren kontaminiert worden war. Laut den Forschern dürften die russischen Behörden über den belasteten Boden hinreichend informiert sein, die vielen Meteoritensammler in dieser Gegend waren es aber vermutlich nicht.