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Obergrenze
Seehofer: bis zu 200.000 Flüchtlinge pro Jahr verkraftbar

Seit Monaten fordert CSU-Chef Horst Seehofer eine Obergrenze für Flüchtlinge - und nicht nur das. Nun hat der bayrische Ministerpräsident erstmals eine konkrete Zahl genannt: 200.000 Flüchtlinge pro Jahr seien verkraftbar. Alles, was darüber hinaus gehe, halte er für zu viel, sagte er der "Bild am Sonntag". "Schäbig und skrupellos", kommentiert die Opposition.

Von Klaus Remme | 03.01.2016
    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) spricht am 15.12.2015 beim CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe (Baden-Württemberg).
    Wenige Tage vor der Klausurtagung in Wildbad Kreuth beziffert CSU-Chef Horst Seehofer seine Obergrenze für Flüchtlinge. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Obergrenze – das Wort ist längst zum politischen Kampfbegriff geworden, vor allem die Christsozialen sortieren Gegner und Anhänger entlang der Frage, wie hältst du es mit der Obergrenze. Im Interview mit der "Bild am Sonntag" beziffert Horst Seehofer seine Obergrenze und die Kluft zwischen Erwartung und Realität zeigt einen Parteichef, wenige Tage vor der Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Einerseits bestätigt Seehofer den Durchschnitt von 4.000 Flüchtlingen, die selbst im Dezember noch Tag für Tag über Bayern nach Deutschland gekommen sind.
    Über eine Million Flüchtlinge in Deutschland registriert
    Insgesamt wurden in Deutschland im vergangenen Jahr über eine Million Flüchtlinge registriert. Andererseits nennt der CSU-Chef für die Zukunft eine maximal verträgliche Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen. Zitat: In Deutschland haben wir keine Probleme mit dem Zuzug von 100.000 bis höchstens 200.000 Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen pro Jahr. Diese Zahl ist verkraftbar, und da funktioniert auch die Integration. Alles was darüber hinausgeht, halte ich für zu viel. Zitat Ende.
    "Schäbig und skrupellos", kommentiert Grünen-Chefin Simone Peter die Forderung Seehofers.
    Andere fragen in den sozialen Netzwerken spöttisch, ob sich Seehofers 200.000 möglicherweise auf Bayern beziehen sollen. Wie der CSU Vorsitzende die von ihm geforderte Wende in der Flüchtlingspolitik durchsetzen will, schließlich findet er damit jenseits von Opposition und SPD selbst bei Angela Merkel kein Gehör. Und unabhängig von Flüchtlingszahlen scheint Horst Seehofer die grundsätzliche Problematik zu ignorieren, die Rudolf Seiters, der ehemalige CDU-Bundesinnenminister und jetzige Präsident vom Deutschen Roten Kreuz im Interview der Woche des Deutschlandfunks heute in Erinnerung ruft:
    "Was die Obergrenze anbetrifft, so blicken wir in das Grundgesetz. Im Grundgesetz haben wir einen Asylanspruch verankert und Schutzsuchenden darf der Zugang zu einem fairen Asylverfahren nicht verwehrt werden, auch nicht durch eine nationale Obergrenze."
    Das DRK betreut gegenwärtig rund 450 Notunterkünfte in denen etwa 140.00 Flüchtlinge leben. Dies sei nur durch das Engagement von 20 bis 25.000 haupt- und ehrenamtlichen Helfern möglich, betonte Seiters und mit Blick auf 2016 gelte:
    "Unsere Leute sind jetzt seit Monaten im Einsatz und keiner weiß genau, da ja auch der letzte europäische Gipfel nicht zu einem Durchbruch geführt hat, was grundsätzliche Entscheidungen anbetrifft, wir wissen nicht, wie es im nächsten Jahr aussieht."
    Seiters: Ehrenamtliche Hilfe muss geschützt werden
    In jedem Fall müsse die ehrenamtliche Hilfe weiter geschützt werden, sagt Seiters. Dies habe er auch in Gesprächen im Kanzleramt deutlich gemacht. Konkret fragt der DRK Präsident:
    "Ob es nicht notwendig ist, für unsere Helfer eine ähnliche Regelung zu finden, wie das beim THW und bei den Feuerwehren der Fall ist, die haben einen Anspruch auf Lohnfortzahlung und Freistellung, da bitten wir die Länderinnenministerkonferenz zu prüfen, was in dieser Frage geschehen kann."
    So unterschiedlich die Auffassungen über die Möglichkeit von Obergrenzen für Flüchtlinge in Deutschland, so einig sind sich Seiters und Seehofer, wenn es um die grundsätzliche Integrationspflicht derjenigen geht, die gekommen sind. Darüber sollt es überhaupt keine Diskussion geben, das ist selbstverständlich, sagt der CSU-Vorsitzende in der "Bild am Sonntag". Der DRK-Präsident meint im Deutschlandfunk:
    "Eins ist klar, es gibt eine große Hilfsbereitschaft in der deutschen Bevölkerung, aber es gibt auch die ebenso große Erwartung, dass diejenigen, die hierher gekommen sind, die hier leben wollen, unsere Gesetze achten und sich integrieren lassen. Das kann man mit Fug und Recht erwarten und im Sinne von fördern und fordern von jedem Flüchtling fordern müssen."