Donnerstag, 28. März 2024

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OECD-Bildungsstudie
"Wir müssen noch weitermachen"

Der bildungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion Stefan Kaufmann (CDU) hält die deutschen Ergebnisse der neuen OECD-Bildungsstudie für "sehr erfreulich". Im Dlf gestand er beim Thema Soziales und Bildung "ein gewisses Defizit" ein.

Stefan Kaufmann im Gespräch mit Christiane Kaess | 12.09.2017
    Der CDU-Politiker Stefan Kaufmann hält auf einem CDU-Bundesparteitag in Hannover eine Rede.
    "Die OECD stellt auch sehr erfreulich fest, dass mittlerweile 97 Prozent aller Drei- bis Fünfjährigen in Deutschland in Kitas sind": Stefan Kaufmann, CDU (imago/Simon)
    Christiane Kaess: Wie schneidet das deutsche Bildungssystem im Vergleich der führenden Industriestaaten ab? Darüber gibt regelmäßig eine große internationale Studie Auskunft. Heute wurde sie unter anderem in Berlin von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorgestellt.
    Darüber möchte ich sprechen mit Stefan Kaufmann. Er ist bildungspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag und jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Kaufmann.
    Stefan Kaufmann: Guten Tag, Frau Kaess!
    Kaess: Herr Kaufmann, warum bekommt Deutschland die soziale Schieflage bei der Bildung immer noch nicht in den Griff?
    Kaufmann: Zunächst einmal muss man feststellen, dass wir sehr weit gekommen sind, dass wir eine sehr gute Verzahnung haben von Arbeitsmarkt und Bildungssystem, was sich ja gerade jetzt gezeigt hat. Ich freue mich, dass die OECD auch anerkennt, dass das System der beruflichen Bildung sehr erfolgreich ist, auch dazu beiträgt, dass junge Menschen aus sozialschwachen Familien gut in den Arbeitsmarkt finden, auch Aufstiegschancen haben. Durchlässigkeit ist natürlich ein Thema. Aber in der Tat: Wir haben noch ein gewisses Defizit in dem Zusammenhang, da arbeiten wir dran, auch mit den Themen wie attestierte Ausbildung mit der Berufsorientierung. Da haben wir sehr viel getan in den letzten Jahren und da müssen wir noch weitermachen. Aber insgesamt ist diese Studie sehr erfreulich.
    "Der Etat ist von sieben Milliarden in 2005 auf 17,6 Milliarden in 2017 angestiegen"
    Kaess: Sie sagen, da muss man noch weitermachen. Was muss da passieren?
    Kaufmann: Wir müssen natürlich noch mehr in die frühkindliche Bildung auch investieren, den Spracherwerb vor der Schule noch weiter intensivieren. Die OECD stellt ja auch sehr erfreulich fest, dass 97 Prozent aller Drei- bis Fünfjährigen in Kitas mittlerweile sind in Deutschland, ein sehr, sehr hoher Wert. Auch das ist ja ein Beitrag zur Chancengerechtigkeit. Also ich denke, wir müssen schon sehen, dass das Glas deutlich voller ist als leer, und dass hier auch insgesamt natürlich diese Bundesregierung und Angela Merkel seit 2005 sehr, sehr viel investiert hat im Bereich der Bildung. Der Etat ist von sieben Milliarden in 2005 auf 17,6 Milliarden in 2017 angestiegen, und da ist auch sehr viel Geld in Bildungsmaßnahmen geflossen.
    Kaess: Das sieht die SPD ein bisschen anders. Die hat sich jetzt im Wahlkampf das Thema Bildung groß auf die Fahnen geschrieben. Und es geht unter anderem darum, das Kooperationsverbot zu kippen. Wir wissen, in den Schulen ist ein riesiger Bedarf und Investitionsstau. Da geht es jetzt nicht nur darum, Toiletten zu reparieren, sondern es fehlen auch Lehrer, Sozialarbeiter, zu wenig Deutschkurse werden angeboten. Der Bund kann hier immer noch nicht mitfinanzieren. Warum wehrt sich die Union so dagegen?
    Kaufmann: Wir haben eine klare Kompetenzverteilung nach dem Grundgesetz. Darüber hat die Föderalismuskommission lange gestritten und am Ende haben die Länder diesen Kompromiss durchgesetzt, diese Regelung, wie sie jetzt im Grundgesetz steht. Die Länder sind aufgerufen, ihre Schulen, ihre Hochschulen gemeinsam mit den Kommunen ordentlich auszustatten. Man darf den Bund auch nicht überfrachten. Wir haben Zehntausende von Schulen in Deutschland und das überfordert einfach auch den Bildungsetat. Wir wollen dort helfen, wo wir besonders viel Bedarf sehen. Das ist im Bereich der digitalen Ausstattung der Schulen. Deshalb hat die Ministerin einen Digitalpakt sozusagen vorgeschlagen, mit mehreren Milliarden ausgestattet, wo wir sagen, okay, in dem Bereich, das ist eine Zukunftsaufgabe, eine Investitionsaufgabe. Da möchte der Bund unterstützen, dass alle Schulen in den nächsten drei, vier Jahren ans Netz kommen.
    Und im Gegenzug müssten sich die Länder verpflichten, dann für die digitale Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer Sorge zu tragen. Das ist eine Aufgabe, wo wir sagen, da lässt sich der Bund in die Pflicht nehmen. Aber bei allen anderen Aufgaben warnen wir einfach zur Vorsicht, weil wir den Bundesetat hier einfach nicht überfrachten können. Das ist eine klare Ländersache.
    "Es gibt schon Aufgaben, wo wir gemeinschaftlich mit den Ländern agieren"
    Kaess: Aber noch kurz zu diesem Thema, Herr Kaufmann. Ist es nicht sinnvoll, Bildung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern zu sehen? Denn dann käme man einfach mal weg von befristeten Projekten und hätte einfach mehr Verlässlichkeit.
    Kaufmann: Natürlich! Es ist so, dass wir Anreize setzen, durch auch den Qualitätspakt Lehrer zum Beispiel, dass wir dort gute Modelle für die Lehrerbildung unterstützen, dass wir mit der Exzellenz-Initiative besonders gute Hochschulen fördern. Beim Hochschulpakt haben wir uns auch in die Pflicht nehmen lassen. Da haben wir die Länder mit zweistelligen Milliardenbeträgen jetzt dabei unterstützt, neue Studienplätze aufzubauen. Ich will nur sagen: Es gibt schon Aufgaben, wo wir auch gemeinschaftlich mit den Ländern agieren. Aber wir wollen uns jetzt nicht den Schuh anziehen, dass wir wirklich von der Inklusion bis zur Toilettensanierung hier den Bund in die Pflicht nehmen lassen. Das ist jedenfalls nicht Gegenstand dessen, was das Grundgesetz dort hergibt, und soll unseres Erachtens auch nicht so kommen.
    Kaess: Herr Kaufmann, wir machen hier einen thematischen Schnitt und sprechen über ein anderes Thema: Heiner Geißler ist tot, ehemaliger CDU-Generalsekretär. Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie es erfahren haben?
    Kaufmann: Ich war sehr erschüttert. Wir hatten eine Veranstaltung mit ihm geplant, letzte Woche in Stuttgart. Da musste er absagen, weil er ins Krankenhaus musste. Ich wusste, dass es ihm nicht sehr gut geht. Insofern bin ich jetzt nicht ganz überrascht, aber natürlich sehr traurig. Er war eine der prägenden Gestalten der Union in den 70er-, 80er-, 90er-Jahren, immer wieder ein streitbarer Geist. Er hat hier in Stuttgart auch eine sehr wichtige Rolle gespielt bei der Stuttgart-21-Schlichtung. Ich habe sehr viele gewinnbringende Begegnungen mit ihm gehabt, immer wieder bei Wahlkampfveranstaltungen natürlich. Ich habe ihn sehr geschätzt und ich bin wie, denke ich, alle anderen Mitglieder der Union sehr, sehr traurig und ihm sehr dankbar für seine Lebensleistung.
    Geißler hat "aufgezeigt, wo wir als Partei uns noch verändern können"
    Kaess: Er war – das haben Sie jetzt gerade schon angesprochen – durchaus polarisierend. Er hat die CDU auch mal gewarnt vor Kleingeisterei. Er hat wirtschaftspolitisch dann in den letzten Jahren einen ganz anderen Weg eingeschlagen als seine Partei. War er dennoch ein hilfreicher Mahner?
    Kaufmann: Sicherlich war er ein hilfreicher Mahner. Er hat immer auch, sage ich mal, Visionen gehabt, seine Vorstellungen gehabt von der Zukunft, auch von einer gerechten Welt. Und insofern war er ein wichtiger Mahner, sicherlich am Ende auch jemand, der bei Attac dann Mitglied war und auch kapitalismuskritisch sich geäußert hat. Aber am Ende immer jemand, der fest auf dem Boden auch der Union stand und aus dieser Position heraus aufgezeigt hat, wo wir als Partei uns noch verändern können, wo wir uns noch zukunftsfester machen könnten. Insofern war er bis zuletzt eine wichtige Stimme. Er hat sich auch bis zuletzt aktiv eingebracht bei Veranstaltungen und dafür bin ich ihm dankbar.
    Kaess: Wie schwierig war er denn für seine Partei?
    Kaufmann: Es gab sicherlich Situationen, wo er auch schwierig war, aber das muss eine Partei auch aushalten. Er war natürlich jemand, der sehr pointiert formuliert hat, der sehr eloquent war, der ja auch gehört wurde in den Medien, dem man auch Platz eingeräumt hat. Sicherlich hat nicht immer alles gefallen dem einen oder anderen. Aber davon lebt eine Volkspartei und ich glaube, die Union ist ihm zu großem Dank verpflichtet.
    Kaess: Er war ja auch in den letzten Jahren immer wieder Schlichter bei Tarifkonflikten. Wie passt das eigentlich zusammen, auf der einen Seite dieses Polarisierende und auf der anderen Seite so vermittelnd?
    Kaufmann: Er hatte beide Fähigkeiten. Er konnte zuspitzen, das war seine Rolle als Generalsekretär, die er ja sehr lange erfolgreich ausgeübt hat. Und er konnte aber auch vermitteln und kannte die Extrempositionen und hat dann immer wieder Wege gefunden, die Menschen zueinander zu bringen, sie auf ein Ziel gemeinsam zu verpflichten. Und das war eine große Stärke und deshalb war er sowohl als Mahner dann gefragt wie auch als jemand, der die Menschen zusammenführt, und das hat er ja auch mit großem Erfolg getan.
    "Immer sehr warmherzig"
    Kaess: Aus allem, was Sie erzählt haben, habe ich herausgenommen, Sie haben ihn persönlich gekannt. Wie haben Sie ihn rein menschlich erlebt?
    Kaufmann: Immer als sehr warmherzig. Er war sehr aufmerksam, er kannte einen auch, er hat immer einen auch mitgenommen. Ich hatte auch jetzt persönlich einige Begegnungen mit ihm, gerade im Zusammenhang mit Stuttgart 21, und habe ihn als einen sehr warmherzigen Menschen kennengelernt und bin deshalb wirklich auch sehr traurig, dass er jetzt gestorben ist.
    Kaess: Stefan Kaufmann – er ist bildungspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag und wir haben auch mit ihm über den Tod von Heiner Geißler gesprochen. Danke für Ihre Zeit heute Mittag, Herr Kaufmann.
    Kaufmann: Sehr gerne, Frau Kaess. Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.