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Öko-Institut zum Ende des Strohhalms in Supermärkten
"Es zeigt sich, dass man auf diese Produkte verzichten kann"

Nur weil einige Supermärkte bis Ende des Jahres Einweg-Plastikartikel aus ihren Regalen nehmen, verschwinde damit nicht der Müllstrudel im Pazifik, sagte Georg Mehlhart vom Öko-Institut im Dlf. Aber es zeige sich, dass es Alternativen gebe - oder dass man die Produkte gar nicht brauche.

Georg Mehlhart im Gespräch mit Katharina Peetz | 05.07.2018
    Trinkhalme aus Plastik
    Georg Mehlhart vom Öko-Institut hält die Plastiksteuer für ein gutes Instrument, weil sie Anreize gäbe, auf Plastik zu verzichten (picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB)
    Katharina Peetz: Rund 80 Prozent des Mülls in den Meeren besteht laut der EU-Kommission aus Plastik. Jährlich landen nach Angaben der Behörden 500.000 Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen. Die EU hat Plastik deshalb den Kampf angesagt. Die Kommission plant ein Verbot von Plastikgeschirr und auch Strohhalmen, denn die haben in der Regel nur eine Lebensdauer von ungefähr 20 Minuten.
    Dem geplanten EU-Verbot von Strohhalmen sind einige Supermärkte jetzt zuvorgekommen. Sie wollen Strohhalme aus Plastik aus ihrem Sortiment nehmen. Rewe – zu der Marke gehören auch Penny und der Baumarkt Toom – will Ende dieses Jahres Plastikstrohhalme auslisten. Lidl und die Tochter Kaufland wollen bis Ende 2019 sogar auf alle Einweg-Plastikartikel, zum Beispiel auch auf Becher und Wattestäbchen verzichten.
    Ich habe darüber vor der Sendung mit Georg Mehlhart vom Öko-Institut in Darmstadt gesprochen und ihn gefragt: Ist diese Ankündigung der Supermärkte einfach eine gute PR-Aktion, oder bringt sie der Umwelt tatsächlich etwas?
    Georg Mehlhart: Na ja, ich sage mal: Das Verbot von Plastikstrohhalmen wird sicherlich nicht den Strudel im Pazifik reduzieren, oder auch die Reduktion der Plastikstrohhalme im Angebot der Discounter. Es ist im Grunde ein Vorgriff auf das, was jetzt von der EU-Kommission vorgeschlagen wird, und insofern ist es ein guter Schritt, weil es demonstriert, dass es geht und dass es entweder Ersatzmöglichkeiten gibt, oder dass man auch einfach auf diese Produkte überwiegend sogar auch verzichten kann.
    "Die erste Alternative zu Strohhalmen ist erst mal kein Strohhalm"
    Peetz: Was sind denn Alternativen zu Strohhalmen aus Plastik?
    Mehlhart: Die erste Alternative zu Strohhalmen aus Plastik ist erst mal kein Strohhalm. Die meisten Anwendungen sind im Grunde in keiner Weise wirklich notwendig in der Form, wie sie da sind. Wenn jetzt Leute meinen, dass sie gar nicht auf Strohhalme verzichten können, oder Produkte so damit verbunden sind, dann gibt es tatsächlich Alternativen, die aus verschiedenen Holzmaterialien – Bambus ist immer eine Option – oder aus beschichteter Pappe bestehen, die man dafür verwenden könnte. Im medizinischen Bereich gibt es ohnehin Ausnahmen für die Anwendung von Strohhalmen.
    Peetz: Wie schlimm sind diese Plastikstrohhalme wirklich für die Umwelt?
    Mehlhart: Die EU-Kommission hat sich das ja angeguckt, was sie am Meer vorfindet, welche Teile, und hat sich die zehn häufigsten aufgefundenen Teile an den Stränden angeschaut, und da sind die Strohhalme und das Einweggeschirr dabei, und hat dann weiter überlegt, auf welche kann man am einfachsten verzichten, oder welche sind am einfachsten ersetzbar, und ist dann auf diese Gruppe der Wattestäbchen und Strohhalme und auch Einweggeschirr gekommen, dass man auf die am ehesten verzichten kann, oder dass es für die Ersatzstoffe gibt, so dass man die in die Liste der verbotenen Materialien und Produkte aufnehmen konnte. Das ist die Logik, dass man schaut, was ist am Meer vorhanden und was kann man am leichtesten ersetzen im Moment. Im Prinzip kann diese Liste aber auch in Zukunft fortgeführt werden und erweitert werden.
    Peetz: Jetzt haben Sie schon gesagt, die EU hat sich diese Plastikvermeidung vorgenommen. Diese entsprechende EU-Richtlinie, die muss aber erst noch durchs EU-Parlament und den Europäischen Rat. Wie beurteilen Sie das? Ist die Politik da nicht schnell genug?
    Mehlhart: Zunächst mal ist das ein wichtiges Signal, weil die Richtlinie hat nicht nur dieses viel besprochene Verbot von Plastikstrohhalmen im Programm, sondern es geht auch darum, die Produzentenverantwortung für Stoffe einzuführen, die in die Umwelt gelangen, und die Produzenten auch mit ins Boot zu nehmen, wenn es darum geht, diese Materialien wieder einzusammeln, die Strände zu reinigen oder vielleicht auch sogar das Meer zu reinigen und insofern eine erweiterte Produzentenverantwortung für diese Produkte einzuführen. Das gab es bisher noch nicht. Das gab es nur bis zu dem Verpackungsmaterialien-Bereich.
    Es werden auch neue Ziele eingeführt, zum Beispiel Sammelziele für Einwegflaschen, die in Zukunft zu 90 Prozent wieder eingesammelt werden müssen von den Ländern, was eine deutliche Erhöhung gegenüber den jetzigen Zielen ist. Insofern: Die Richtlinie greift an einigen Stellen viel weiter und gibt auch viel mehr Ziele vor, wie es eigentlich jetzt in der Kommunikation da ist, dass man nur über Plastikstrohhalme redet.
    Klar, man hätte sich noch mehr wünschen können, dass Vermeidungsziele für die in Verkehr gebrachten Kunststoffmengen genannt werden und so weiter und so fort. Aber auch da muss man sagen, man musste erst mal Methoden finden, wie man das überhaupt ordentlich misst und wie man dann auch Ziele sich setzen kann.
    Peetz: Im Gespräch ist ja auch eine Plastiksteuer. Was halten Sie davon?
    Mehlhart: Die Plastiksteuer, so wie sie jetzt vorgeschlagen ist, bezieht sich ja auf den Anteil der nicht recycelt wird. Das ist nicht ganz banal zu messen und zu erheben. Aber ich denke, wir sind da auf einem guten Weg in der Diskussion, wie man diese Mengen erheben kann, und ich halte das im Prinzip für ein gutes Instrument, weil es Anreize gibt, entweder auf die Kunststoffe, die man nicht recyceln kann, zu verzichten, oder auch die Materialien recyclingfähiger zu machen und auch die Sammelquoten zu steigern. Die Steuerzahlung würde ja von den Ländern fällig werden, nicht von den Produzenten in dem Fall.
    "Mengen dieser Kunststofftüten haben sich eklatant reduziert"
    Peetz: Ähnlich wie das jetzt mit den Strohhalmen und dem Einweggeschirr geplant ist, ist es ja auch schon mit der Plastiktüte gelaufen: ein Verbot zumindest von kostenlosen Plastiktüten. War das aus Ihrer Sicht erfolgreich?
    Mehlhart: Im Großen und Ganzen ja. Es betrifft ja die dickwandigen Kunststofftüten, die man zum Beispiel beim Schuhe kaufen oder Textilien kaufen und so weiter mitbekommen hat, die früher umsonst waren. Die Mengen dieser Kunststofftüten haben sich eklatant reduziert. Die Hemdchentüten, die dünnwandigen Tüten, die man beim Gemüsestand bekommt, die sind ja nicht davon betroffen. Da hat sich auch nicht viel geändert. Aber bei den dickwandigen Tüten hat sich doch gravierend was geändert und auch die Mengen sind dort deutlich runtergegangen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.