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Ökonom über US-Strafzölle
Geschäftsmann Trump hofft auf einen "better deal"

"Ich denke, das ist geplant", sagte der Ökonom Michael Burda von der Humboldt-Universität im Dlf über die vom US-Präsidenten angekündigten Strafzölle auf Stahlimporte. Hier werde ein Wahlversprechen eingelöst - und das sei wichtig für Trump, der erheblich unter Druck stehe.

Michael Burda im Gespräch mit Peter Sawicki |
    US-Präsident Donald Trump am 20. Januar 2017 bei seiner Amtseinführung im Kapitol in Washington.DC, USA
    Trump nutzt ein Schlupfloch, um Zölle zu erheben: Stahl und Aluminium seien für die Verteidigung der USA wichtig, so seine Argumente. (dpa / picture-alliance / J. Scott Applewhite)
    Peter Sawicki: Die Nachricht versetzt seit gestern Abend längst nicht nur Politik und Wirtschaft in den USA in Aufruhr. Mit Einfuhrzöllen auf Stahl und Aluminium will Donald Trump ein Zeichen setzen im Sinne der heimischen Industrie. International stößt die Ankündigung wenig überraschend auf scharfe Kritik. Es wächst die Sorge unter anderem vor unvorhersehbaren Folgen für die gesamte Weltwirtschaft. Und selbst in den USA ist die Maßnahme nicht unumstritten.
    Donald Trump hat sich mittlerweile mal wieder über Twitter zu Wort gemeldet. Er hat wörtlich gesagt: "Handelskriege seien gut und leicht zu gewinnen." Das dürfte die Sorgen in Europa unter anderem nicht gerade kleiner werden lassen. Wir hören Regierungssprecher Steffen Seibert heute Mittag:
    O-Ton Steffen Seibert: "Die Bundesregierung lehnt solche Zölle ab. Diese Zölle würden die internationalen Handelsströme unserer Stahl- und Aluminiumindustrie empfindlich treffen. Das Problem globaler Überkapazitäten in diesen beiden Sektoren, Stahl und Aluminium, das lässt sich durch solche einseitigen Maßnahmen der USA nicht lösen."
    Sawicki: Was sind die Folgen der angekündigten Schutzzölle? - Wir haben kurz vor der Sendung darüber mit dem Ökonomen Michael Burda gesprochen. Er arbeitet an der Humboldt-Universität zu Berlin und er ist gebürtiger US-Amerikaner. Die erste Frage war, ob ein Handelskrieg jetzt unvermeidbar ist.
    Michael Burda: Das würde ich nicht unbedingt sagen. Es kommt natürlich immer auf die Reaktionen der Handelspartner an. Im Moment ist die Reaktion der EU – und die EU und China sind die wichtigsten Partner im Moment – relativ milde. Wir müssen erst mal sehen, was da passiert. Man blickt in die Geschichte und sieht die Folgen der 30er-Jahre, und man kann eigentlich nur den Kopf schütteln.
    Sawicki: Warum?
    Burda: Weil die Gegenreaktion ist die gefährlichste Route, die man sich vorstellen kann. Damals haben die USA 20.000 Zölle eingeführt gegen hauptsächlich europäische Importe damals. Die Europäer ohne die EU haben sehr, sehr schnell darauf reagiert mit höheren Zöllen und das führte wieder zu Gegenreaktionen, Abwertungen, der Ablösung vom Goldstandard. All diese Dinge führten zu einer Katastrophe im Welthandel in den 30er-Jahren und hat durchaus die ganze Rezession in eine Depression umgewandelt.
    "Hoffen, dass Vernunft wieder einkehrt"
    Sawicki: Also wäre das jetzt gar nicht so schlau von Seiten der EU und von China, mit gleichen Gegenmaßnahmen zu reagieren? Verstehe ich Sie da richtig?
    Burda: Ja, ich sehe eine gewisse Vorsicht, weil die Amerikaner sicherlich auch wie Trump bekanntlich Dinge machen, erst mal ankündigen und gucken, wie die anderen reagieren, als Teil einer großen Handlungsstrategie. Ich denke, die Welt ist gut beraten, ein bisschen vorsichtig vorzugehen. Deshalb gibt es die WTO und so weiter. Wir können nur hoffen, dass die Vernunft wieder einkehrt.
    Sawicki: Die WTO wurde 1995 gegründet, also lange Zeit nach den 30er-Jahren. – Wenn wir mal kurz auf die Regeln der WTO schauen: Sind Zölle grundsätzlich verboten laut WTO?
    Burda: Im Prinzip ist das eine ganz große Errungenschaft, diese Sequenz von Handelsabkommen. Es war nicht immer die WTO, das ist die Krönung eines Prozesses. Letztendlich ist es eine Vereinbarung, dass man nicht ohne etwas Hürden zu nehmen neue Zölle einführt. Es gibt natürlich immer Schlupflöcher, und was Trump vorschwebt ist irgendwie eine Möglichkeit, ein sehr, sehr großes Schlupfloch auszunutzen, nämlich die nationale Sicherheit. Im Falle von Stahl und Aluminium sind das strategisch sehr wichtige Rohstoffe, die für die Verteidigung der Vereinigten Staaten, für das Militär, für die Militärausrüstung sehr, sehr wichtig sind. Wenn die Amerikaner sich nicht versorgen können, ist es tatsächlich ein Grund zur Ausnahme der WTO-Regelwerke.
    Sawicki: Also gibt es möglicherweise gar keine Handhabe dagegen auf rechtlichem Wege?
    Burda: Ja, man kann dagegen vorgehen. Das ist kompliziert, das dauert Zeit. Ich glaube, die amerikanische Wirtschaft hat tatsächlich chronische Handelsdefizite seit jeher und man kann so oder so das sehen. Es ist teilweise auch eine ganz schwache Wettbewerbsfähigkeit. Die Chinesen haben tatsächlich, muss man ganz deutlich sagen, eine Überkapazität bei Stahl und Aluminium. Die Deutschen haben auch groß den Weltmarkt erobert. Die Amerikaner versuchen irgendwie, ein bisschen in dieser Marge sich zu bewegen, ohne tatsächlich die Grundannahme, dass die Amerikaner eigentlich immer Defizite fahren werden, weil der Dollar immer noch Währung der Welt ist, umzukippen. Insofern ist es ein bisschen widersprüchlich, auf Handelsüberschüsse in den USA zu bestehen, wie Trump das häufig macht, weil es eigentlich gar nicht möglich ist.
    Sawicki: Sie haben gerade die Überproduktion von China angesprochen, und es gibt ja auch Steuervergünstigungen oder Preisvergünstigungen für Alu-Hersteller in Deutschland. Das heißt, so ganz aus der Luft gegriffen sind die Vorwürfe von Trump anscheinend nicht.
    Burda: Ja, wie immer bei Trump ist ein kleines Bisschen Wahrheit dabei, und es macht mir sehr viel Mühe, das herauszusortieren. Aber es ist tatsächlich so, dass die genannten Fälle zutreffen, und die USA können das natürlich nicht immer aufgreifen. Die müssen politisch handeln. Die Globalisierung hat Vorteile, aber auch immer Kosten, und wenn man nicht die "loser", die Verlierer der Globalisierung kompensiert, dann ärgern sie sich. Die USA haben etliche Stahlwerke schließen müssen in den letzten zehn Jahren und Aluminiumhütten. Es ist klar, dass das auch ein Punkt ist. Die Europäer, die Amerikaner und die Chinesen auch müssen ein bisschen die Vorteile der Globalisierung abwägen. Es gibt Verlierer. Man muss darauf hinarbeiten, dass die auch kompensiert werden, dass die auch geschützt werden.
    Sawicki: Sie haben ja schon angesprochen, dass Aluminium natürlich ein wichtiges Produkt ist im Hinblick auf die Rüstungsindustrie, und auch die Probleme der Industriearbeiter in den USA dort. Kann man sagen, dieser Schritt, wenn er denn so durchgeführt wird, ist das Teil einer Gesamtstrategie von Trump?
    Burda: Trump ist Geschäftsmann und sieht alles als eine riesen Verhandlungsrunde. Es geht um einen "better deal".
    Sawicki: Aber er ist jetzt auch Politiker. Er ist Präsident. Ist das eine politische Strategie?
    Burda: Das gehört alles zusammen. Ich denke, er wird es auch verkaufen können. Er ist innenpolitisch unter Druck aus anderen Gründen. Er muss irgendwie ein paar Siege vermelden können. Ansonsten gibt es wirklich Probleme für seine interne Rechtfertigung gegenüber seinen Kernwählern, und er ist ohnehin mit Untersuchungen unter massiven Druck gekommen und auch seine ganzen Stabsverluste, das ist echt erheblich. Hier ist eine Chance zu punkten. Das ist natürlich auch ein Wahlversprechen, das er gemacht hat, und er möchte es einlösen lassen.
    "Es geht hier um Marginalien"
    Sawicki: Also ist es kein Zufall, dass er gerade jetzt diesen Schritt ankündigt?
    Burda: Ich bin immer ein bisschen zynisch, was die Politik angeht, und ich denke schon, das ist irgendwie geplant.
    Sawicki: Wäre Trump aus Ihrer Sicht denn auch möglicherweise bereit, andere Arbeitsplätze zu opfern, weil ja schon auch von Boeing beispielsweise, eine Firma, die Flugzeuge viel exportiert, Kritik daran laut geworden ist?
    Burda: Absolut! Das ist ganz richtig. Deshalb versucht er wahrscheinlich, die Rückfallpositionen der Gegenparteien zu erforschen. Die Amerikaner sind sehr schlecht dran, wenn sie diese wichtigen Teile ihrer Exporterfolge verlieren. Es gibt natürlich auch andere; die Amerikaner exportieren auch sehr viel, auch wenn sie viel importieren. Man muss irgendwie versuchen, dies alles auszutarieren.
    Sawicki: Noch mal ganz kurz die Nachfrage. Glauben Sie, dass er bereit ist, Arbeitsplätze vielleicht in diesem Bereich zu opfern?
    Trump: Ich glaube nicht, dass es soweit kommt, ganz ehrlich gesagt, weil die Europäer und die Chinesen, vor allen Dingen die Chinesen haben immer noch massive Handelsüberschüsse mit den USA. Und genau wie er mit Kanada und Mexiko vorgeht, wird es einfach töricht, wenn man alles kappen würde und versucht, auf Ausgleich zu kommen. Es geht hier um Marginalien. Es geht hier um den Versuch, die Chinesen und die Europäer, wie Sie gesagt haben, ein bisschen zu etwas fairem Boden zu bewegen, und man kann nicht religiös irgendwie auf Freihandel bestehen. Diese Zeiten sind vorbei. Wir haben in den USA sehr, sehr stark gelernt, dass es immer diese Verlierer der Globalisierung gibt, und die werden irgendwann mal politisch unruhig und das Leben sehr, sehr schwer für Politiker machen. Das gibt es übrigens auch in Europa mittlerweile. Jetzt müssen wir alle aufpassen, dass wir das nicht vergessen.
    Sawicki: Bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk der Ökonom Michael Burda von der Humboldt-Universität zu Berlin. Vielen Dank, dass Sie Zeit für uns gefunden haben.
    Burda: Gern geschehen.
    Sawicki:
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.