Dienstag, 19. März 2024

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Ökonom zu Ausbildung im Handwerk
"Mit dem Meisterbrief wird eine Eintrittsbarriere errichtet"

Nachdem die Meisterpflicht in bestimmten Handwerksberufen abgeschafft worden sei, habe der Markt eine hohe Dynamik entwickelt, sagte Achim Wambach, Vorsitzender der Monopolkommission. Wenn man diese Extrahürde jetzt wieder einbaue, seien negative Konsequenzen zu erwarten: längere Wartezeiten und höhere Preise.

Achim Wambach im Gespräch mit Peter Sawicki | 14.12.2019
Ein junger Mann hält bei einer Meisterfeier in Erfurt seinen Meisterbrief in der Hand.
Ob die Qualität mit der Meisterbriefpflicht wirklich besser ist, bezweifelt Achim Wambach: "Die empirische Evidenz ist da nicht besonders groß". (dpa/ZB/Britta Pedersen)
Peter Sawicki: Einen Mangel an Fachkräften beklagen viele Branchen in Deutschland. Das Handwerk ist vorne mit dabei, und der zuständige Zentralverband fordert in diesem Zusammenhang schon länger eine Wiedereinführung der Meisterpflicht für Handwerksberufe. 2004 waren die Regelungen hierzu gelockert worden, seitdem wurden viele neue Betriebe gegründet, die aber die nötige Qualität vermissen lassen – so die Kritik, die oft zu hören ist.
Der Bundestag hat in dieser Woche nun die Meisterpflicht für zwölf Handwerksberufe wiedereingeführt – im Sinne der Qualität, wie es heißt. Es gibt aber auch Kritiker dieser Entscheidung, die vor negativen Folgen für Kunden warnen. Dazu gehört Achim Wambach, er ist Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und Vorsitzender der Monopolkommission. Schönen guten Morgen, Herr Wambach!
Achim Wambach: Guten Morgen!
Sawicki: Lehnen Sie Qualität bei Handwerksarbeiten ab?
Wambach: Nein, überhaupt nicht, Qualität ist sehr wichtig. Die Frage ist, selbst wenn man sagt, die Qualität ist ein Thema, ob die Meisterpflicht sozusagen die richtige Antwort darauf ist.
Ein Handwerker arbeitet an Badezimmer-Fliesen.
Der Meistertitel im Handwerk: Zwischen Gütesiegel und Zwang
Der Meistertitel ist die heilige Kuh des deutschen Handwerks. Nur wer ihn hat, darf sich selbständig machen und ausbilden. Die EU aber hobelt an den Bestimmungen, um es Handwerkern aus dem Ausland leichter zu machen. Welchen Sinn macht der deutsche Meister heute also noch?
"Die Kunden wollen vielleicht auch unterschiedliche Qualität"
Sawicki: Und darauf würden Sie also mit Nein antworten?
Wambach: Ja, genau. Der Meister ist ja nach wie vor möglich als Instrument, um zu signalisieren, dass man eine hohe Qualität hat. Insofern ist die Frage, warum ihn jeder machen muss. Die Kunden wollen vielleicht auch unterschiedliche Qualität. Wenn ich mein Gartenhaus fliesen will, dann will ich vielleicht eine andere Qualität, als wenn es der Eingang meines Büros ist, wo viele Leute durchlaufen, der repräsentativ sein muss. Das eine kann ich ja mit einem Meisterbetrieb machen, wenn ich das möchte, und das andere vielleicht mit einem Betrieb, der keinen Meister hat.
Sawicki: Nun geht es aber auch darum, dass beispielsweise der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und ja auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks sagen, dass es ja auch nicht nur um erhöhte Qualität insgesamt, sondern auch um Wertschätzung für diesen Berufsstand geht. Ist das falsch aus Ihrer Sicht, diese Sichtweise?
Ein Mann im orangefarbenen T-Shirt verlegt große graue Fußbodenfliesen in einem Bad.
Fliesenleger brauchen seit 2004 keinen Meisterbrief mehr (dpa / Patrick Pleul)
Wambach: Wertschätzung ist ein schwieriges Argument. Der Markt hat eine hohe Dynamik gehabt, nachdem die Meisterpflicht abgeschafft worden ist. Sie haben es zu Anfang erwähnt, die Anzahl der Betriebe hat sich mehr als verfünffacht in diesem Zeitraum oder knapp verfünffacht, das ist schon eine unglaubliche Dynamik, und jetzt mit dem Meisterbrief wird eine Eintrittsbarriere errichtet. Es ist oft schwerer, in diesen Markt einzutreten, und insofern ist es auch eine geringe Wertschätzung gegenüber denen, die eigentlich in den Markt reingehen wollen, ohne den Meister zu haben, die es jetzt nicht mehr dürfen.
Sawicki: Aber wenn Sie sagen, eine hohe Dynamik, das heißt, es sind mehr Teilnehmer jetzt auf diesem Markt, es gibt mehr Wettbewerber, spiegelt sich das denn auch in der Qualität wider, dass die Quantität gestiegen ist?
Wambach: Die entscheidende Frage ist, ob die Qualität durch diese Meisterpflicht sozusagen so weit angehoben wird und dass die Konsumenten das nicht selber können. Wir haben so viele Märkte, die auch hohe Qualität haben, niedrige Qualität, wo wir nicht so eine Markteintrittsbarriere haben. Manche fahren teure Autos, manche fahren einfache Autos, wir haben tolle, weiß ich nicht, Küchenschränke und weniger tolle – Qualitätsunterschiede kennen wir aus den verschiedensten Bereichen. Deswegen ist es auch hier so. Ja, vielleicht gab es unterschiedliche Qualitäten, die empirische Evidenz ist da nicht besonders groß. Wir reden hier mehr von Anekdoten, als dass wir jetzt wirklich belastbare Zahlen haben, dass die Qualität hier über die ganze Breite gefallen ist und dass die Verbraucher damit auch nicht zufrieden waren. Diese unterschiedliche Qualität kennen wir aus verschiedenen Märkten, warum wir jetzt hier noch eine Extrahürde brauchen, ist nicht nachvollziehbar.
"Ausbilden ist ein wichtiges Thema"
Sawicki: Das Stichwort Zahlen haben Sie gerade genannt, ich kann Ihnen gerne eine nennen, die Deutsche Handwerks-Zeitung hat darüber vor Kurzem geschrieben. Mit Blick jetzt zum Beispiel auf Raumausstatter, das ist ja jetzt ein Beruf, bei dem demnächst die Meisterpflicht wieder gelten soll. Demnach hatte es seit 2003/2004, als es diese Reform gab, ein Anwachsen der Betriebe in Deutschland gegeben von 8.000 auf ungefähr 28.000, darunter eben viele sogenannte Solo-Selbstständige, die eine geringe Qualifikation nur aufweisen. Gleichzeitig ist in diesen Betrieben die Zahl der Ausbildungsplätze beziehungsweise der Azubis, die da eine Ausbildung dann absolviert haben, um 38 Prozent gesunken. Ist das nicht also jetzt an der Zeit, allein aus dieser Perspektive, die Meisterpflicht wiedereinzuführen?
Auszubildende im Beruf Schweißer in Siegburg
Mit dem Wegfall der Meisterpflicht ist auch die Anzahl der Auszubildenden signifikant zurückgegangen. (imago images / Rainer Unkel)
Wambach: Das ist ein zweiter Aspekt, die Ausbildung. Das Handwerk bildet sozusagen über Gebrauch aus, aber hat es immer schwieriger, Nachwuchs zu finden, wie andere Bereiche auch, wir leben in Zeiten des Fachkräftemangels. Zeitgleich, wo die Ausbildungszahl in diesen zulassungsfreien Gewerken gefallen ist, ist übrigens auch die in den zulassungspflichtigen Gewerken gefallen. Also 1997 und 2017 ist die da von über 500.000 auf 300.000 gefallen, in den zulassungsfreien von knapp über 30.000 auf 15.000, also etwas stärker gefallen. Wir reden hier von 15.000 Auszubildenden im Jahr, das ist keine so dramatische Größe jetzt im Vergleich. Wichtig ist eigentlich, dass wir den Zurückgang in den zulassungspflichtigen Gewerken in den Griff bekommen, weil das ist die große Masse der Auszubildenden, die wir da haben. Auszubilden ist ein wichtiges Thema. Es bleiben halt nur sehr wenige Gesellen im Handwerk, weniger als 40 Prozent, also der Beruf sollte an Attraktivität gewinnen. Es hilft sicherlich, dass wir einen Fachkräftemangel haben, dass die Preise im Handwerk auch steigen – dadurch wird auch der Beruf attraktiver.
Sawicki: Ja, und was sollte man aus Ihrer Sicht dann stattdessen machen?
Wambach: Zum einen, den Fachkräftemangel sehen wir in allen möglichen Bereichen, das ist nicht nur im Handwerk, den Fachkräftemangel …
Sawicki: Aber wir reden ja jetzt übers Handwerk.
Wambach: Genau … Nach dem Abschluss der Ausbildung verbleiben weniger als 40 Prozent der ausgebildeten Gesellen im Handwerk. Die Zahl sagt mir eigentlich, wir müssen daran arbeiten, dass der Handwerkerberuf auch nach der Ausbildung attraktiv wird, dass es nicht für die Gesellen attraktiver ist, dann in die Industrie zu gehen. Und das ist eine Frage der Entlohnung, des Umfelds des Berufes, und hier lässt sich sicherlich drüber streiten, ob da der Meister wirklich der Vorteil ist. Jetzt können ja Gesellen hinterher sich nicht mehr selbstständig machen, diese Möglichkeit wird ihnen ja jetzt verbaut dadurch, dass sie die Meisterpflicht haben, also den Meister auch machen müssen.
Sawicki: Gut, man könnte da aber auch in dem Zusammenhang sagen, man erleichtert dann wiederum noch mal die Zulassung beziehungsweise die Schranken, die es auf dem Weg zum Meister dann gibt, um das attraktiver zu gestalten.
Wambach: Ja, die Frage ist jetzt, ob man das ganze Meisterprogramm noch ändern sollte und dann eine attraktivere Ausbildung sozusagen aufstellen sollte. Da wird ja auch dran gearbeitet, die Ausbildungen, die ändern sich ja jetzt auch regelmäßig und werden regelmäßig hinterfragt. Es ist wirklich die Frage, ob die Ausbildung die Problemstelle ist – die Anzahl geht ja zurück – oder sozusagen hinterher den Markt, in dem die arbeiten, wenn ich sehe, dass halt so viele den Markt dann auch verlassen.
"Dynamik wird wieder ausgebremst"
Sawicki: Gut, schauen wir noch auf einen anderen Punkt, weil Sie ja auch im Vorfeld schon gesagt haben beziehungsweise im Rahmen dieses Beschlusses, dass es negative Konsequenzen für Kunden haben könnte. Was genau befürchten Sie da?
Wambach: Na ja, Wettbewerb hilft zum einen, dass ich leichter Handwerker finde. Wir haben es ja hier so, dass dieser Markt in vielen Bereichen sehr eng ist, der Branche geht es ja eigentlich recht gut. Wenn man sich wirklich anschaut, welche Dynamik entstanden ist, nachdem die Meisterpflicht abgeschafft worden ist, diese Dynamik wurde jetzt ausgebremst. Das heißt, man hat es schwieriger, Handwerk zu finden, man hat es schwieriger, auch eventuell die Vielfalt im Markt zu finden, wenn man sagt, es gibt dann nur noch diese Meisterbriefe. Und tendenziell, eine Markteintrittsbarriere wirkt ja wie ein gewisser Schutz des Marktes, und das spiegelt sich dann wider auch tendenziell in höheren Preisen.
Sawicki: Und muss man dann länger warten gegebenenfalls aus Ihrer Sicht noch auf Handwerkertermine?
Wambach: Sagen wir mal so, jetzt unmittelbar ändert sich ja nichts, weil die, die jetzt einen Betrieb haben, dürfen diesen ja weiterführen. Nächste Woche sieht die Welt aus wie diese Woche, da hat sich nichts geändert, aber in der mittleren Frist ändert es sich, weil diese neuen Eintrittsgelegenheiten jetzt schwieriger werden. Und deswegen, ja, dann werden auch die Wartezeiten länger werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.