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Ökonomen zu Verbraucherpreise
Kein Inflationsanstieg trotz Corona-Milliarden

Niedrige Ölpreise ziehen das Preisniveau nach unten, Konsum und Kauflust sind gedämpft - die Inflation liegt auf einem so niedrigen Niveau wie zuletzt 2016. Selbst bei einer Ausweitung des EZB-Notprogramms befürchten Experten keinen Inflationsanstieg in den nächsten Jahren.

Von Mischa Ehrhardt | 28.05.2020
Eine Frau mit Nase-Mund-Schutzmaske geht in München an einem Geschäft vorbei, an dem ein Schild mit der Aufschrift "Nur ein Kunde" angebracht ist.
Die Laune zum Kaufen kommt nicht so recht auf - in den kommenden Monaten dürften sich Preisanstiege nur niedrig fortsetzen (picture alliance / Peter Kneffel)
Die Coronakrise schreibt sich mehr und mehr in alle Wirtschaftsdaten ein. Während sich Nahrungsmittel im Mai verteuerten, haben die Energiepreise stark nachgegeben und das Preisniveau nach unten gezogen.
"Die Preise, also angefangen beim Import und der Produktion über den Handel bis zum Endverbrauch oder den Export, wurden seit Ausbruch der Krise insgesamt stark nach unten gedrückt", sagte Susanne Hagenkort-Rieger, Leiterin der Gruppe "Preise" im statistischen Bundesamt in Wiesbaden vor wenigen Tagen.
Mit einer Inflation von gut einem halben Prozent gegenüber dem Vorjahr liegt die Inflation auf einem so niedrigen Niveau wie zuletzt im Jahr 2016. Es sind vor allem die gefallenen Ölpreise am Weltmarkt und damit verbunden niedrigere Preise für Heizöl und an den Tankstellen, die den Preisanstieg bremsen.
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Niedriger Preisanstieg auch in den nächsten Monaten
Und der niedrige Preisanstieg dürfte sich auch in den kommenden Monaten fortsetzen. Denn Kurzarbeit und steigende Arbeitslosigkeit werden Konsum und Kauflust dämpfen. Hinzu kommt, dass sich viele Unternehmen nun verschulden müssen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Verschuldete Unternehmen aber werden kaum größere Anschaffungen oder Investitionen stemmen können. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank:
"Diesen Schulden stehen ja keine ertragreichen Investitionen gegenüber. Sie werden also bestrebt sein, die Schulden, wenn der Aufschwung erst mal da ist, zurückzuzahlen. Aber das heißt auch: Sie werden sparen, sie werden sich zurückhalten beim Einstellen, sie werden sich zurückhalten beim Investieren; und das ist ein zweiter Grund, warum es nur moderat nach oben gehen sollte".
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Die Erholung der Wirtschaft wird also dauern und der Inflationsdruck dürfte damit vergleichsweise gering bleiben in Folge der Krise. Das wiederum dürfte die Europäische Zentralbank auf den Plan rufen, denn die verfolgt das Ziel der Preisstabilität, das sie aber erst bei einer Teuerungsrate von knapp zwei Prozent als gegeben sieht.
"Ja: Die EZB wird hier nicht amused sein. Denn sie hat immer noch das Mandat Preisstabilität. Und ich denke, das passt der EZB aktuell ganz gut in den Kram. Denn ich sehe doch so eine Neigung, das man, was es auch kosten wird, versuchen wird, noch einmal aufzustocken", sagt der Chefvolkswirt der ING, Carsten Brzeski. Über ein Krisen-Notfallprogramm planen die Währungshüter in Frankfurt bislang, bis Jahresende 750 Milliarden Euro in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen.
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Möglich, dass die Chefin der EZB, Christine Lagarde, in der kommenden Woche noch einmal nachlegt und das Notprogramm ausweitet. Trotz dieser Geldflut glauben die meisten Ökonomen aber nicht daran, dass in den kommenden Jahren ein Inflationsschock - also massiv explodierende Preise - drohen.
"Vor allem deutsche Volkswirte haben immer gelernt, dass die Inflation überall, hinter jeder Ecke lauert. Seit zwölf Jahren passiert das nicht. Und das wird sicherlich in den kommenden Jahren auch nicht passieren. Warum? Wir haben eine steigende Arbeitslosigkeit, wir haben niedrige Energie- und Ölpreise, wir haben eine steigende Verschuldung – bei Staaten, bei Unternehmen, bei Haushalten. Und das spricht dafür, dass wir wirklich keinen Anstieg der Inflation in den nächsten Jahren sehen werden".